1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Friedensforscher legen Gutachten vor

Bettina Marx22. Mai 2012

In Berlin haben die vier größten deutschen Friedensforschungs-Institute ihr diesjähriges Friedensgutachten vorgestellt. Darin fordern sie, Sicherheit nicht gegen, sondern miteinander zu erreichen.

https://p.dw.com/p/14zy4
Eine unbemanntes Aufklärungsflugzeug vom Typ Heron 1, aufgenommen bei einem Testflug in Israel. Foto: dpa
Israel Drohne Heron 1Bild: picture alliance / dpa

Die Finanzkrise stellt die europäischen Staaten nicht nur vor schwere soziale Probleme. Sie ist darüber hinaus auch eine Gefahr für den Frieden. Zu diesem Schluss kommen die vier großen deutschen Friedensforschungsinstitute in ihrem diesjährigen Friedensgutachten. Die Europäische Union sei nur mit ihrer Krise beschäftigt und nicht auf der Höhe der Zeit, so Bruno Schoch von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung. Eine Regulierung des gesamten Finanzmarktes sei dringend geboten. "Die Banken bleiben ungeschoren", kritisierte Schoch bei der Vorstellung des Gutachtens in Berlin. "Stattdessen wird ganz Europa einem drakonischen Spardiktat unterworfen, das die schwächeren Volkswirtschaften in die Rezession treibt."

Europa und der Sozialstaat drohten dadurch vollends unter die Räder zu geraten. Gefordert sei daher ein "New Deal für Europa". Dies bedeute, die Verpflichtung zur Solidität der Finanzen mit europäischer Solidarität zu verknüpfen. Die Euro Krise stelle vor allem die Bundesregierung vor neue Herausforderungen, denn sie dränge das wirtschaftliche Schwergewicht Deutschland in eine europäische Führungsverantwortung. "Rufe danach werden lauter, aber zugleich auch Ängste vor einem übermächtigen Berlin", so Schoch. Führungsverantwortung sei aber etwas anderes als Herrschaft - sie organisiere den Konsens mit anderen, indem sie deren Interessen berücksichtige.

Mehr Verantwortung für Schwellenstaaten

Das Friedensgutachten wird in jedem Jahr von den vier größten deutschen Friedensforschungsinstituten erstellt. Neben der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktsforschung (HSFK) und dem Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (IFSH) sind daran auch das Bonn International Center for Conversion (BICC) und die Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft FEST) beteiligt.

Schwerpunkt des diesjährigen Gutachtens sind die globalen Machtverschiebungen, weg von den traditionellen Weltmächten und hin zu den aufstrebenden Schwellenstaaten, wie China und Brasilien. Vor allem die Vereinigten Staaten hätten viel Einfluss eingebüßt, nicht zuletzt wegen der Konzentration auf militärische Auseinandersetzungen und der damit verbundenen Ausgaben. "Während die USA zwei Kriege führten und ihr Militärbudget in zehn Jahren auf 700 Milliarden US-Dollar verdoppelten, brachte China seine Wirtschaft voran und hortete Devisen", so die Friedensforscher in ihrem Gutachten. Der Aufstieg der sogenannten BRICS-Staaten, also Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, entspreche dem Abstieg des Westens. Dies erzeuge Ängste und Alarmstimmungen, es müsse aber nicht notwendigerweise zu neuen Konfrontationen führen. Stattdessen seien die BRICS-Staaten aufgefordert, mehr internationale Verantwortung zu übernehmen.

Ächtung von Drohnen gefordert

Anlass zur Sorge bietet nach Einschätzung der Friedensforschungsinstitute auch der zunehmende Einsatz von bewaffneten Drohnen.

"Diese Hightech-Waffen machen den Krieg unsichtbar und billiger, minimieren eigene Todesopfer und senken so die Hemmschwelle zum Griff nach militärischer Gewalt", heißt es im Friedensgutachten 2012. In einigen Streitkräften der NATO werde inzwischen sogar überlegt, bei friedenserhaltenden und friedenserzwingenden Einsätzen mit UN-Mandat Drohnen einzusetzen, erklärte Margret Johannsen vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg. Dies führe dazu, dass man auf diplomatische Mittel zur Lösung von Konflikten verzichte und stattdessen schneller zu militärischen Mitteln greife.

Die US-Drohne Predator, bewaffnet mit einer Rakete, steht auf dem Militärflugplatz von Kandahar in Afghanistan. Foto: ddp
Die US-Drohne Predator auf einem Flugplatz in Kandahar, AfghanistanBild: AP

Der Einsatz von Drohnen, zum Beispiel im Jemen oder in Pakistan, werfe aber auch rechtliche Fragen auf, denn meist entscheide darüber nicht das Militär, sondern der amerikanische Geheimdienst CIA. Dabei seien die Auswirkungen des Drohnenkrieges ausgesprochen widersprüchlich, ergänzte der hessische Friedensforscher Schoch. In Pakistan zum Beispiel nähmen die Anschläge trotz des deutlich vermehrten Einsatzes von Drohnen seit dem Amtsantritt von Barack Obama dauernd zu. "Wir fordern die Bundesregierung auf, sich für die Aufnahme bewaffneter Drohnen als eigenständige Kategorie in das UN-Waffenregister einzusetzen und mittels Rüstungskontrolle auf ihre Ächtung zu dringen", so die Friedensforscher.

Pulverfass Nahost

Besorgt zeigten sich die Institute auch im Hinblick auf die Lage in Syrien und auf die Spannungen zwischen Israel und dem Iran. Er räume dem internationalen Friedensplan für Syrien kaum noch eine Chance ein, sagte Schoch und fügte hinzu, er sei nicht optimistisch. "Spätestens wenn UN-Soldaten getötet werden, ist der Plan gescheitert."

Im Streit um das Atomprogramm des Iran setzen die Friedensforscher weiter auf diplomatische Mittel. "Wir schlagen vor, die Forderung fallen zu lassen, Iran müsse die Urananreicherung aussetzen". Stattdessen müsse Teheran abverlangt werden, dass es die Kontrolle und Inspektionen seiner Nuklearanlagen durch die Internationale Atomenergiebehörde zulasse. Israel und dem Iran sollten Sicherheitsgarantien angeboten werden, die zu einer Deeskalation beitragen könnten.

Ein Schild mit der persischen Aufschrift "Atomkraftwerk" weist den Weg zum Atomkraftwerk Buschehr im Iran. Foto: AP/dapd
Die Atomanlage im iranischen Buschehr.Bild: AP