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Freie Bahn für die zweite Amtszeit

Ingo Mannteufel24. Februar 2004

Präsident Putin hat die russische Regierung entlassen - knapp drei Wochen vor der Präsidentschaftswahl, bei der er als haushoher Favorit antritt. Was bedeutet diese Entscheidung?

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Entlassen: <br>Ministerpräsident KasjanowBild: AP


Der russische Staatschef Wladimir Putin hat den seit Sommer 2000 amtierenden Ministerpräsident Michail Kasjanow und dessen Kabinett entlassen - knapp drei Wochen vor der Präsidentschaftswahl, bei der Putin als haushoher Favorit antritt. Seine Entscheidung habe nichts mit den Leistungen der Regierung Kasjanow zu tun, die "im Großen und Ganzen zufriedenstellend" seien, sagte Putin. Es gehe ihm darum zu zeigen, wie er sich die Führung des Landes nach der Präsidentschaftswahl am 14. März vorstelle. Was also sagt die Entlassung Kasjanows und die Ernennung des bisherigen Vize-Ministerpräsidenten Viktor Christenko zum Interims-Ministerpräsident über Putins Vorstellungen seiner zweiten Amtszeit?

Letzter Jelzin-Getreuer

Bereits seit mehreren Monaten gab es Spekulationen über eine mögliche Entlassung Kasjanows - viele Beobachter rechneten jedoch erst nach den Präsidentenwahlen mit einer Umbildung der Regierung. Im vergangenen Sommer hatte Putin seinem Ministerpräsidenten vorgeworfen, die Wirtschaftsreformen nicht schnell genug umzusetzen und damit das Wirtschaftswachstum zu verlangsamen. Russlands Wirtschaft ist zwar 2003 - wie auch in den vorangegangen Jahren - um rund fünf Prozent gewachsen. Doch das ist zu wenig aus Sicht Putins, der das Ziel ausgegeben hat, in den nächsten zehn Jahren das russische Bruttoinlandsprodukt zu verdoppeln. Nach Meinung russischer Experten sind dafür mindestens sieben Prozent Wirtschaftswachstum jährlich notwendig.

Nach der Entlassung des Leiters der Präsidialverwaltung Alexander Woloschin im Herbst 2003 galt Kasjanow als der letzte einflussreiche Politiker in Putins Russland, der dem engen Machtzirkel des früheren Präsidenten Jelzins entstammte und der Handvoll russischer Großunternehmer, den so genannten Oligarchen, nahe stand. Präsident Putin verdankt zwar der so genannten "Familie" Jelzins seine Ernennung zum Präsidenten, doch hat er sich in den vergangenen Jahren konsequent von ihr getrennt. Stattdessen setzt er bei Personalentscheidungen vor allem auf Personen, die wie er aus St. Petersburg stammen oder ihre Karriere in den russischen Sicherheitsdiensten gemacht haben. Mit der Entlassung Kasjanows hat sich Präsident Putin nun endgültig der letzten Reste der früheren Jelzin-Mannschaft entledigt. Seine zweite Amtszeit scheint er mit einer Regierungsmannschaft beginnen zu wollen, die vollständig aus seinen Vertrauten besteht.

Ministerpräsident für wie lange?

Ob Präsident Wladimir Putin den zum amtierenden russischen Ministerpräsidenten bestimmten Viktor Christenko dem Parlament als neuen Regierungschef vorschlagen wird, ist vorerst fraglich. Bislang galt in den Medien Finanzminister Alexei Kudrin als aussichtsreichster Kandidat für das Amt des Regierungschefs.

Der 1957 in Tscheljabinsk geborene Viktor Christenko war in der Regierung Kasjanow als Stellvertretender Ministerpräsident bisher vor allem für Energiepolitik und Energiefragen im Außenhandel zuständig - zwei Bereiche, die für den Energieexporteur Russland von hoher Bedeutung sind. Die russische Finanzberatungsgesellschaft "United Financial Group" beschrieb Christenko einmal als einen "zuverlässigen Administrator", der sich bei der Umsetzung von Reformen bewährt habe. Ein Ministerpräsident Christenko stände damit nicht für einen Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik - und das ist die Hauptaufgabe des Ministerpräsidenten im politischen System Russlands.