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Ann Sophie und die Kunst des Verlierens

Rick Fulker26. Mai 2015

Es ist bitter: Ein Song mit Pfiff und eine hochprofessionelle, attraktive Sängerin. Dennoch: Null Punkte für Deutschland. Wie geht Ann Sophie damit um?

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Österreich Eurovision Song Contest 2015 Deutschland Ann Sophie enttäuscht
Bild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Der Erfolg kam plötzlich und unverhofft - und verflüchtigte sich ebenso schnell. Nachdem Publikumsfavorit Andreas Kümmert beim deutschen Nationalentscheid zum Eurovision Song Contest in Hamburg überraschend ablehnte, Deutschland in Wien zu vertreten, rückte Ann Sophie - ursprünglich auf Platz zwei - nach und wurde kurzerhand zur Siegerin erklärt.

Die 24-jährige Sängerin aus Hamburg hatte dann die zweifelhafte Ehre, ihr Land beim Wettbewerb zu vertreten. Den Status "der-eigentlich-Zweitbesten" konnte sie nicht abschütteln, weder im In- noch im Ausland.

11 Wochen später, beim ESC-Final am 23. Mai in Wien, flirtete Ann Sophie mit der Kamera und wirkte souverän. Und dann der Schlag ins Gesicht: Null Punkte für das Lied "Black Smoke" - und für Deutschland, das sich somit gemeinsam mit Österreich auf dem letzten Platz landete. "Natürlich bin ich traurig über das Ergebnis", war die erste Reaktion der Sängerin nach der Show. "Da lässt sich auch nichts schönreden. Ich kann das gerade nicht nachvollziehen".

Österreich Eurovision Song Contest 2015 Deutschland Ann Sophie
An den kunstvollen Effekts zum Song 'Black Smoke' kann es nicht gelegen habenBild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Wut und Fassungslosigkeit

Der ARD-Unterhaltungschef Thomas Schreiber reagierte ebenfalls fassungslos: "Auch die deutsche Delegation kann das Ergebnis in keinster Weise nachvollziehen. Das war Ann Sophies bisher bester Auftritt." Ratlos zeigte sich auch der ESC-Kenner und Autor Irving Wolther: Sie habe "eine ganz souveräne Performance abgeliefert".

Neben der Ratlosigkeit gab es auch bittere Enttäuschung: "Ann Sophie war super, hätte mindestens die Top Ten verdient. Wir sollten aus den ESC aussteigen", kommentierte Dietmar Guthke im Debattenblog. Erklärungsversuche waren auch bald zu vernehmen. Die Null Punkte für Deutschland hätten politische Gründe - so der Tenor - etwa, weil Deutschland wegen seiner Sparpolitik in Europa unbeliebt sei. Ein Beobachter kommentierte mit Häme:

Wie bereits in den Vorjahren konnte man auch dieses Mal bei den Länderergebnissen tatsächlich ein "Blockvoting-Verhalten" erkennen: Tendeziell vergaben einzelne Länder bevorzugt ihre Stimme an die jeweiligen Nachbarländer: etwa die skandinavischen Länder unter sich, die Süd- und Osteuropäischen-, sowie auch die Balkanländer. Deshalb sei Deutschland aber längst nicht unbeliebt, war auf Twitter zu lesen:

In Bezug auf die Niederlage reagierte eine Beobachterin mit bissigem Humor:

Gleichzeitig erhielt Ann Sophie eine Flut von Sympathiebekundungen und Ermutigungen, woraufhin sie bald auf Facebook reagierte: "Seit gestern habe ich 10.000 neue 'gefällt mir'-Angaben. Vielen Dank dafür! Ja, dem Gewinner wird die ganze Ehre zuteil, aber die Verliererin steht auch stolz da. Wir zeigen der Welt, dass uns nichts, aber gar nichts unter kriegen kann!" Seite an Seite mit den Makemakes, die für ihr Land Österreich ebenso erfolglos waren, meldete sich Ann Sophie aus Wien: "Wir stehen jetzt hier zusammen, haben beide Null Punkte - und wir freuen uns darüber."

Österreich Eurovision Song Contest 2015 Deutschland Ann Sophie
Beim Final wirkte sie souveränBild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Die Sängerin ging in die Offensive und veröffentlichte ein Video, in dem sie ihren Misserfolg geradezu zelebrierte. Den Titel des ESC-Gewinners Måns Zelmerlöw "We Are the Heroes of Our Time" münzte sie mit Augenzwinkern auf ihre Null Punkte auf "We Are the Zeroes of Our Time" um.

Ein Haufen Pech

Zur Deutung des verheerenden Ergebnisses wies Peter Urban, ESC-Urgestein und langjähriger Moderator der deutschen Live-Übertragung, darauf hin, dass Deutschlands Beitrag auch einige Sympathisanten unter den Länderjuroren fand. Neben dem Fernsehpublikum bestimmen diese zu 50 Prozent das Ergebnis. Dennoch: "In diesem Jahr haben zehn Länder fast alle Punkte abgesahnt, etwa 90 Prozent," kommentierte Urban auf eurovision.de. "Für den Rest blieb nicht mehr viel übrig. Alles, was auf Platz 11 bis 27 in der Länderauswertung liegt, kriegte Null Punkte. Es war einfach ein Haufen Pech." Gab es politische Gründe für die Niederlage Deutschlands? "Definitiv nicht", antwortete Urban. "Vielleicht hat der Song einfach das Herz, den Nerv, den Bauch, das Gefühl der Menschen nicht getroffen."

Peter Urban
Peter Urban hatte einen ErklärungsversuchBild: picture-alliance/dpa

Bei der Qualifikation gewann Ann Sophie souverän, nach der Niederlage in Wien verlor sie ebenso souverän. Ob der Eurovision Song Contest der Karrierekiller für die junge Künstlerin sein wird? Derartigen Spekulationen wiedersprach die Hamburgerin entschieden: "Ich habe immer noch Leute und Fans, die hinter mir stehen, das hat nichts damit zu tun, welchen Platz man gemacht hat".

Den massiven Solidaritätsbekundungen für Ann Sophie nach zu beurteilen, hat sie womöglich Recht.