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Froen an Äntwerten in Luxemburg

Bernd Riegert7. Juli 2005

Normalerweise interessieren Wahlen im beschaulichen Luxemburg nur politische Feinschmecker, aber - diesmal stimmen die Luxemburger über die halbtote EU-Verfassung ab. Und über das Schicksal ihres langjährigen Chefs.

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Zum ersten Mal seit Menschengedenken öffnet die Regierung von Luxemburg eigens ein Pressezentrum mit 400 Arbeitsplätzen für eine Volksabstimmung. Satelliten-Ü-Wagen werden Fernsehleitungen in alle Welt schalten.

Seit Wochen reisen Reporter durch den an sich europafreundlichen Zwergstaat, um herauszufinden, ob die nur 220.000 Wähler nach den Franzosen und Niederländern der EU-Verfassung einen weiteren Dolchstoß versetzen werden.

#map# Informationen zu Land und Leuten finden Sie in der DW-WORLD-Europakarte.

Seit vier Wochen dürfen keine Meinungsumfragen mehr veröffentlicht werden. So will es das Luxemburger Wahlgesetz. Die letzte Umfrage sah das Nein-Lager bei knapp 40 Prozent. Die Ja-Sagen machten rund 55 Prozent aus. 15 Prozent waren unentschieden.

Alle Parteien im Parlament haben sich für die Verfassung ausgesprochen. Hartnäckigen Widerstand organisiert mit wenig Geld das linke "Komitee Nein", das die Verfassung als unsozial, undemokratisch und militaristisch geißelt.

Die Wahllokale haben nur einen halben Tag geöffnet. Es herrscht Wahlpflicht. Bereits von 14 Uhr an wird ausgezählt. Schon am Abend könnte Jean-Claude Juncker seinen Job als dienstältester Regierungschef in Europa los sein. Juncker hatte, wie er heute findet, voreilig sein politisches Überleben mit der Verfassung verknüpft. Luxemburg ohne Juncker?

Das können sich viele Ureinwohner nicht vorstellen. Das wohlhabende Luxemburg, das doch so gut von und mit der EU lebt, würde sicher an Einfluss verlieren. Drei Monate im Jahr tagen die Ministerräte in Luxemburg. Der Europäische Gerichtshof, das Parlament und zahlreiche Behörden haben auf dem Kirchberg, einem seelenlosen Neubauviertel zwischen Flughafen und der eigentlichen Stadt Luxemburg, ihren Sitz.

Das dreisprachige (französisch, letzeburgisch , deutsch) EU-Musterländle ist Sitz zahlreicher Banken, denn trotz aller EU-Richtlinien zur Zinsbesteuerung gilt das Großherzogtum als sicherer Hafen für Anleger, die gerne anonym bleiben wollen. Das Bankgeheimnis hat Jean-Claude Juncker mit Zähnen und Klauen verteidigt. Zufällig ist er ja auch Chef der Finanzminister der EURO-Länder ;-)

Wenig solidarisch zeigen sich übrigens die EU-Spitzen mit Jean Claude Juncker. EU-Kommissionspräsident Jose Barroso wird von Lissabon aus eine schriftliche Erklärung zum Ausgang des Referendums verbreiten. EU-Ratspräsident Tony Blair, den mit Juncker seit dem letzten Gipfeldrama eine herzliche Abneigung verbindet, wird sich, wenn überhaupt, nur in London vor der Presse äußern.

Bei den Referenden in Frankreich und den Niederlanden im Mai und Juni waren Kommissionspräsident und Ratspräsident extra nach Brüssel gereist und hielten noch nachts Pressekonferenzen ab. Damals hieß der EU-Ratspräsident allerdings auch noch Jean-Claude Juncker.

Werden sich die Letzebuerger den Ast absägen, auf dem sie sitzen? Luxemburg-Fachleute rechnen mit einem knappen Ja für der Verfassung und Jean-Claude Juncker.