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Bundesliga ohne Ost-Klubs

14. August 2010

Erstmals seit der Wiedervereinigung ist kein Fußballclub aus Ostdeutschland oder Berlin mehr in der Ersten Bundesliga vertreten. Dabei wird in den neuen Bundesländern gute Nachwuchsarbeit betrieben. Aber das Geld fehlt.

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Dynamo Dresden, achtmaliger DDR-Meister, spielt heute in der dritten Liga vor leeren Rängen (Foto: Eibner Pressefoto)
Dynamo Dresden, achtmaliger DDR-Meister, spielt heute in der dritten LigaBild: picture-alliance/Eibner-Pressefoto

"Früher war alles besser", mag derzeit so mancher Geschäftsführer eines ostdeutschen Fußballclubs denken. Als es die DDR noch gab, musste man sich nicht mit Sponsoren, Steuererklärungen oder Zuschauereinnahmen herumplagen. Und überhaupt, damals war man wer: 1974 gewann der 1. FC Magdeburg gegen den AC Mailand den Europapokal der Pokalsieger. Im selben Jahr gewann die DDR-Auswahl im deutsch-deutschen Duell gegen die Bundesrepublik. Und Vereine wie Dynamo Dresden oder der 1. FC Lokomotive Leipzig machten ihre Städte zu Fußball-Hochburgen.

Traurige Bilanz

Herthas Trainer Friedhelm Funkel (links) und die Spieler Christoph Janker, Arne Friedrich und Theofanis Gekas (Foto: AP)
Abgestiegen: Hertha BSCBild: AP

20 Jahre nach der Wiedervereinigung dümpeln diese Vereine in den unteren Spielklassen, spielen vor nicht einmal tausend Zuschauern und sind froh, wenn sie Jahr für Jahr aufs Neue das Lizenzierungsverfahren überstehen. Östlich von Wolfsburg, Nürnberg und München spielt kein Verein mehr in der ersten Liga. Das gilt auch für die Hauptstadt, seit sich im Mai Hertha BSC nach 13 Jahren aus der ersten Liga verabschieden musste. Neben Hertha spielen drei Ost-Clubs in der zweiten Liga, fünf sind es in der dritten. "Die derzeitige Situation des professionellen Fußballs in Ostdeutschland ist überhaupt nicht befriedigend", gibt Hans-Georg Moldenhauer, Präsident des Nordostdeutschen Fußball-Verbandes (NOFV) zu.

Fragt man nach den Gründen, ist überall die gleiche Antwort zu hören: Zu wenig Sponsoren, zu wenig Geld und früher auch schlechtes Management. Bei der Zusammenlegung des Ost- und Westfußballs 1991 waren die Vereine in den neuen Bundesländern überfordert - die Umstellung vom Sozialismus zum Kapitalismus innerhalb weniger Monate zu groß: "Wir bekamen plötzlich keine staatlichen Subventionen mehr und wussten überhaupt nicht, wie marktwirtschaftlich gearbeitet wird", beschrieb einmal der ehemalige Geschäftsführer von Sachsen Leipzig, Detlef Krauspe, die Situation. Die besten Spieler - darunter Andreas Thom, Ulf Kirsten und später Michael Ballack - zog es zu den reichen West-Clubs. Private Unternehmen, die hätten Geld investieren können, gab es nicht.

Teufelskreis

Michael Ballack in einem Zweikampf (Foto: AP)
Michael Ballack entwickelte beim Chemnitzer FC sein TalentBild: AP

Heute gibt es zwar Unternehmen, aber meistens nur kleine oder mittelständische, die nur wenig Geld ins Sport-Sponsoring fließen lassen können: "Die ostdeutschen Vereine haben viele kleine Sponsoren, die wenig Geld einbringen und auch keine langfristigen Kooperationen anbieten", sagt Moldenhauer. Große Investitionen sind daher kaum möglich. Und um große Unternehmen als Partner zu gewinnen, wie beispielsweise Bayern München die Telekom, fehlen die großen Erfolge – und ein positives Image.

Das Ansehen des ostdeutschen Fußballs hat in den letzten Jahren arg gelitten. Anstatt über Siege wurde und wird immer häufiger über Fan-Ausschreitungen, Randale und rassistische Übergriffe in und außerhalb der Stadien berichtet. Zu Unrecht, meint NOFV-Präsident Georg Moldenhauer: "Das ist kein ostdeutsches Problem und auch kein Problem des Fußballs. Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem." Nur leider konzentrierten sich die Medien auf solche Themen – und nicht auf Analysen von Viertliga-Spielen.

RB Leipzig: Modell für die Zukunft?

Blick über Leipzig, im Hintergrund die Red-Bull-Arena. Foto: Waltraud Grubitzsch
Die Red Bull Arena in LeipzigBild: picture-alliance/ZB

Seit einem Jahr ist die Berichterstattung über den ostdeutschen Fußball um ein Thema reicher: den RB Leipzig. Der österreichische Getränkehersteller Red Bull kaufte dem SSV Markranstädt die Oberliga-Spielrechte ab und der neu gegründete Verein konnte in der fünftklassigen Oberliga Nordost Süd spielen. Spieler wurden eingekauft, ebenso die Rechte des Leipziger Zentralstadions. Der Aufstieg in die Regionalliga gelang in der vergangenen Saison sofort, Ziel ist langfristig die Bundesliga. Seit dieser Spielzeit kickt RB Leipzig in der Red Bull Arena, im größten Stadion auf dem Gebiet der neuen Bundesländer.

Bei den Fußballfans in Leipzig kommt dieses Projekt nicht gut an. Es gab und gibt massive Proteste und Anfeindungen von den Anhängern des FC Sachsen Leipzig und des 1. FC Lokomotive Leipzig. Sie befürchten den Rückgang traditioneller Fankultur und eine Kommerzialisierung des Fußballs in der Region. Ein Großteil der regionalen Bevölkerung dagegen befürwortet das Engagement des Unternehmens. Und auch NOFV-Präsident Moldenhauer sagt: "Wir haben in den letzten zwei Jahrzehnten immer moniert, dass die großen Sponsoren nicht da sind. Deshalb bin ich froh, dass es erstmalig ein solches Modell hier in Ostdeutschland gibt." Und fast noch wichtiger für den regionalen Fußball sei die Signalwirkung. "Wir brauchen dringend Leuchttürme hier bei uns." Also Vereine, die wieder Glanzlichter setzen und damit positiv auf den ostdeutschen Fußball wirken.

Auf den Nachwuchs setzen

Mannschaftsfoto des Regionalligisten RB Leipzig (Foto: ZB)
Mannschaftsfoto des Regionalligisten RB LeipzigBild: picture-alliance/ZB

Ist also das Modell RB Leipzig eine Patentlösung, um den ostdeutschen Fußball zu retten? Nein, meint Moldenhauer: "Das ist eine Ausnahme. Die Vereine hier müssen weiterhin auf das setzen, was sie haben - und das ist die tolle Nachwuchsarbeit." Zur Förderung junger Talente waren die Vereine in der Vergangenheit regelrecht gezwungen, da Spieler von außerhalb nicht bezahlt werden konnten. Zudem hat man die umstrittenen Kinder- und Jugendsport-Schulen (KJS) aus DDR-Zeiten in moderne, sportbetonte Fußballschulen umgestaltet, von denen talentierte Kinder aus der Region profitieren. Auch der Deutsche Fußball-Bund investiert - wenn auch noch nicht im ausreichenden Maße - in den ostdeutschen Fußball: Acht der insgesamt 36 Eliteschulen des DFB sind mittlerweile im Osten beheimatet.

Doch was ist, wenn man den eigenen Nachwuchs nicht an den Verein binden kann, da die Perspektive fehlt? So spielt beispielsweise Nationaltorwart René Adler nicht mehr in seiner Heimat Leipzig, sondern bei Bayer Leverkusen. Und das, obwohl er immer wieder betont, wie sehr er Leipzig mag. Als Hindernis für die Ost-Vereine, wieder in die oberste Spielklasse aufzusteigen, sieht NOFV-Präsident Moldenhauer das aber nicht. "Wenn von zehn Talenten zwei gehen, hat man trotzdem eine gute Quote." Und dass es die Topspieler zu Topvereinen ziehe, gebe es überall auf der Welt. Ein Sami Khedira sei ja auch nicht in Stuttgart geblieben, sondern der Verlockung von Real Madrid erlegen.

Vorsichtig optimistisch

Fan-Ausschreitungen beim Zweitliga-Spiel im März 2009 zwischen FC St. Pauli - FC Hansa Rostock. Foto: Bodo Marks
Ausschreitungen beim Spiel FC St. Pauli - Hansa RostockBild: picture-alliance/dpa

Mittlerweile, so Moldenhauer, hätten die meisten Vereine die Strukturen verbessert und besonders im Managementbereich aufgeholt. Bleibt aber weiterhin das Problem, dass große Sponsoren fehlen - und damit auch Gelder. "Darauf haben wir leider keinen Einfluss." Doch trotz der wirtschaftlichen Misere gibt es einige Vereine, die sich mittlerweile über einen längeren Zeitraum positiv entwickeln. Das seien allerdings nicht unbedingt die traditionellen Clubs von früher: "Was Energie Cottbus aus seinen wenigen Möglichkeiten macht, ist schon erstaunlich. Und auch Erzgebirge Aue stimmt mich optimistisch."

Autorin: Sarah Faupel
Redaktion: Arnulf Boettcher