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Freie Radikale im Netz

8. April 2002

Die Entwicklung ist alarmierend: Binnen eines Jahres haben die deutschen Rechtsextremisten die Zahl ihrer Internet-Seiten nahezu verdoppelt. Tendenz steigend. Sind wir machtlos gegen rechte Propaganda im Netz?

https://p.dw.com/p/23rn

Nordrhein-Westfalen hat einen nicht alltäglichen Vorstoß unternommen: Das Land will beim Kampf gegen Rechtsradikalismus im Netz die Anbieter von Internet-Zugängen in die Pflicht nehmen. Die Bezirksregierung Düsseldorf wies rund 110 Provider - darunter auch den Online-Riesen AOL - an, den Zugang zu zwei rechtsextremistischen Seiten aus den USA zu sperren. Ein Bußgeld von bis zu 500.000 Euro wurde angedroht, falls sie der Verfügung nicht nachkämen.

Internet ist kein rechtsfreier Raum

Die Leiterin der Abteilung für Gefahrenabwehr im Regierungspräsidium, Elke Bartels, begründet das Vorgehen mit dem Mediendienste-Staatsvertrag von 1997. Danach dürfen die Behörden auch von Anbietern fremder Inhalte die Sperrung von Angeboten verlangen, sofern dies "technisch möglich und zumutbar" ist. Menschenverachtende und volksverhetzende Propaganda dürfe nicht geduldet werden, betont Bartels.

Zensur oder nicht?!

Prompt sieht sich die Behörde im Kreuzfeuer. Einige Internet-Organisationen und Computer-Clubs sprechen von "Zensur" und "Beschneidung der Informationsfreiheit". Der Chaos Computer Club, der sich für ungehinderte Kommunikation einsetzt, und die Initiative ODEM.org riefen für diesen Samstag (06.04.) zum Protest gegen das Vorgehen der Bezirksregierung in Düsseldorf auf.

Die "nerds", wie sich die Computer-Begeisterten nennen, befürchten, dass die aktuellen Sperrverfügungen ein Versuchsballon für weitere staatliche Filterversuche sind. Das Problem des Rechtsextremismus und der Ausländerfeindlichkeit könne nicht durch Ausblendung gelöst werden, meint Andy Müller-Maguhn, Sprecher des Chaos Computer Club und Europadirektor im Internet Regulierungsgremium ICANN.

Provider mit Selbstzensur

Einige Firmen legten Widerspruch gegen die Düsseldorfer Verfügung ein, mindestens 16 andere beugten sich nach Hamachers Angaben bislang dem Druck. Eine davon ist die ISIS Multimedia Net. Laut deren Pressesprecher Thomas Werz erscheint bei den ISIS-Kunden "nicht verfügbar", wenn sie die beiden beanstandeten Seiten aufrufen wollen. Dazu sei einfach der Server entsprechend konfiguriert worden.

Wer sich jedoch auskenne, könne den Code knacken und die Behinderung umgehen, erläutert Werz. Es handle sich lediglich um eine "Kindersicherung". "Uns kann nun zwar keiner mehr nachsagen, dass wir nationalsozialistisches Gedankengut transportieren, aber jetzt werden wir vom Chaos Computer Club beschimpft", beklagt der Pressesprecher. Ein Spagat zwischen Verantwortungsbewusstsein und Community-Feeling. (arn)

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