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Friedenspfeifen und Zigaretten danach

9. Juni 2003

Trotz aller Kritik ist der Glimmstengel aus vielen Film- und Fernsehproduktionen nicht wegzudenken. Cineasten führen dafür dramaturigische Gründe ins Feld. Gesundheitsexperten ist es trotzdem ein Graus.

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Bild: AP

Ein Geschenk von Hollywood wünscht sich die Weltgesundheitsorganisation WHO: weniger verqualmte Filme. Rauchende Helden könnten das Publikum zur Sucht animieren, glaubt unter anderen auch die Deutsche Krebsgesellschaft. Für Kino-Liebhaber ist die Vorstellung eines rauchfreien Films jedoch ein Graus. Denn die Zigarette spielt im Kino dramaturgisch eine ungemein wichtige Rolle.

Im Film wird mehr gequalmt als im Leben

Raucherin mit Zigarette
Raucherin mit ZigaretteBild: AP

Welchen Stellenwert Rauchen im Film hat, belegen Statistiken mehr als genug: In jeder Durchschnittsstunde Film griff 2002 mehr als zehn Mal eine Hand zur Zigarette. 98 Prozent dieser Szenen fanden in einem positiven Zusammenhang statt. Acht der zehn erfolgreichsten Hollywood-Filme der Jahre 1999 und 2000 zeigten Raucher. Im Film wird damit mehr gequalmt als im Leben. Eine Untersuchung von rund 400 von 1991 bis 2002 produzierten indischen Filmen ergab, dass bei 76,5 Prozent Tabak dargestellt wurde. Damit sei Indien mit seinen fast 250 Millionen Rauchern ein Hauptziel für die Tabakindustrie, erklärt die WHO.

Komplexe Bedeutung des Rauchens

Wieso sind die Filmhelden so versessen auf das kleine weiße, wahlweise dicke schwarze Ding? "Rauchen hat im Film eine sehr komplexe Bedeutung", sagt Prof. Hans-Jürgen Wulff, Filmwissenschaftler an der Universität Kiel. "Als Ausdrucksmittel ist es kaum zu ersetzen": Die Zigarette ist Zeitmesser (wenn der Freund versetzt wird, füllt sich sein Aschenbecher mit Kippen), sie ermöglicht Kontaktaufnahme (ein Mann gibt einer Frau Feuer), es signalisiert Entspannung (eine Zigarette nach dem Liebesspiel) oder Anspannung (die nervösen Züge eines Prüfungskandidaten).

Rauchen als filmisches Symbol

Raucher mit Zigarre
Raucher mit ZigarreBild: AP

Im Film ist Rauchen ein symbolträchtiger Akt: Die dicke Zigarre symbolisiert die Macht des Fabrikbosses, die Zigarette hinter dem Ohr den kleinen Mann. Der Zigarillo macht aus einer Frau einen Vamp, die Zigarettenspitze die feine Dame. Der Gangster zündet mit der Glut die Zündschnur an, der Peiniger drückt sie auf dem Arm des Opfers aus. Rauchen ist ein Motor der Handlung: Die Kippe am Tatort überführt den Mörder, der Lippenstift am Filter den untreuen Gatten.

James Dean Smoking
James Dean mit ZigaretteBild: AP

Von 1960 bis 1990 wurde Rauchen in den Filmen immer seltener, aber seither stieg die Zahl der Szenen wieder an, sagen die Statistiken. In "Casablanca" rauchen alle Männer, erklärt Filmwissenschaftler Jan Sellmer. Berühmte Figuren sind an ihrem Rauchstil zu erkennen wie Clint Eastwood oder James Dean.

Der Einfluss von Film und Fernsehen

Fazit für Kurt Schmidt vom Zentrum für Ethik in der Medizin am Frankfurter Markus-Krankenhaus. "Scheinbar brauchen wir Raucher im Film". Ästhetisch betrachtet vielleicht, entgegnet Volker Beck, Koordinator Prävention bei der Deutschen Krebsgesellschaft – aus gesundheitlicher Sicht auf keinen Fall: Das Vorbild rauchender Stars habe erheblichen Einfluss auf das Verhalten von Jugendlichen. Das Risiko, Raucher zu werden, sei bei Jugendlichen 16 Mal größer, wenn sie ihre Lieblingsstars häufig mit Zigarette auf dem Bildschirm sähen.

Rauchfrei Siegel

Das Aktionsbündnis Nichtrauchen und die Deutsche Krebshilfe erwarten von Filmproduktionsfirmen eine freiwillige Verzichtserklärung, dass sie zukünftig davon absehen, "tragende Hauptrollen rauchend darzustellen." Raucherrollen sollten ausschließlich negativen Charakteren zugesprochen werden wie Kriminellen, Bösewichten und Verlierertypen. Die Fernseh-Serie "Gute Zeiten, Schlechte Zeiten" hat dieses Konzept umgesetzt und wurde mit dem von beiden Organisationen erstellten "Rauchfrei Siegel" ausgezeichnet. Leider bleibt die Serie damit die Ausnahme. Trotz Werbeverbot in Rundfunk und Fernsehen sind die Bilder mit rauchenden Schauspielern täglich zu sehen.

Kameraverbot für alle Tabakwaren?

Wenn aber von heute an nie mehr ein Mensch im Film rauchte, würden dann die Raucher weniger? Der Psychologe und Medizin-Soziologe Prof. Peter Franzkowiak von der Fachhochschule Koblenz hält das nur dann für möglich, wenn die Zigaretten außer von der Leinwand auch aus dem gesellschaftlichen Bewusstsein entschwänden. Wenn die Zigarettenautomaten abmontiert würden, in Bars und Büros Rauchverbot herrschte. "So lange wir das Rauchen aus dem Leben nicht raus haben, brauchen wir den Film nicht zu schelten." (pf)