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Fußball-Hören bei minus 34,3 Grad

Das Gespräch führte Steffen Leidel23. Juni 2006

Die WM übt ihre Anziehungskraft auf Menschen rund um den Erdball aus. DW-WORLD.DE blickt über den Horizont und fragt Fans in allen Ecken der Welt, wie sie die Spiele verfolgen. Diesmal führt der Ausflug in die Antarktis.

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Die Neumayer-Station des Alfred-Wegener-Instituts in der AntarktisBild: Andreas Buhl

Andreas Buhl ist Techniker auf der Neumayer-Station des Alfred-Wegener-Instituts in der Antarktis.

DW-WORLD.DE: Herr Buhl: In Deutschland ist jetzt 15 Uhr, ist bei Ihnen jetzt Tag oder Nacht - oder weder noch?

Andreas Buhl: Bei uns ist es jetzt 13 Uhr und zurzeit haben wir Polarnacht. Unseren letzten Sonnenaufgang hatten wir am 20. Mai. Seitdem haben wir keinen Sonnenaufgang mehr. Wir haben immer so ein Dämmerlicht in der Mittagszeit. Die Sonne erwarten wir wieder zurück am 23. Juli. Das heißt, wir müssen rund zwei Monate ohne die Sonne auskommen. Trotzdem ist es drei bis vier Stunden am Tag relativ hell, wenn keine Wolken da sind, denn die Schneeoberfläche reflektiert recht viel Licht.

Und wie sind das Wetter und die Temperaturen?

Im Moment haben wir draußen Minus 34,3 Grad, 16 Knoten Wind, das sind ungefähr 30 Stundenkilometer. Wenn man draußen im Wind steht, ist das ziemlich unangenehm.

Wie viele Kilometer sind Sie von Deutschland entfernt und wo steht der nächste Fernseher zum Fußballschauen?

Fernsehen haben wir hier gar nicht. Bis in meine Heimatstadt Papenburg sind es ungefähr 13.717 Kilometer.

Und wie bekommen Sie die WM mit?

Neumayerstation des Alfred Wegener Instituts in der Antarktis WM 2006 Fans
Fußball-Fans in der NeumayerstationBild: Andreas Buhl

Wir sind ein Team von neun Leuten hier, fünf davon sind Fußballfans. Wir verfolgen die Spiele über Internetradio. Wir haben eine Standleitung für die Übertragung wissenschaftlicher Daten und die Bandbreite wird nie ganz ausgenutzt, der Rest ist zur freien Verfügung, um Kontakt zu Freunden zu halten oder eben Fußball zu hören. Sehen geht nicht, dafür reicht die Bandbreite nicht aus. Auch der Ton kann schon mal stocken.

Wie viele Spiele haben Sie verfolgt.

Wir haben alle Spiele von Deutschland mitgehört, also drei von den insgesamt sieben Siegen haben wir schon mitbekommen. Bald sind wir ja Weltmeister (lacht).

Beschreiben Sie uns, wie Sie Fußball hören.

Wir haben hier die Werkstatt, das ist ein beheizter Raum. Den haben wir mit unseren Flaggen bestückt, wir haben draußen einen Fahnenmast, wenn einmal Besuch kommt von anderen Stationen, dann wird da eine Fahne gehisst. Wir haben von allen anderen Ländern, die hier in der Antarktis Stationen haben, auch Flaggen. Das sind z.B. Brasilien, Argentinien, Russland, Polen, Niederlande, Frankreich, Italien, etc. Die haben wir alle hier hängen. Wir machen es uns dann gemütlich nach Feierabend, setzen uns um einen kleinen Tisch und machen den Laptop an.

Neumayerstation des Alfred Wegener Instituts in der Antarktis WM 2006 Fans weltweit
Polarnacht in der AntarktisBild: Andreas Buhl

Können Sie mit den anderen Stationen zusammen hören?

Die nächste Station von den Südafrikanern ist 230 Kilometer entfernt, die Engländer sind 780 Kilometer weit weg. Wir haben vor allem über Internet mit denen Kontakt.

Sind Sie denn traurig darüber, dass Sie als Fußballfan die WM nicht live in Deutschland mitbekommen?

Ich bin jetzt 45 und hab schon die WM 1974 in Deutschland live mitbekommen. Es wäre schon ganz schön gewesen, die WM im eigenen Land mitzuerleben. Man vermisst aber die Familie schon mehr als den Fußball.

Wie lange sind Sie denn in der Station?

Wir sind am Stück seit dem 27. November 2005 auf der Station. Mein Rückflug ist geplant für den 18. Februar 2007.

Was ist Ihre Aufgabe in der Station?

Ich bin hier der Stationselektriker. Das mache ich zusammen mit meinem Chef Chris, der ist der Ingenieur hier. Es geht nicht nur um Strom und Mechanik. Es geht auch um Wasseraufbereitung und -entsorgung, Fahrzeuge warten, etc. Wir sind auch unsere Feuerwehr. Wir können im Notfall keinen anrufen. Kapstadt ist 4500 Kilometer entfernt. Da kommt natürlich keiner, im Moment ist es auch sehr schwer zur Station zu kommen.