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Fußball-Begeisterung und Polit-Frust - Mazedonien vor der Wahl

Zoran Jordanovski5. Juli 2006

In Mazedonien buhlen vor den Parlamentswahlen drei politische Bündnisse um die Gunst der Wähler. Doch deren Interesse ist gering - viele sind angesichts der Erfahrungen der vergangenen Jahre desillusioniert.

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Ministerpräsident Vlado Buckovski im WahlkampfBild: AP
Wahlen in Mazedonien DPA Partei der Albaner
Büro der Albaner-Partei DPA (im Hintergrund) in einem Dorf im Norden SkopjesBild: AP

Die Wahlkampf-Veranstaltungen der letzten Wochen waren nur mäßig besucht, von Euphorie war diesmal nicht viel zu spüren - anders als in früheren Zeiten. Ein Grund dafür ist, dass die letzten Tage vor der Wahl am Mittwoch (5.7.) in die heiße Phase der Fußball-Weltmeisterschaft fällt - hier verliert die Politik das Rennen um das Interesse der Bevölkerung deutlich.

Geringes Interesse

Umfragen zufolge hatten nur 35 Prozent der Befragten Interesse am Wahlkampf - die übrigen geben dem Fußball den Vorrang. Hinzu kommt eine spürbare Enttäuschung von der Politik der vergangenen Jahre.

Zum Beispiel auf dem Arbeitsmarkt: Im Mai waren offiziellen Angaben zufolge 37 Prozent der Erwerbsfähigen arbeitslos. Und diejenigen, die arbeiten, haben ein durchschnittliches Monatseinkommen von rund 210 Euro - nicht ausreichend, um die grundlegenden Lebensbedürfnisse einer Familie zu decken. Die mazedonische Wirtschaft verzeichnet zwar einen Zuwachs in den letzten Jahren - für 2006 erwartet man eine Steigerung um 3,9 Prozent. Aber spürbare Effekte sind bisher ausgeblieben.

Geringer Glaube

Wahlen in Mazedonien VMRO-DPMNE
Nikola Gruevski (r.) von der VMRO-DPMNEBild: AP

Rund 1,7 Millionen mazedonische Wahlberechtigte sind am Mittwoch (5.7.) aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Um die 120 Abgeordneten-Mandate bewerben sich 2700 Kandidaten aus 36 politischen Parteien. Der Großteil davon gruppiert sich in drei Bündnissen - zwei mazedonische Blöcke und einen albanischen. Die Wahlen werden von 6000 heimischen und internationalen Wahlbeobachtern begleitet.

Die unverändert schwere wirtschaftliche und soziale Lage ist für viele Grund, nicht mehr an die Politiker zu glauben: Rund 30 Prozent der Wahlberechtigten wollen gar nicht wählen, darüber hinaus sind mehr als 40 Prozent unentschlossen, wen sie wählen sollen.

Die regierende SDSM setzt derweil auf außenpolitische Themen, mit denen sie in den letzten Jahren punkten konnte - auch wenn es nur halbe Erfolge waren: Mazedonien hat den Status eines EU-Beitritt-Anwärters erhalten, allerdings ist ein Termin für die Aufnahme der Verhandlungen noch immer unklar. Die gewünschte Einladung zu einer NATO-Mitgliedschaft ist bisher nicht gekommen, und es ist unsicher, ob sie 2008 ausgesprochen wird. Vor diesem Hintergrund warnt Ministerpräsident Vlado Buckovski vor einem Regierungswechsel: "Jetzt, da wir das Land politisch, sicherheitstechnisch stabilisiert haben, da wir von der wirtschaftlichen Ausgangslage eine Entwicklung gestartet haben, werden wir uns kein neues Abenteuer erlauben."

Geringe Fortschritte

Damit spielt Buckovski auf die vier Regierungs-Jahre der VMRO-DPMNE an: In dieser Zeit war es zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der albanischen Minderheit und der mazedonischen Mehrheit in der Bevölkerung gekommen. Die jetzige Oppositionspartei VMRO-DPMNE trat hingegen bei Wahlkampfveranstaltungen in Orange auf - eine Anspielung auf die "orangefarbene Revolution" der ukrainischen Opposition gegen den Diktator Alexander Lukaschenko.

Nikola Gruevski, der Spitzenpolitiker der VMRO-DPMNE, wirft der Regierung Untätigkeit vor. "Viele fragen sich weshalb wir uns noch im Übergang befinden, warum Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei bereits vor fünf oder zehn Jahren aus diesem Übergang ausgebrochen und inzwischen schon Teil der EU geworden sind", sagt Gruevski. "Das liegt daran, dass die Reformen in Mazedonien in den letzten Jahren nicht durchgeführt wurden, die ein Teil dieses Programms sind." Gruevskis Partei verspricht wirtschaftlichen Aufschwung mit einer Wachstumsrate von sechs bis acht Prozent. Gleichzeitig will er die Steuern senken und die jüngsten Verkäufe staatlichen Eigentums überprüfen.

Ernste Zwischenfälle

Unter den Parteien der ethnischen Albaner gibt es ebenfalls zwei große Kontrahenten: Auf der einen Seite steht die Partei DUI um Ali Ahmeti, der Anführer bei den Unruhen im Jahre 2001 war und inzwischen als Koalitionspartner mit auf der Regierungsbank sitzt. Ihm wirft die oppositionelle DPA um Arben Xhaferi vor, dass das Friedensabkommen von Ohrid, mit dem der Konflikt vor fünf Jahren gestoppt wurde, immer noch nicht umgesetzt worden sei. DPA-Vize Menduh Taci vertritt die Ansicht, dass die albanische nationale Frage in Mazedonien noch nicht gelöst sei: "Die Wahl steht unter dem Motto: "Sein oder nicht sein". Es ist ein ethnischer Kampf zwischen den Albanern in Mazedonien."

DUI-Chef Ali Ahmeti ist hingegen der Ansicht, dass sich die Situation der Albaner deutlich verbessert habe: So gibt es heute 1800 Albaner in den Reihen der mazedonischen Polizei - vor vier Jahren waren es nur 150. Ebenso in der Armee: heute sind es mehr als 1100 Offiziere und Unteroffiziere - früher waren es nur 60. Außerdem seien der Gebrauch der albanischen Flagge und der albanischen Sprache gut geregelt, so Ahmeti: "Die Dinge in Mazedonien entwickeln sich gut, wir sind auf gutem Wege alle wirtschaftlichen und nationalen Probleme zu lösen."

Der NATO-Generalsekräter Jaap de Hoop Scheffer betont die Bedeutung der Wahlen: Dies müssten die saubersten und fairsten bisher sein, sagte er bei einem Besuch in der mazedonischen Hauptstadt. Ähnliche Appelle haben auch andere westliche Politiker wie der EU-Außenpolitiker Javier Solana ausgesprochen. Spannungen in der Wahlkampfphase hat es jedoch auch dieses Mal gegeben: Mehrere ernste Zwischenfälle unter Anwendung von Waffengewalt mit mehreren Verletzten.