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Japan Atomkonferenz

Martin Fritz18. Dezember 2012

Ein Treffen der Internationalen Atomenergiebehörde an symbolträchtigem Ort wollte praktische Lehren aus der Katastrophe von Fukushima ziehen. Aber der Weg zu mehr Sicherheit ist noch weit.

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IAEA-Chef Yukiya Amano bei einer Atomkonferenz in Fukushima (Foto: Getty Images)
Bild: AFP/Getty Images

Bestimmt war der Zeitpunkt des Geständnisses kein Zufall: Ausgerechnet am Vortag (14.12.2012) der Internationalen Konferenz zur Atomsicherheit in Koriyama in der Präfektur Fukushima nannte der Betreiber des Atomkomplexes Fukushima Daiichi, der Stromversorger Tepco, ein "mangelndes Sicherheitsbewusstsein" und "schlechte Angewohnheiten" als Gründe für das schwerste Atomunglück seit Tschernobyl. Es war seit den Reaktorunfällen vom März 2011 das bislang klarste Eingeständnis des Stromkonzerns, der sich inzwischen mehrheitlich in Staatsbesitz befindet.

Tepco bestätigte damit erstmals die Einschätzungen einer parlamentarischen Untersuchungskommission. 18 Monate lang hatte Tepco keine eigenen Fehler gesehen und das Seebeben, das die Reaktorunfälle ausgelöst hatte, als "unerwartetes Ereignis" beschrieben. Erst im Oktober gestand Tepco, das Unglück hätte verhindert werden können. 160.000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen, weitere Landstriche wurden radioaktiv kontaminiert.

Internationale Konferenz zur Atomsicherheit

Ebenso am Vortag der Konferenz hatte Yukiya Amano, Vorsitzender der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), mit 30 Experten die Atomanlage Fukushima besucht. Danach berichtete der Japaner, er habe das Gelände ohne Schutzanzug besuchen können, aber Atemschutz und Handschuhe tragen müssen. Die Situation habe sich verbesserte, meinte Amano, dennoch bestünden Probleme. So gebe es immer noch Gebiete mit "extrem hoher Strahlung."

Französische Teilnehmer bei der Atom-Konferenz n Fukushima (Foto: Getty Images)
Frankreich als einer der größten Anbieter von Atomstrom und AKW-Technologie war auf der Konferenz ebenfalls vertreten.Bild: AFP/Getty Images

"Fukushima war eine deutliche Warnung an alle, die mit der Kernkraft befasst sind, dass Sicherheit niemals als selbstverständlich betrachtet werden kann", erklärte Amano zum Konferenzauftakt. Die IAEA will Japan weiter durch Berater und Experten bei der Dekontaminierung unterstützen. Zudem richtet die UN-Behörde in der Präfektur ein Ausbildungszentrum mit Lagern für Schutzkleidung und Dosimetern ein. Es wäre das erste Zentrum dieser Art außerhalb des Stammsitzes der UN-Organisation in Wien.

Mehr Sicherheit in Atomanlagen

Die Atomkonferenz lobte die erreichten Fortschritte in Fukushima. Die Teilnehmer aus 120 Ländern wollten Lehren für die globale Atomwirtschaft aus der Katastrophe ziehen. "Das Ziel ist es, die Sicherheit der Atomanlagen zu verstärken, indem wir unsere Erfahrungen und unser Wissen teilen", sagte Japans Außenminister Koichiro Gemba zur Eröffnung. Beim nächsten derartigen Unglück müsse man mit internationaler Hilfe rasch reagieren.

Die teilweise schönen Worte in Koriyama passten wenig zur Einschätzung der neuen Behörde für Atomaufsicht in Japan. Die 48 abgeschalteten Reaktoren in Japan würden nur dann wieder hochgefahren, wenn ihre Sicherheit gewährleistet sei, betonte der oberste Atomaufseher Shunichi Tanaka in Tokio. Dies sei derzeit nicht der Fall. Tanaka nannte die Situation "außerordentlich unbefriedigend." Es bedürfe enormer Anstrengungen, um das Bewusstsein der Anlagenbetreiber für die Sicherheit zu verbessern.

Notfallpläne und Aufklärung

Die Regierungen der 155 IAEA-Mitglieder hatten in einer Konferenz in Wien einige Monate nach Fukushima einen nicht bindenden Aktionsplan beschlossen, der die weltweite nukleare Sicherheit verbessern soll. Dieser rät unter anderem zu mehr Sicherheitskontrollen in den rund 430 Meilern, verbesserten Standards und mehr Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörden. Deutschland hatte den Plan damals als zu lasch kritisiert. Die Konferenz in Fukushima ging den nächsten Schritt.

Atomanlage Ohi in West-Japan (Foto: dapd)
In Japan liefern derzeit nur zwei Reaktoren Strom, sie befinden sich in der Atomanlage Ohi in West-Japan.Bild: Kyodo News/AP/dapd

Über drei Tage verteilt tauschten Arbeitsgruppen Erfahrungen und Lektionen aus dem Unfall in Fukushima aus. Dabei ging es insbesondere um den Schutz der Reaktoren vor Naturkatastrophen. Am zweiten Tag beschäftigten sich die Delegierten mit der Verbesserung von Notfallplänen. Zum Abschluss der Konferenz wurden Maßnahmen im Bereich Strahlenschutz und der Aufklärung der Öffentlichkeit über Radioaktivität beraten.

Beeinflusste Strahlenexperten

Eine Studie der UN-Organisation UNSCEAR über Strahlenschäden in Fukushima liegt allerdings erst im Mai 2013 vor. Zudem gibt es Zweifel an der Unabhängigkeit solcher Studien. Japanische Stromversorger hatten über Jahre die Arbeit von prominenten Radiologen finanziell unterstützt. Den Forschern wurden die Reisekosten zu internationalen Konferenzen über Strahlenbelastung bezahlt.

Offizielle Unterlagen in Japan belegen, dass einige dieser Radiologen die gesundheitlichen Risiken von radioaktiver Strahlung immer wieder heruntergespielt haben. Nach ihrer Meinung seien Niedrigdosen harmlos oder vernachlässigbar. Ihre optimistischen Bewertungen haben mit dazu beigetragen, dass Kinder in Fukushima inzwischen wieder mehr Zeit im Freien verbringen dürfen.