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Frieden schaffen mit immer mehr Waffen?

Nils Naumann15. Juni 2013

US-Präsident Obama hat zusätzliche militärische Unterstützung für die syrischen Rebellen angekündigt. Dabei bekommen beide Seiten schon jetzt Waffenhilfe aus dem Ausland. Doch bringen Waffen den Frieden?

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Ein Panzer der syrischen Armee in Kusair (Foto: AFP)
Bild: AFP/Getty Images

Die syrischen Rebellen stehen unter Druck: Die strategisch wichtige Grenzstadt Kusair haben sie verloren. Dort gewannen syrische Regierungstruppen mit Hilfe von Kämpfern der libanesischen Hisbollah die Oberhand. Und auch in Aleppo, der zweitgrößten Stadt des Landes, kam es am Freitag (14.06.2013) wieder zu schweren Gefechten.

Kein Wunder also, dass US-Präsident Barack Obamas Entscheidung bei den Rebellen mit Freude aufgenommen wurde. "Darauf haben wir seit Monaten gewartet", erklärte Khalid Saleh, Sprecher des Syrischen Nationalrates. "Die Hisbollah-Kämpfer überlegen bereits, auch nach Aleppo vorzustoßen. Unsere Leute brauchen dringend Waffen, um sich zu verteidigen."

Allerdings ist bisher weder klar, wie genau die zusätzliche "militärische Unterstützung" der USA aussehen könnte, noch wann sie im Kriegsgebiet ankommt. All das ließ Ben Rhodes offen, der als stellvertretender nationaler Sicherheitsberater von US-Präsident Obama die Militärhilfe ankündigte. Rhodes schloss aber die Bewaffnung von Rebellen oder die Einrichtung einer Flugverbotszone nicht aus.

Kämpfer der syrischen Regierungstruppen jubeln über ihren Sieg in Kusair (Foto: AFP)
Kämpfer der syrischen Regierungstruppen jubeln über ihren Sieg in KusairBild: AFP/Getty Images

Während Obamas Sicherheitsberater vage blieb, meldete das "Wall Street Journal", dass der Präsident selbst bereits Waffenlieferungen an "moderate Rebellen" genehmigt habe. Bisher stand die US-Regierung diesem Schritt skeptisch gegenüber, weil sie befürchtet, dass die Waffen in die Hände von Islamisten fallen könnten. Offenbar hat der angebliche Einsatz von Chemiewaffen durch das Assad-Regime die Sichtweise der US-Regierung verändert.

Assad-Truppen militärisch im Vorteil

Die Assad-Truppen sind militärisch deutlich besser ausgerüstet als die Rebellen. "Das größte Problem der Rebellen ist die Munition", erklärt Michael Brzoska, Direktor des Hamburger Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik. "Die ist schnell verschossen. Munitionslieferungen sind der große Schwachpunkt der Rebellen."

Außerdem sei die Regierungsseite vor allem bei den schweren Waffen immer noch stark überlegen. Die Rebellen hätten zwar neben Kleinwaffen auch einige Panzer, Artillerie oder Luftabwehrraketen von den Regierungstruppen erbeutet. Es fehle ihnen aber an einer funktionierenden Luftabwehr zum Schutz vor den Hubschraubern und Flugzeugen der syrischen Luftwaffe. Dagegen sei die Ausstattung der Assad-Gegner mit Kleinwaffen inzwischen relativ gut.

Beschädigte Kampfflugzeuge der syrischen Armee am Flughafen Dabaa (Foto: AFP)
Beschädigte Kampfflugzeuge der syrischen Armee am Flughafen DabaaBild: STR/AFP/Getty Images

Die Waffenlieferungen an die Rebellen kommen bisher vor allem aus Saudi-Arabien und Katar. Die meisten Lieferungen, vor allem Kleinwaffen und Munition, werden über die Türkei oder den Irak ins Land geschmuggelt. Doch auch libanesische Waffenhändler liefern an die Assad-Gegner.

Die Waffenlieferungen von Saudi-Arabien und Katar geschehen durchaus mit Billigung der US-Regierung. Die Amerikaner selbst haben die Rebellen bisher nur mit sogenannter "nicht-tödlicher" Militärausrüstung unterstützt. Dazu gehören zum Beispiel Schutzwesten oder Nachtsichtgeräte. Außerdem sollen US-Berater in Jordanien Rebellen ausbilden. 

Das Waffenembargo der Europäischen Union gegenüber Syrien lief Ende Mai aus. Die Europäer konnten sich nicht auf eine Verlängerung einigen. Frankreich und Großbritannien waren dagegen, die beiden Staaten erwägen eine militärische Aufrüstung der Aufständischen. Immer wieder gibt es Gerüchte, dass es bereits Lieferungen einzelner europäischer Staaten an die Rebellen gab.

Syrien-Konflikt könnte eskalieren

Die deutsche Regierung lehnt Waffenlieferungen an die syrischen Rebellen ab. Sie befürchtet eine weitere Eskalation des Konflikts. Der Friedensforscher Michael Brzoska sieht das ähnlich: "Ich halte das für keine gute Idee." Waffenlieferungen würden nur dazu führen, dass der Krieg weitergeht, möglicherweise sogar auf einem höheren Niveau. Schließlich seien die Rebellen dann besser ausgestattet.

Professor Michael Brzoska (Director, Institute for Peace Research and Security Studies at the University of Hamburg). Copyright: privat
Der Friedensforscher Michael BrzoskaBild: privat

Die jüngste Entwicklung sei kein gutes Zeichen für die von den USA und Russland geplante Syrien-Konferenz. "Das Problem ist, dass beide Seiten in Syrien glauben, dass sie diesen Konflikt militärisch gewinnen können." Deswegen sei die Verhandlungsbereitschaft gering. Trotzdem glaubt Brzoska, dass der Bürgerkrieg in Syrien mittelfristig nur durch Verhandlungen beendet werden kann.

Brzoska ist auch gegen eine Flugverbotszone über Teilen Syriens: "Auch das wäre eine weitere Eskalation." Dazu müssten die Flugabwehrstellungen der Regierungstruppen ausgeschaltet werden. Brzoska hält das für einen "massiven Eingriff" in den Bürgerkrieg. Der Friedensforscher bezweifelt, dass die Regierungsseite dadurch so stark geschwächt werden kann, dass sie den Kampf aufgibt.

Der syrische Stellvertreterkrieg

Immer mehr westliche Staaten wollen die syrischen Rebellen mit Waffen beliefern. Saudi-Arabien und Katar, Verbündete des Westens, unterstützen die Assad-Gegner schon jetzt massiv mit Geld und Waffen.

Doch auch das Assad-Regime hat keinen Mangel an Nachschub. Hilfe kommt aus dem Iran und aus Russland. Die Iraner schicken Kleinwaffen und Ausbilder. Immer wieder gibt es auch Gerüchte über iranische Kämpfer auf Seiten der Regierungstruppen. Auch Russland steht weiter fest auf der Seite Assads. Moskau liefert Kampfjets, Flugabwehrraketen und Hubschrauber.

Die USA, Saudi-Arabien, Iran oder Russland – sie alle verfolgen im syrischen Bürgerkrieg ihre eigenen Ziele. Syrien ist zum Schauplatz geopolitischer Machtkämpfe geworden. Den Preis für diese Politik zahlt die syrische Zivilbevölkerung.