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Urteil in Den Haag

3. Juli 2008

Ein ehemaliger Befehlshaber der bosniakischen Armeetruppen in Srebrenica ist in allen Anklagepunkten freigesprochen worden. Die Reaktionen in Bosnien auf das Urteil des UN-Tribunals in Den Haag sind geteilt.

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Naser Oric (re.) im Haager Tribunal (3.7.2008)Bild: picture-alliance/ dpa

Das UN-Tribunal ICTY in Den Haag hat den wegen Kriegsverbrechen angeklagten ehemaligen Kommandeur der muslimischen Armeetruppen in Srebrenica, Naser Oric, von allen Anklagepunkten freigesprochen. Die Revisionskammer des Tribunals hob damit eine frühere Verurteilung auf. In erster Instanz war Oric für die Ermordung und Misshandlung von serbischen Gefangenen durch ihm unterstellte Einheiten zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Er habe als Kommandeur in den Jahren 1992 und 1993 nichts unternommen, um diese Verbrechen zu verhindern oder die Schuldigen zu bestrafen, hatte eine Strafkammer des Tribunals Ende Juni 2006 entschieden.

Keine ausreichenden Beweise

Gegen dieses Urteil hatten sowohl Anklage als auch Verteidigung Einspruch eingelegt. Bei der Urteilsverkündung der Revisionskammer sagte der Vorsitzende Richter Wolfgang Schomburg, es sei zweifelsohne bewiesen, dass in Srebrenica schwere Verbrechen an Serben begangen wurden. Es habe aber keine eindeutigen Beweise gegeben, aufgrund derer Oric hätte verurteilt werden können.

In ersten Reaktionen auf das Urteil sagten in Bosnien-Herzegowina Vertreter von Opfer- und Hinterbliebenenverbänden, der Freispruch für Naser Oric gebe Vertrauen in das ICTY zurück. Dem Bürgermeister von Srebrenica, Abdurahman Malkic, zufolge hat das ICTY mit dem Freispruch für Naser Oric den Charakter des Konflikts in Srebrenica aufgezeigt. „Aus dem Urteil geht hervor, dass die bosniakische Armee von Bosnien-Herzegowina nicht planmäßig, systematisch und organisiert Verbrechen verübte, wie es die Streitkräfte und die Polizei der Republika Srpska taten“, sagte Malkic der Deutschen Welle.

Serben kritisieren Freispruch

In der Serbenrepublik reagierte man enttäuscht auf das Urteil. Ein hoher Funktionär des regierenden Bundes der Unabhängigen Sozialdemokraten (SNSD), Rajko Vasic, sagte, der Freispruch für Naser Oric sei keine Überraschung. Es sei seit langem klar, dass das Tribunal parteiisch sei. „Verbrechen in Bosnien-Herzegowina haben nicht nur Serben begangen. In Srebrenica wurden grausame Verbrechen verübt. Es kann nicht sein, dass niemand für die Verbrechen an Serben zur Verantwortung gezogen wird. Natürlich gab es viel größere Verbrechen und Völkermord an Bosniaken. Aber es müssen sich alle verantworten. Ich glaube, das ICTY hat seine Glaubwürdigkeit verloren“, so Vasic.

Naser Oric wurde 1967 geboren. Vor dem Krieg war er Polizist. 1990 wurde er Angehöriger einer Spezialeinheit, die für die Sicherheit des damaligen serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic zuständig war. Im Krieg war er Befehlshaber der 28. Division der Armee von Bosnien-Herzegowina in Srebrenica. Nach seiner Verhaftung 2003 teilte Oric mit Milosevic ein Stockwerk im UN-Gefängnis von Scheveningen.

Samir Huseinovic