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Freund oder Feind?

Peter Philipp10. September 2002

Die Mehrzahl der arabischen Staaten verurteilte die Terroranschläge in den USA offiziell. Uneingeschränkte Solidarität mit den USA versprachen sie aber nicht. Warum?

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Bild: AP

In weiten Kreisen des Nahen Ostens herrschte verhohlene Freude über die Terroranschläge vom 11. September - auch und gerade in Ländern, die offiziell mit den USA enge und gute Beziehungen unterhalten. Im Iran - dem erklärten Erzfeind der USA - drückten die Menschen offen ihr Mitgefühl mit den Opfern und Hinterbliebenen des Terror aus.

Grund für diese auf den ersten Blick unlogische Erscheinung dürfte sein, dass die Unzufriedenen und Unterprivilegierten in Staaten, die den USA nahe stehen, ihr eigenes Los nicht nur der eigenen Regierung anlasten, sondern auch deren mächtigen Freunden in Washington. In der demonstrativen Trauer im Iran dürfte dagegen auch ein wenig Ablehnung gegenüber den eigenen Hardlinern stecken, die einen unverändert harten Anti-USA-Kurs steuern.

Keine "uneingeschränkte Solidarität"

In den offiziellen Reaktion verurteilten fast die meisten arabischen Staaten die Anschläge des 11. September. In Grenzen hielt sich aber ihre Bereitschaft, sich nun nach deutschem Vorbild in voller Solidarität hinter die USA zu stellen. Selbst in Saudi-Arabien: Obwohl 15 der 19 Selbstmord-Terroristen wie Osama Bin Laden aus Saudi-Arabien stammten, unternahmen die saudischen Behörden nichts gegen radikale Gruppen. Vermutlich wollten sie damit den inneren Frieden bewahren. Riad war auch nicht bereit, den Vereinigten Staaten für ihren Kampf gegen Bin Laden und die Taliban die Benutzung jener Militärbasen zu gestatten, die die USA auf saudischem Boden im Golfkrieg vor mehr als zehn Jahren errichtet hatten.

Gerade die Errichtung dieser Stützpunkte und vor allem die amerikanische Präsenz auf diesen Basen hatte Bin Laden kritisiert. Sein zentraler Vorwurf gegen das saudische Königshaus lautete: Es habe das Land den Ungläubigen geöffnet. Ein Grund mehr für die Fanatiker um Bin Laden, das Königshaus als Erfüllungsgehilfen der USA anzugreifen und zu verurteilen.

Ihre Beziehungen zum Taliban-Regime hatten die Saudis immerhin schon zuvor - wegen Bin Laden - eingefroren. Und das, obwohl die Taliban aus saudisch unterstützten Koranschulen hervorgegangen waren und Saudi-Arabien lange einer der drei Staaten war, die offiziell Beziehungen zum Taliban-Regime unterhielten. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate gehörten dazu. Sie mussten sich mehrfach von den USA bitten lassen, die Beziehungen abzubrechen. Dabei hatten die Vereinigten Arabischen Emirate über Jahre von diesen Beziehungen profitiert. Denn sie waren das wichtigste Durchgangsland für die meisten Importe in das Taliban-Land.

Israel im Hinterkopf

Obwohl auch Pakistan Beziehungen zu den Taliban unterhielt, schloss sich das Land der Allianz gegen den Terror an. Präsident Musharraf setzte sich mit seiner Annäherung an die US-Politik und dem späteren Bruch mit den Taliban über die Forderungen und Proteste islamistischer Kreise im eigenen Land hinweg.

In weiten Teilen der arabischen Welt fürchteten die politischen Führer dagegen die Stimmung auf der Strasse. Sie vermieden aus Selbsterhaltungstrieb alles, was diese Stimmung noch weiter hätte aufheizen können. Aufgrund dieser Zurückhaltung entbrannte in den USA Monate später die Diskussion darüber, ob Saudi-Arabien eigentlich überhaupt Freund und Verbündeter sei oder vielleicht sogar zu den Feinden der USA zu zählen sei.

Das arabische Missbehagen mit der US-Poltik gegenüber Taliban und "El Kaida"-Terrornetzwerk beruht auf einer Sichtweise, die schon früher – und nun wieder – im Zusammenhang mit dem Irak vertreten worden ist: Demnach ist Washington nur bereit UN-Resolutionen und Menschenrechte gegenüber muslimischen Ländern mit Gewalt durchzusetzen - nicht aber gegenüber Israel. In der arabischen Welt gilt dies als Ausdruck amerikanischer Parteilichkeit. Das ist der Grund für antiamerikanische Proteste oder zumindest Zurückhaltung gegenüber den USA.