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"Freispruch war vorhersehbar"

Das Interview führte Sonja Lindenberg20. Dezember 2005

Die deutsch-französische Publizistin und Nazi-Jägerin Beate Klarsfeld äußert sich im DW-Interview über den Freispruch von Ladislav Niznansky und über die Probleme bei Kriegsverbrecherprozessen nach 60 Jahren.

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Ladislav Niznansky wurde freigesprochen, seine Schuld konnte nicht bewiesen werden.Bild: AP

DW-WORLD: Frau Klarsfeld, Ladislav Niznansky wurde freigesprochen. Finden Sie den Freispruch gerechtfertigt?

Beate Klarsfeld: Gerecht würde ich nicht sagen, denn in meinen Augen hat er an Exekutionen teilgenommen. Der Freispruch ist aber insofern gerechtfertigt, denn es ist eine Demokratie und wenn das nicht bewiesen werden kann, dann kann das deutsche Gericht ihn eben nicht verurteilen. Aber die Staatsanwaltschaft war immerhin sehr mutig gewesen, Lebenslang zu fordern, und das erkenne ich an.

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass Niznansky keine führende Rolle bei den Massakern hatte. Er hat ausgesagt, er sei nach seiner Gefangennahme durch die Deutschen zum Eintritt in die Sondereinheit "Edelweiß" gezwungen worden. Ist er dann nicht sogar selbst nur ein Opfer?

Er hat es so hingestellt. Aber ich meine, es ist im Allgemeinen sehr, sehr schwierig 60 Jahre danach einen Prozess zu führen. Schon die Prozesse vor 30 Jahren, die darauf beruhten, die Angeklagten aufgrund von Zeugenaussagen zu verurteilen, sind sehr schwierig verlaufen. Heute ist es fast unmöglich. Von daher wundert mich auch nicht, dass man ihm nichts beweisen konnte.

Bereits 1962 wurde ein Prozess in der ehemaligen Tschechoslowakei gegen Niznansky geführt, in dem er in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde. Einige der Zeugen von damals, die selbst schuldig gesprochen wurden, haben jetzt ihre Aussagen widerrufen und betont, sie seien damals erpresst worden. Was denken sie darüber?

Es ist schwer zu sagen, ob sie damals erpresst wurden. Das ist möglich. Oft verwechseln die Zeugen aber auch, was sie erlebt haben und was sie nach dem Krieg gelesen haben. Es ist nicht immer so einfach, einem Zeugen hundertprozentig zu glauben. Ich kann aber nicht sagen, ob damals Druck ausgeübt wurde.

Beweisnot, Erinnerungslücken, fehlende Zeugen - was bedeutet es für einen Kriegsverbrecherprozess, wenn die Wahrheit nicht mehr zu finden ist?

Ich würde sagen, den Prozess eingeleitet zu haben, war vielleicht nicht sehr klug, weil man davon ausgehen musste, dass es zu einem Freispruch kommen würde. Aber immerhin ist in der Zeit, in der er vor Gericht stand, ständig darüber berichtet wurden. Zeugen sagten aus und die Öffentlichkeit weiß ganz genau, dass sie die Verbrechen nicht erfunden haben. Dieser Prozess war - auch wenn er mit einem Freispruch endete - zumindest notwendig, weil er die Verbrechen aufdeckte, die diese Gruppe "Edelweiß" in der Slowakei durchgeführt hat.

Denken Sie, dies war einer der letzten NS-Kriegsverbrecherprozesse?

Ich kenne die Akten nicht so genau. Aber ich würde sagen, es wird immer schwieriger werden. Denn die Täter sind in einem Alter, wo sie kaum noch vor Gericht stehen können - sie sind krank oder senil. Es müssten Prozesse sein, die auf einer guten Basis beruhen. Das heißt, nicht nur Prozesse, die auf Zeugenaussagen beruhen, sondern solche, wo es auch etwas Schriftliches gibt.

Beate Klarsfeld
Beate KlarsfeldBild: AP

Beate Klarsfeld leitet zusammen mit ihrem Mann Serge die Organisation "Fils et Filles des Déportés Juifs de France" (FFDJF - Söhne und Töchter der jüdischen Deportierten Frankreichs). Sie leben beide in Frankreich. Beate Klarsfeld ist in Deutschland vor allem durch spektakuläre Aktionen gegen ehemalige NS-Funktionäre und durch ein entschiedenes Auftreten gegen jede Form von Antisemitismus bekannt geworden. 1968 ohrfeigte sie Kurt Georg Kiesinger auf dem Parteitag der CDU wegen seiner Nazi-Vergangenheit. Beate und Serge Klarsfeld haben auch zu einigen Fahndungserfolgen und Prozessen gegen prominente NS-Täter (zum Beispiel Klaus Barbie) beigetragen.