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Freundschaft nein, Interessen ja

Frank Sieren (Peking)11. April 2014

Die westliche Politik treibt Russland in die Arme der Chinesen. Dennoch werden sich die Chinesen nicht so einfach auf die Seite der Russen schlagen, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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China Xi Jinping mit Putin in Moskau 22.03.2013
Bild: Reuters

Wenn es um Russland geht, sparen die Chinesen nicht an Lob. Die Beziehungen sind "in der besten Phase der Geschichte", betonte jüngst der chinesische Außenminister Wang Yi. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping verbindet mit Russlands Präsident Wladimir Putin sogar eine "tiefe Freundschaft". Dennoch haben die Chinesen im UN-Sicherheitsrat nicht für die Russen gestimmt, sondern sich enthalten. Im Westen wurde die Haltung als Abrücken von Russland verstanden. Das ist eine Fehleinschätzung. Die Chinesen möchten sich nur nicht ohne Not in ein Lager zwingen lassen.

Das Verhältnis zwischen Russland und China war immer kompliziert. Nach dem Zweiten Weltkrieg musste Mao als Bittsteller zu Stalin reisen. Er brauchte Russland für den Aufbau seines Landes. Es ging um Geld für Lebensmittel, Fabriken und auch Waffen. Später stritten sich Mao und Chruschtschow darum, wer der bessere Kommunist ist, bis Mao ganz mit der Sowjetunion brach. Die Fronten waren so eisig, dass sich Chinesen und Russen erst nach dem Zerfall der Sowjetunion näher gekommen sind.

Peking und Moskau haben verstanden, dass es für sie nützlicher ist, zusammen zu arbeiten als sich zu streiten. Inzwischen kauft China einen Großteil seines Rohöls vom russischen Nachbarn, mit dem es sich von der Mongolei bis zum Pazifik eine 4300 km lange Grenze teilt. Das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern steigt stetig und wird nächstes Jahr die 100 Milliarden Dollar erreichen.

Auch wenn sich China in der UN neutral verhält, wird es die Chancen nutzen, die sich bieten, weil sich der Westen zurückzieht. Insofern muss sich Putin um den Verkauf der russischen Recourcen keine Sorgen machen. Doch seine Lieblingslösung ist dies nicht. Hätte Putin es sich aussuchen können, wäre er lieber enger an Europa angebunden. Putin sieht sich als Europäer und in Europa hat er eine enge persönliche Bindung an Deutschland, wo er lange gelebt hat. Er spricht gut Deutsch. Für ihn persönlich ist die deutsche Ablehnung sehr schmerzlich. Doch seiner Überzeugung nach hatte er keine Wahl als die Krim wieder an Russland zu binden. Wenn er dies nicht getan hätte, hätte er innenpolitisch stark an Ansehen verloren.

In Peking versteht man das eher als im Westen. Aber dennoch ist Peking vorsichtig. Zwar hat China mit Russland eine lange gemeinsame Grenze, entlang der es noch viel zu entwickeln gibt, aber die EU ist im Zweifel der weit wichtigere Handelspartner. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Russland und China in vielen weltpolitischen Fragen wie Syrien oder Iran ähnliche Positionen haben. Und Russland ist für China auch interessant, weil sich im Osten Russlands für China neue Handelswege erschließen lassen. Das ist auch für Russland interessant, weil Putin es nicht alleine schafft, sein östliches Hinterland zu entwickeln.

Frank Sieren Kolumnist Handelsblatt Bestseller Autor China
Bild: Frank Sieren

Allerdings gibt es auf beiden Seiten Reserviertheiten. Die Russen haben Angst, dass die Chinesen ihr Hinterland infiltrieren. Die Chinesen hingegen sind sich nicht sicher, wie verlässlich ihre Investitionen in Russland sind. In den staatlichen Medien jedoch setzt Peking einstweilen auf den Schulterschluss mit den Russen. Dort werden die westlichen Sanktionen gegenüber Russland als überzogen bewertet und Putin als mutiger Mann dargestellt.

Ärgerlich für Russland wiederum ist, dass die Ukraine den Chinesen hochwertige Militärgüter verkauft, die die Russen den Chinesen vorenthalten, darunter auch ein Flugzeugträger. Dafür hat China der Ukraine großzügige Kredite in zweistelliger Milliardenhöhe für Investitionen im Energie- und Landwirtschaftssektor erteilt. Zu sehr hat sich China zuletzt darüber geärgert, dass Moskau Kriegsschiffe und U-Boote an die Nachbarn Vietnam und Indien verkauft hat und Peking leer ausgegangen ist.

Trotz dieser Rückschläge ist die Beziehung zwischen Russland und China in den letzten Jahren immer enger geworden und wird auch weiterhin immer enger, wie man im Mai beim Staatsbesuch von Putin in China sehen wird. Auch wenn Peking dies nicht an die große Glocke hängt: die Politik des Westens beschleunigt diese Entwicklung natürlich. Ärgerlich für Putin dabei ist, dass der Machtspielraum der Chinesen über Russland größer wird und nicht etwa der Spielraum Russlands. China muss sich durch die Krimkrise - anders als viele im Westen glauben - nicht mehr öffentlich positionieren, sondern weniger.

Unser Korrespondent Frank Sieren lebt seit 20 Jahren in Peking.