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Ein Museum für Casanova

Suzanne Cords
2. April 2018

Berühmt wurde er durch seine Verführungskünste und Frauengeschichten, doch er war auch Priester, Schriftsteller, Diplomat und Spion. 220 Jahre nach seinem Tod bekommt Giacomo Casanova in Venedig ein eigenes Museum.

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Giacomo Girolamo Casanova

"Ich habe viele Touristen in Venedig gesehen, die durch die Gassen irrten und dieses Schild suchten: 'In der Calle della Comedia wurde am 2. April 1725 Giacomo Casanova geboren'. Das hat mich dazu inspiriert, in seiner Heimatstadt das erste Museum zu seinen Ehren zu eröffnen." Mit diesen Worten macht der Italiener Carlo Parodi, Gründer der Giacomo Casanova Stiftung, im Netz Werbung für die neueste Attraktion in der Lagunenstadt. Eröffnet wird das Haus am 2. April, also an Casanovas Geburtstag - und das absolut stilgerecht in dem prächtigen Palazzo Pesaro Papafava.

In Palästen wie diesem hat der weltberühmte Venezianer einst so manche Schönheit verführt, doch das Museum will mehr, als nur den Frauenheld zeigen. "Casanova war ein großer Denker, Schriftsteller und Philosoph, der ungerechterweise nur als großer Liebhaber in die Geschichte eingegangen ist", betont Parodi. Im Museum will man deshalb auch andere Facetten des Lebenskünstlers zeigen - und zwar nicht nur anhand von Ausstellungsstücken, sondern ebenso mit virtuellen Zeitreisen mitten hinein ins 18. Jahrhundert.

Der Rundgang endet - wie könnte es anders sein - in einem prächtig ausgestatteten barocken Schlafgemach voller Seide und Damast. Täuschend echt die Szenerie, denn Casanova verbirgt sich mit einer Schönen hinter einem Paravent. Wir sind schon mal auf Spurensuche gegangen und haben einige Fakten über den Mann zusammengetragen, der bis heute die Welt fasziniert.

Werbebanner für das Casanova Museum.
Dieses Plakat wirbt für das neue Museum Bild: Giacomo Casanova Foundation

Der Verführer

"Da ich mich für das andere Geschlecht geboren fühlte, habe ich es stets geliebt", schreibt Giacomo in seinen Memoiren "Geschichte meines Lebens" und verrät darin auch, dass er um die 200 Geliebte hatte. Darunter Damen von Stand und Töchter aus gutem Hause, aber auch Dirnen und sogar zwei Nonnen. Zu seinen vielen Eroberungen gehört auch die 13-jährige Marie-Louise O'Murphy, die Geliebte des französischen Königs Ludwig XV.. Oder jene Henriette, die er in Italien einem ungarischen Offizier ausspannt und die beim Abschied in Genf mit einem Diamanten in die Fensterscheibe des Gasthofzimmers die Worte einritzt: "Du wirst auch Henriette vergessen!" Die Ehe hat er den Damen oft versprochen, geheiratet hat er allerdings nie. Und obwohl sie von seinem unsteten Lebenswandel wissen, erliegen sie reihenweise seinem Charme.
Kindheit und Lehrjahre

Eine kolorierte Litographie von 1850: Casanova umarmt eine nackte Frau.
Berühmt wurde Casanova als Frauen-VerführerBild: picture-alliance/akg-images

Giacomo Girolamo Casanova ist der älteste Sohn einer Schauspielerfamilie. Da seine Eltern oft auf Tournee gehen, kommt er in die Obhut der Großmutter Mariza. Mit 12 Jahren studiert er weltliches und kirchliches Recht an der Universität Padua, mit 17 hat er den Doktortitel in der Tasche. Seine Priesterlaufbahn beendet er nicht etwa, weil er während einer Predigt betrunken von der Kanzel fällt, sondern erst drei Jahre später - das Metier behagt ihm nicht allzu sehr.Doch Casanova ist vielseitig gebildet, ob Theologie, Alchemie, Medizin oder Mathematik - der Venezianer kann bei jedem Thema mitreden. Neben Italienisch beherrscht er auch Französisch, Griechisch und Latein, außerdem ist er ein unterhaltsamer, intelligenter Gesprächspartner. So fällt es ihm nicht schwer, die Menschen in seinen Bann zu ziehen und in den unterschiedlichsten Berufen Fuß zu fassen. Er ist Sekretär, Fähnrich und Leutnant, Orchestergeiger, Poet und Schriftsteller, Alchemist, Geheimagent der Inquisition, Finanzspekulant, Diplomat und Bibliothekar, um nur einige seiner zahlreichen Aktivitäten aufzuzählen.

Ein Mann sitzt im Museum und schaut durch eine Virtual-Reality-Brille
Im Museum erwacht Casanova in 3D zum LebenBild: picture-alliance/AP Photo/L.Bruno

Flucht aus den Bleikammern

Am 26. Juli 1755 wird Casanova in den berüchtigten Bleikammern, einem Kerker im Dachgeschoss des mit Blei gedeckten venezianischen Dogenpalasts, inhaftiert. Man wirft ihm Gotteslästerung und "Schmähungen gegen die heilige Religion" vor, er soll verbotene Bücher besitzen, der Magie frönen und außerdem junge Menschen zum Atheismus verführen. Giacomo leidet an Fieber und Schüttelfrost, die Flöhe saugen ihm das Blut aus, es ist unerträglich stickig in seinem Kerker. "Der einzige Gedanke, der mich beherrschte, war die Flucht", schreibt er später. Bis dato ist noch nie jemand aus den Bleikammern entkommen, doch Casanova gelingt der Ausbruch. Er reist nach Paris, wo sich die Geschichte seiner spektakulären Flucht bereits herumgesprochen hat und er wie ein Held gefeiert wird.

Der Palazzo Papafava/ das Casanova Museum in Venedig.
Der Palazzo Papafava: Hier können Besucher des 21. Jahrhunderts auf Casanovas Spuren wandelnBild: Giacomo Casanova Foundation

Der Finanzjongleur

Casanova ist ein brillanter Hochstapler. Immer wieder ergaunert er hohe Geldsummen, die ihm gutgläubige Seelen, vor allem Frauen, anvertrauen. Beispielsweise Madame d'Urfé, eine der reichsten Arikstrokatinnen Frankreichs. Sie ist von okkulten Ideen geradezu besessen und giert nach einer wundersamen Verjüngung. Casanova kann bei ihr mit seinen alchemistischen Kenntnissen glänzen, und da er die Marquise, wie er in seinen Erinnerungen bekennt, nicht von ihrem Irrglauben abbringen kann, zieht er ihr lieber das Geld aus der Tasche.

Einen Geldsegen beschert ihm auch die Idee, 1757 die französische Lotterie zu begründen; der Posten als Direktor ist äußerst einträglich. Seine Schatulle füllt sich weiter, als er im geheimen Auftrag des französischen Außenministers schwierige finanzielle Transaktionen an der Börse im Ausland abwickelt.

Giacomo Casanova auf einem Gemälde, neben ihm schwebt ein Engel.
Dieses zeitgenössische Gemälde Casanovas schuf sein enger Freund Anton Raphael MengsBild: picture-alliance/United Archives/TopFoto

Doch trotz sprudelnder Einnahmen ist Casanova ständig pleite, denn er gibt das Geld verschwenderisch mit beiden Händen aus und ist dem Glücksspiel verfallen. Durch sein vollendet selbstsicheres Auftreten - ab dem Jahr 1758 stellt er sich dreist mit dem selbstverliehenen Adelstitel "Chevalier de Seingalt" vor - finden sich aber immer wieder hohe Herrschaften, die sich in lobenden Empfehlungsschreiben für ihn verbürgen.Trotzdem läuft es nicht immer rund für den Lebenskünstler: Sechsmal landet er im Laufe seines Lebens im Gefängnis, aus ebenso vielen Ländern wird er ausgewiesen.

Der rastlose Reisende

Sein Leben lang reist Casanova von Königshof zu Königshof kreuz und quer durch Europa. Sein Talent, stets in den feinsten Kreisen zu verkehren, verschafft ihm illustre Kontakte. In Rom parliert er mit Papst Clemens XIII., der ihn zum Ritter des Goldenen Sporns schlägt, und Friedrich der Große bietet ihm einen Posten als Lehrmeister an der Schule für pommersche Landjunker an, den er allerdings ablehnt. Russlands Zarin Katharina die Große empfängt ihn gleich zweimal. 
Kaum ein Zeitgenosse Casanovas dürfte so weit gereist sein wie der Venezianer: Historiker haben errechnet, dass er im Laufe seines Lebens eine Strecke zurücklegte, die dem Erdumfang entspricht. Mit den damaligen Transportmitteln, zu Pferd, in der Kutsche oder auf dem Schiff, eine beachtliche Leistung.

Ein Mann im Barockkostüm sitzt an einem Schreibtisch.
Im Alter brütete Casanova über seinen MemoirenBild: picture-alliance/AP Photo/L.Bruno

Das Vermächtnis

Casanova ist 60 Jahre alt, einsam und verbittert, als er 1785 als Bibliothekar des Grafen Waldstein im böhmischen Schloss Dux anheuert. Fünf Jahre später beginnt er mit der Niederschrift seiner Memoiren. Bis zu neun Stunden täglich brütet er über dem Manuskript, über 3000 Seiten bringt er zu Papier. Am 4. Juni 1798 stirbt Casanova im Alter von 73 Jahren an den Folgen der Syphilis oder einer Blasenerkrankung, so genau weiß man das heute nicht. Doch die "Geschichte meines Lebens" macht ihn unsterblich. Sie wird in 20 Sprachen übersetzt und gilt als das teuerste handschriftliche Manuskript der Welt: 2010 erwirbt es der französische Staat für sieben Millionen Euro.

Casanovas Grabstelle kennt man heute nicht mehr, dafür aber sein Lebensmotto: "Ich habe die Frauen bis zum Wahnsinn geliebt", doch "immer habe ich meine Freiheit mehr geliebt."

Suzanne Cords Weltenbummlerin mit einem Herz für die Kultur