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Politik

"Grenzkontrolle allein kein Allheilmittel"

19. August 2017

Die Absicherung der EU-Außengrenzen wird die Migration nicht stoppen, warnen Experten. Frontex-Direktor Fabrice Leggeri fordert legale Wege, um Asyl zu beantragen, ohne in die Hände von Menschenhändlern zu geraten.

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Frontex
Bild: Frontex

Deutsche Welle: Die libysche Küstenwache hat die Sicherheitszone vor ihrer Küste erheblich ausgedehnt und Hilfsorganisationen davor gewarnt, in diese Gewässer einzudringen. Rettet nun Frontex die Flüchtlinge, wenn ihre Schlauchboote untergehen?

Fabrice Leggeri: Frontex unterstützt Länder, die unter einem starken Migrationsdruck stehen. In Italien stellt Frontex zurzeit 13 Schiffe, drei Helikopter, zwei Flugzeuge und 450 Grenzsicherungsbeamte zur Verfügung. Wir unterstützen die italienischen Behörden bei der Überwachung der Außengrenzen, bei der Seenotrettung sowie bei der Identifizierung und Registrierung von Migranten an mehreren Sammelstellen in Sizilien. Außerdem helfen wir beim Auffinden von Schmugglernetzwerken in den Ursprungs- und Transitländern. Wir können uns an die Anforderungen der italienischen Behörden anpassen und auf schutzwürdige Gruppen wie Asylbewerber besonders eingehen.

Frontex Chef Fabrice Leggeri
Frontex-Chef Fabrice LeggeriBild: picture-alliance/AP Photo/G. Vanden Wijngaert

Seenotrettung ist die Pflicht aller, die sich auf hoher See befinden. Frontex nimmt diese Aufgabe sehr ernst. Allein im vergangenen Jahr hat der Einsatz von Frontex zur Rettung von 90.000 Menschen in Italien und Griechenland beigetragen. Allerdings ist die Überwachung der Grenzen kein Allheilmittel. Nur eine globale Lösung kann die Flüchtlingsströme managen.

Sollten humanitäre Helfer verstärkt in Krisen- und Kriegsgebieten wie Jemen, Uganda oder dem Südsudan arbeiten und weniger im Mittelmeer?

Noch einmal: Die Rettung von Menschen in Seenot ist eine gesetzliche Pflicht und Vorschrift aller auf dem Meer verkehrender Schiffe. Es gibt keinen Zweifel daran, dass Schmuggler die Tragödie von Flüchtlingen und Migranten ausnutzen und von ihrer Verzweiflung finanziell enorm profitieren. 2015 haben sie mit ihrem schmutzigen Geschäft schätzungsweise zwischen vier und sechs Milliarden Euro verdient. Die Lage ist an allen Außengrenzen der EU sehr angespannt, nicht nur in Italien, sondern zunehmend auch in Spanien und Griechenland.

Auch wenn die Schmuggler in Marokko, Algerien, Libyen, Ägypten und der Türkei nicht zu einer Organisation zusammengeschlossen sind, haben sie doch eines gemeinsam: Sie kümmern sich nicht um die Sicherheit der Migranten. Sie verfrachten 150 Leute in ein Schlauchboot, das nur für rund zehn Personen ausgelegt ist, und dies noch bei schlechten Wetterverhältnissen. Häufig kentern die Boote, kurz nachdem sie die Küste dieser Länder verlassen haben, was zu schrecklichen Tragödien führt.

Eine Lösung für diese Lage muss aus mehreren Elementen bestehen, nicht aus nur einem: Erst müssen die Ursachen für die Migration beseitigt werden, also Krieg, Konflikte, Armut und Hunger.

Und schließlich muss es auch legale Wege geben, auf denen Flüchtlinge Asyl beantragen können, ohne sich in die Hände von Menschenhändlern zu begeben. Wir wissen alle, dass mit diesen Zielen große Herausforderungen verbunden sind. Frontex hat dazu beigetragen, dass 600 Personen festgenommen wurden, denen Menschenhandel vorgeworfen wird. Wir werden nicht nachlassen, diese kriminellen Aktivitäten zu bekämpfen.

Hilfsorganisationen in Italien unter Druck

Bei der Überwachung der europäischen Außengrenzen muss Frontex auch mit Regierungen kooperieren, die nicht dieselben Werte teilen. Wo liegt die Grenze für eine solche Zusammenarbeit?

Die Kooperation mit Ländern außerhalb der EU ist integraler Bestandteil der Arbeit von Frontex. Wir haben Vereinbarungen mit insgesamt 18 Ländern. Das wichtigste Ziel dabei ist, die Erfahrungen gelungener Projekte zu teilen sowie Sicherheitskräfte bei der Grenzsicherung und Achtung von fundamentalen Menschenrechten zu schulen.

Wir konzentrieren uns auf das, was man verbessern kann. Unser Ziel ist es, die Kooperation sowohl mit den EU-Nachbarländern als auch mit den Ursprungs- und Transitländern der Migration auszubauen. Im vergangenen Jahr hat Frontex Verbindungsoffiziere in Drittländer geschickt, unter anderem in die Türkei, Serbien und den Niger.

Bekommt Frontex genug Mittel von den EU-Mitgliedsstaaten, um sein Mandat zu erfüllen?

Als Antwort auf die Flüchtlingskrise im Jahr 2015 legte die EU-Kommission am 15. Dezember desselben Jahres einen Gesetzesentwurf zur Gründung einer europäischen Küsten- und Grenzwache vor. Der Vorschlag wurde in einer Rekordzeit von nur neun Monaten vom Europäischen Parlament und vom Europarat gebilligt. Die neue europäische Küstenwache, die Frontex ein erweitertes Mandat erteilte, wurde am 6. Oktober 2016 gegründet.

Dies ist ein eindeutiges Zeichen für den starken Rückhalt durch europäische Politiker für unsere Agentur und die Ausweitung unserer Aufgaben. Für Frontex sind zurzeit an den EU-Außengrenzen 1800 Grenzsicherungsbeamte im Einsatz. Sie werden von den 28 EU-Mitgliedsländern und den vier mit Schengen assoziierten Ländern entsandt. Nicht nur Brüssel steht hinter uns, auch mit vielen europäischen Hauptstädten arbeiten wir eng zusammen.   

Fabrice Leggeri ist Direktor der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache, kurz Frontex. Die Fragen von DW-Autorin Astrid Prange de Oliveira beantwortete er per Email.