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Freiwillige Abschiebung

Christian Rühmkorf23. Februar 2009

Im laufenden Halbjahr werden sich in Tschechien circa 70.000 Gastarbeiter ohne gültige Arbeitserlaubnis aufhalten. Ein Regierungsprogramm soll nun die "freiwillige Rückkehr" in die Heimat fördern.

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Eine vietnamesische Händlerin zeigt am 07.09.2002 auf dem Markt bei Bozi Dar (Gottesgab) in Tschechien ihr reichhaltiges Angebot, Quelle: picture-alliance/dpa
Eine vietnamesische Händlerin auf dem Markt bei Bozi Dar in Tschechien ihr reichhaltiges AngebotBild: picture-alliance/dpa

In einem Punkt scheint es zwischen Regierung und sozialdemokratischer Opposition kaum Meinungsverschiedenheiten zu geben: ausländische Arbeitskräfte, die sich ohne Arbeit in der Tschechischen Republik aufhalten, driften ab in die Kriminalität. Der innenpolitische Experte der Sozialdemokraten und frühere Innenminister, František Bublan, äußerte im Tschechischen Fernsehen: "Ich fürchte, dass viele dieser Menschen bei der organisierten Kriminalität landen oder in den Drogenküchen. Oder sie versuchen, in die anderen EU-Staaten zu gelangen. Und dann werden wir Probleme mit unseren Nachbarstaaten bekommen."

Rückflugticket mit Vorzugsbehandlung

Innenminister Ivan Langer von der konservativen ODS nickt. Es gibt seiner Überzeugung nach für Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Ländern nur eine Lösung: "Sie kehren zurück nach Hause. Entweder freiwillig oder unfreiwillig. Und sie haben dank dieses ausgewogenen Rückreise-Projektes die Möglichkeit, sich zu entscheiden."

Der tschechische Innenminister Ivan Langer, Archivfoto 2007, Quelle: picture-alliance/ dpa
Will die Gastarbeiter zurück schicken: Tschechiens Innenminister Ivan LangerBild: picture-alliance / dpa

Das Angebot der Regierung: ein Flugticket Richtung Heimat, 500 Euro in bar und das Versprechen einer Vorzugsbehandlung, wenn die Zeiten sich wieder bessern sollten und die Ausländer erneut in Tschechien arbeiten wollen. Die anderen erwarte eine Zwangsausweisung inklusive roter Karte und das heißt: Tschechien ist für sie auf Dauer tabu, so der Innenminister.

"Wir können von einer Art Menschenhandel sprechen"

Die Sozialdemokraten finden die Maßnahme "freiwillige Rückkehr" nicht grundsätzlich verkehrt. Sie sehen die Schuld am derzeitigen Zustand aber beim Staat. Der habe den privaten Vermittlungsagenturen für ausländische Arbeitskräfte aus Vietnam, der Ukraine oder der Mongolei freie Hand gelassen. 2000 dieser Agenturen gibt es in Tschechien. Sie hätten, so der Sozialdemokrat František Bublan, enorme Summen von den Arbeitern und den Unternehmen kassiert und die ausländischen Arbeitskräfte gleich mehrmals verkauft: "Wir können heute schon von einer Art Menschenhandel sprechen oder vom Handel mit Arbeitskräften. Wir haben diese ausländischen Arbeitskräfte ausgenutzt und sind dabei nicht korrekt vorgegangen", kritisiert Bublan.

Aus Sicht der Sozialdemokraten könnte ein Teil der arbeitslos gewordenen Ausländer mit öffentlichen Arbeiten beschäftigt werden, um Geld zu verdienen. "Oder sie könnten an unseren Ausbildungsschulen eine Lehre machen. Hier fehlt es an Lehrlingen und die meisten der Ausländer sind ohne jegliche Bildung", sagt František Bublan. Außerdem solle bei einem Regierungswechsel ein Immigrationsamt entstehen, das bereits in den Herkunftsländern für Aufklärung sorgen solle.

Freundlicher Druck

Für Innenminister Ivan Langer aber gilt: individuelle Verantwortung, individuelles Risiko. Das hätten die Ausländer in Kauf genommen, als sie in die Tschechische Republik gekommen seien. Sie hätten gewusst, dass ihre Arbeitserlaubnis nur ein Jahr gültig ist. Sie hätten gewusst, dass sie zum Beispiel in Vietnam tausende von Dollar an ihre inoffiziellen Visa-Vermittler zahlen müssten.

Aber dennoch: An den Zuständen im Land will auch Langer etwas ändern. Innerhalb des nächsten Monats sollen alle Vermittlungsagenturen von der Ausländerpolizei umfassend kontrolliert werden, ebenso wie die Wohnheime der ausländischen Arbeiter. Erst das Angebot, dann der Druck. Das ist die Linie, an der die tschechische Regierung festhalten will.