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Fronleichnam – viel mehr als Folklore

30. Mai 2013

Fronleichnam ist ein altes, häufig missverstandenes Fest. Sein Anliegen, die Ehrfurcht vor dem Sakrament der Eucharistie, ist aber gerade heute hoch aktuell, so Silvia Becker von der katholischen Kirche.

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Maedchen und r.k. Pfarrer bei erstkommunion. Copyright: BilderBox
Bildergalerie Initiationsprozesse verschiedene ReligionenBild: BilderBox

„Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach. Aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.“ So lautet das Gebet vor der Kommunion in der katholischen Eucharistiefeier – übrigens in Ablehnung an ein Heilungswunder Jesu.

Nicht würdig? Ist dies nicht die überholteste aller Fragen? Immer wieder wundere ich mich, wie gedankenlos viele Menschen heute zur Eucharistie gehen. Kaum einer, der in der Kirchenbank sitzen bliebe, wenn zum größten Geheimnis des Glaubens eingeladen wird. Und die wenigen, die es dann doch tun, fallen dem entsprechend aus dem Rahmen.

Die Einladung zum Tisch des Herrn neu wertschätzen

Natürlich möchte ich jetzt nicht die alten Zeiten verherrlichen, in denen sich – außer kurz nach der Beichte – kaum ein Christ, kaum eine Christin für würdig hielt, das Brot des Lebens zu empfangen. Noch viel weniger möchte ich den Ausschluss wiederverheirateter Geschiedener von den Sakramenten verteidigen. Und ich denke mit einer gewissen Trauer an meine frühe Kindheit zurück, in der mir im Gottesdienst regelmäßig schlecht wurde, weil ich vor lauter Ehrfurcht offenbar nicht mehr zu atmen wagte und irgendwann kreidebleich vor die Kirchentür stürzte, um nach Luft zu schnappen. Offenbar hatte man mir bei meiner Frühkommunion im zarten Alter von fünf Jahren nicht angemessen vermittelt, dass das heilige Geschehen am Altar vor allem als liebevolle Einladung gemeint ist und nicht als vorgezogenes jüngstes Gericht.

Was wünsche ich mir also? Etwas ganz Schlichtes: Wer zum Tisch des Herrn geht, sollte vorher einige Augenblicke darüber nachdenken, was für eine Einladung hier eigentlich ergeht und ob es etwas gibt, was ihn oder sie vielleicht gerade in diesem Moment daran hindert. Dies kann zum Beispiel eine große Wut sein, die erst noch eines klärenden Gesprächs bedarf oder eine Unkonzentriertheit oder natürlich – ich wage es kaum auszusprechen – eine schwere Sünde. Denn auch das gibt es. Allen anders lautenden Gerüchten zum Trotz.

Bilder für kirchlichen Verkündigungsbeitrag zum Fest Fronleichnam. Die DW darf die Fotos kostenfrei veröffentlichen. Zulieferer: Klaus Krämer Feiertagsbeitrag Fronleichnam 2012 von Silvia Becker (Bildrechte Silvia Becker, selbst fotografiert). Fronleichnamsaltar im Reichenauer Ortsteil Mittelzell
Geschmückter Altar zum FronleichnamBild: Silvia Becker

„Herr, zu wem sollen wir gehen?“(Joh 6,68). Unter diesem Leitwort findet in Köln in wenigen Tagen (vom 5. bis 9. Juni 2013) der Nationale Eucharistische Kongress statt, der Christinnen und Christen aus ganz Deutschland und der ganzen Weltkirche an das Geschenk der Eucharistie erinnern und die liebende Ehrfurcht vor dem Sakrament neu wecken möchte. Ein – wie ich finde - hochaktuelles Anliegen.

Der Fleck im Mond und die Vision der Augustinernonne

Dennoch gibt es das Problem mangelnder Ehrfurcht vor der Eucharistie nicht erst seit heute. Das Fronleichnamsfest – genauer gesagt „das Hochfest des Leibes und Blutes Christi“ - entstand ursprünglich genau aus diesem Motiv heraus. Die Geschichte seiner Entstehung ist schnell erzählt: Eine belgische Augustinernonne, Juliana von Lüttich, hatte im Jahre 1209 eine Vision. Sie berichtete, sie habe den Mond gesehen, der an einer Stelle verdunkelt war. Christus habe ihr erklärt, dass der Mond das Kirchenjahr bedeute und der dunkle Fleck das Fehlen eines Festes des Altarssakraments.

Verstärkend kam hinzu, dass das vierte Laterankonzil 1215 die Wandlung in der katholischen Messe mit der Transsubstantiationslehre präzisiert und diese zum Dogma erhoben hatte. Auf diese Weise wurde mit höchster Autorität verkündet, dass in der Heiligen Messe Brot und Wein durch die Wandlung wahrhaft zum Leib und Blut Christi werden und Christus darin gegenwärtig ist und bleibt. Nur so konnte sich später der Brauch der Fronleichnamsprozession entwickeln, in der eine Monstranz (ein Schaugefäß) mit der heiligen Hostie durch die Straßen getragen wird. Die Gläubigen folgen ihr mit Blümchen streuenden Kindern, den Honoratioren des Ortes, der Geistlichkeit und Gruppen von Frauen und Männern – alles geordnet nach Ständen und Verbänden. Gerade im süddeutschen Raum entwickeln die Fronleichnamsprozessionen bis heute eine große Pracht und Schönheit, etwa durch Blütenteppiche mit religiösen Motiven.

Fronleichnamsprozession im Schwarzwald
Fronleichnamsprozession im SchwarzwaldBild: picture-alliance/ dpa

Zurück zum Wesentlichen

Natürlich verbergen sich hier auch Gefahren: vor allem die Gefahr, sich in Äußerlichkeiten zu verlieren und ins Folkloristische abzudriften und darüber zu vergessen, dass nicht das Schauen das Wesentliche ist, sondern der würdige Empfang der Eucharistie. Für die moderne Welt kann die Fronleichnamsprozession, insbesondere vor dem Hintergrund des II. Vatikanischen Konzils, dennoch eine aktuelle Bedeutung entfalten. Sie kann zu einem Symbol werden für die Kirche als das pilgernde Gottesvolk, zu einem Symbol für das Volk Gottes unterwegs durch die Zeit.

Bilder für kirchlichen Verkündigungsbeitrag zum Fest Fronleichnam. Die DW darf die Fotos kostenfrei veröffentlichen. Zulieferer: Klaus Krämer Feiertagsbeitrag Fronleichnam 2012 von Silvia Becker (Bildrechte Silvia Becker, selbst fotografiert).
Dr. Silvia BeckerBild: Silvia Becker

Zur Autorin: Silvia Becker, Dr. phil., ist seit 2008 Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für Deutschlandradio und Deutsche Welle. Sie studierte in Aachen Philosophie und katholische Theologie und arbeitete – nachdem sie einige Jahre in der Frauenbildung tätig war - viele Jahre als verantwortliche Redakteurin für „Die Mitarbeiterin“, eine Zeitschrift für Frauenbildung und Frauenseelsorge. Daneben ist sie auch als freie Autorin tätig.