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Freihandel: China und Japan statt USA?

20. März 2017

"America First" - mit seiner harten Haltung in der Wirtschaftspolitik stößt US-Präsident Trump auch Deutschland vor den Kopf. Die Exportnation lässt sich jedoch nicht bange machen und sucht nach Alternativen.

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Cebit 2017 - japanischen Firma Nedo mit Angela Merkel
Bild: DW/A. Becker

Die Stimmung könnte nicht besser sein. "Herzlichen Dank, lieber Shinzo, dass Du hier in Hannover unser Gast bist", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel, nachdem sie mit dem japanischen Regierungschef Shinzo Abe einige Stunden auf der Technologiemesse CeBIT verbracht hatte. Die Kooperation zwischen Deutschland und Japan, das in diesem Jahr Partnerland der Messe ist, sei in den letzten Jahren immer enger geworden, so Merkel. "Wir lernen uns immer besser kennen, was ich ausdrücklich begrüße."

Vor allem in Zeiten, in denen die USA damit drohen, sich einzumauern. Die Absage an den Freihandel hinterlässt ein Vakuum in der Welthandelsordnung. Auch die deutsch-amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen sind unter Beschuss. Daran hat auch der Besuch der Kanzlerin in Washington in der vergangenen Woche nichts ändern können. "In Zeiten, wo wir über freien Handel, offene Grenzen, demokratische Werte mit Vielen streiten müssen, ist es ein gutes Zeichen, dass Japan und Deutschland darüber nicht streiten, sondern zum Wohle der Menschen die Zukunft gestalten", sagte die Bundeskanzlerin in Hannover.

Japan und die EU brauchen einander

Merkel und Abe sind sich einig: Freihandel sei wichtig, Protektionismus schade nur. Nach seinem Besuch in Hannover wird der japanische Regierungschef in Brüssel erwartet und dort vordringlich über das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und Japan sprechen. Seit 2013 wird darüber verhandelt. Japan ist für die EU der sechstgrößte Handelspartner weltweit. Die EU steht für Japan an dritter Stelle. Das gegenseitige Handelsvolumen belief sich 2016 auf etwa 125 Milliarden Euro.

Roboter für den Alltag auf der CeBIT

Das Potenzial sei hierbei noch nicht ausgeschöpft, da auf beiden Seiten nach wie vor Handelshemmnisse bestünden, heißt es in einer jüngst erschienen Studie der Bertelsmann-Stiftung, die auf bestehende Zölle und sogenannte nicht-tarifäre Barrieren verweist. Noch viel wichtiger sei aber die strategische Bedeutung eines Freihandelsabkommens. In Zeiten von wirtschaftlicher Desintegration und zunehmenden Protektionismus wäre es ein eindeutiges Bekenntnis zu wirtschaftlicher Kooperation und freiem Handel, schreibt die Autorin Cora Jungbluth. 

Auf der Zielgeraden?

Das sehen wohl auch Merkel und Abe so. "Wir sind hier in einer entscheidenden Phase der Verhandlungen und Deutschland wird die Europäische Kommission bei diesen Verhandlungen unterstützen", sagte die Kanzlerin. "Deutschland und Japan setzen große Kraft auf den Abschluss des EU-Japan-Freihandelsabkommens." Bertelsmann-Autorin Jungbluth hält es für möglich, dass das Abkommen noch 2017 unter Dach und Fach kommt.

Die deutsche Wirtschaft wird diese Botschaft mit Freude vernehmen. Nicht erst seit dem Amtsantritt Trumps verfolgen die Unternehmen die Entwicklung mit Sorge. "Die protektionistische Grundstimmung setzt sich weltweit fort", stellt für den Deutschen Industrie- und Handelskammertag Geschäftsführer Volker Treier fest und fordert, der Einsatz für die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Staaten dürfe auf keinen Fall nachlassen. "Es gibt ja auch positive Nachrichten: Mit CETA haben wir jetzt ein wirklich modernes Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada."

Und dann ist da noch China

Auch auf der Ebene der Welthandelsorganisation müsse weiter gearbeitet werden. China und andere asiatische Länder seien wirtschaftlich "auf dem aufsteigenden Ast" und gerade in Asien würden viele Länder für freien Handel und wirtschaftliche Integration stehen. "China hat derzeit noch 500 WTO-Verfahren gegen sich laufen, aber um so mehr freut man sich, wenn der chinesische Staatspräsident uns die Hand reicht - was daraus wird, muss man schauen", so Treier.

China will keinen Handelskrieg

China ist seit vergangenem Jahr erstmals Deutschlands wichtigster Handelspartner. In Davos hat Staats- und Parteichef Xi Jinping mit Nachdruck vor neuen Handelskriegen gewarnt. "Wir sind eine Schicksalsgemeinschaft", sagte er auf der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums. Alle Länder seien voneinander abhängig. Doch sind die Hoffnungen auf China als neuen Partner für den Freihandel gerechtfertigt? Wie viel Kooperation, wie viel Konkurrenz, wie viel Offenheit darf der Westen vom Reich der Mitte erwarten?

China verfolgt seinen eigenen Kurs

"China ist zum Wachstum verdammt, um Stabilität im Land zu gewährleisten ", erklärt Jens Hildebrandt, der die Delegation der deutschen Wirtschaft im chinesischen Guangzhou leitet. "Wachstum soll aus Technologie- und Branchenführerschaft entwickelt werden und dafür braucht China Partner." Der Wegfall der USA setze China massiv unter Druck. "18 Prozent der chinesischen Exporte gehen in die USA", erklärt Hildebrandt. "Mit rund 400 Milliarden US-Dollar entspricht das dem Vierfachen dessen, was China nach Deutschland exportiert." Amerikanische Unternehmen seien zudem eine der größten Investorengruppen in China.

Die Volksrepublik verfügt derzeit über 14 bilaterale und multilaterale Freihandelsabkommen. Neun weitere sind in Verhandlung. "Im Moment ist Deutschland präferierter Partner", stellt der China-Experte fest. Das sei für deutsche Unternehmen sehr interessant. "Man muss aber konstatieren, dass China eine nationalistische Wirtschaftspolitik betreibt, eine umfassende Marktöffnung in China ist für ausländische Investoren daher kurzfristig nicht zu erwarten."

Alternativen in Asien finden

China bleibt also mit Vorsicht zu genießen. Darauf verweist auch die Studie der Bertelsmann-Stiftung. China setze fest darauf, eigene Standards im internationalen Freihandelsregime zu setzen. Beispielsweise über das Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP). In den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen, das vom Verband Südostasiatischer Staaten (Association of Southeast Asian Nations, ASEAN) initiiert wurde, spielt China eine zentrale Rolle. Es war als Gegengewicht zum asiatisch-pazifischen Freihandelsabkommen TTP gedacht, das ohne China, aber dafür mit den USA geplant war. Nun, da die USA das Abkommen aufgekündigt haben, ist die Zukunft von TTP ungewiss.

Für Cora Jungbluth würde ein erfolgreiches Freihandelsabkommen zwischen der EU und Japan ein wichtiges politisches Signal an andere asiatische Länder senden. "Während sich die USA zurückziehen, verstärkt die EU ihr Engagement und zeigt ihren asiatischen Partnern, dass es nach wie vor Alternativen zu China gibt." Auch aus japanischer Sicht wäre es daher zu begrüßen, wenn die EU ihre Position als westliche Wirtschaftsmacht in Asien ausbauen und China das Feld nicht vollständig überlassen würde, heißt es in der Studie.