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Japans AKWs bestehen den Stresstest

12. Februar 2012

Laut IAEA entsprechen die Stresstests für Japans AKWs den Standards. Trotzdem sind nur noch drei Meiler am Netz. Verabschiedet sich die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt von der Atomkraft?

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A protester in protective mask holds a placard during an anti nuclear rally in Tokyo, Sunday, March 27, 2011. Leaked water in Unit 2 of the Fukushima Dai-ichi plant measured 10 million times higher than usual radioactivity levels when the reactor is operating normally, Tokyo Electric Power Co. spokesman Takashi Kurita told reporters in Tokyo. The placard has a message that reads "Don't spread radioactive substance." (Foto:Itsuo Inouye/AP/dapd)
Der Widerstand gegen die Macht der Atomlobby wächstBild: dapd

Japans Atomlobby kann erst einmal aufatmen: Die japanischen Stresstests entsprechen "allgemein" den Standards der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA. Zu diesem Ergebnis kommt eine zehnköpfige Expertengruppe der Wiener Atombehörde, die auf Wunschs Tokios prüfen sollte, ob Japans Atomkraftwerke schweren Katastrophen wie Erdbeben, Tsunamis und Stromausfällen standhalten können.

Die Stresstests haben die Meiler zwar bestanden, aber die IAEA fordert weitere Inspektionen. Außerdem müsse Japans Atomaufsicht künftig sicherstellen, dass alle zukünftigen Maßnahmen der Atombetreiber angemessen dokumentiert und überprüft werden, heißt es im Abschlussbericht der IAEA. Genau hier gab es in der Vergangenheit zahllose Versäumnisse und Pannen, weil die Betreiber Störfälle nicht gemeldet oder bei fälligen Reparaturen getrickst hatten.

Experts from the International Atomic Energy Agency inspect the Ohi nuclear power plant in Ohi, Fukui prefecture, in Japan Thursday, Jan. 26, 2012. The 10-member IAEA team began their first inspection of the Japanese nuclear power plant that has undergone official "stress tests" a key step required to restart dozens of nuclear plants idled in the wake of the Fukushima crisis. (Foto:Shizuo Kambayashi/AP/dapd)
IAEA-Inspektoren bei ihren StresstestsBild: dapd

Auch deshalb wird Japans Atomaufsicht reformiert. Bisher unterstand die Atomaufsicht NISA ausgerechnet dem Wirtschaftsministerium, das die von ihr zu beaufsichtigende Atomwirtschaft fördert. Künftig soll es zusätzlich eine neue Atomregulierungsbehörde geben, die dem Umweltministerium unterstellt wird, darauf verständigte sich jetzt das Kabinett. Der entsprechende Gesetzentwurf soll Anfang April vom Parlament verabschiedet werden.

Japan bald ohne Atomstrom

Nippons Nuklearsektor kommt also mit einer Verwarnung davon, Grund zum Feiern hat er aber nicht. Von den landesweit 54 Atommeilern sind derzeit nur noch drei am Netz. Denn alle 13 Monate werden die Atomreaktoren in Japan wegen routinemäßiger Wartungsarbeiten heruntergefahren. Und wenn die drei noch verbliebenen Reaktoren bis Ende April ebenfalls zur Wartung abgeschaltet werden, dann muss das energiehungrige Inselreich tatsächlich ohne Atomstrom auskommen.

Erstmals wurden die Betriebslaufzeiten für AKWs begrenzt, und zwar auf 40 Jahre. Allerdings gibt es bei dem Gesetzentwurf einige Schlupflöcher, da die Regierung den Betreibern in Ausnahmefällen erlauben kann, die Anlagen über die Frist hinaus laufen zu lassen, sofern sie den Sicherheitsanforderungen entsprechen.

Eine junge Evakuierte wird in einer Notunterkunft in der Naehe des durch den Tsunami beschaedigten Kernkraftwerkes Daiichi in Fukushima, Japan, auf Strahlung untersucht (Foto vom 24.03.11). Bildpaket zum Fukushima-Jahresrueckblick "Im Jahr des Super-GAU". (zu dapd-Text) Foto: Wally Santana/AP
Die Bevölkerung ist noch immer tief verunsichertBild: dapd

Trotzdem spürt Nippons Atomlobby den allgemeinen Widerstand: Jahrzehntelang war es in Japan vollkommen undenkbar, dass die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt ohne Atomstrom auskommen könnte. Bis zur Reaktorkatastrophe von Fukusima deckten die 54 Atommeiler des Landes rund 30 Prozent des enormen Strombedarfs. Momentan erzeugen die drei noch am Netz befindlichen Meiler weniger als drei Prozent des nationalen Stroms.

Ans Netz dürfen die Anlagen erst wieder, wenn die lokalen Behörden zugestimmt haben. Doch das kann einige Monate dauern, denn seit der Atomkatastrophe in Fukushima ist die Bevölkerung tief verunsichert und die nötigen Genehmigungsprozesse sind sehr zeitaufwendig.

Wachstum ohne Energieengpässe

Auch weitgehend ohne Atomstrom ist Japans Stromversorgung nicht zusammengebrochen. Der befürchtete Blackout fiel aus, die Lichter gingen wie gewohnt an, die Züge fuhren und auch die energieintensive Schwerindustrie konnte ihre Produktion aufnehmen. Mehr noch, laut Wirtschafts- und Handelsministerium ist die Industrieproduktion im Dezember sogar um vier Prozent gestiegen. Verantwortlich für das Wachstum sind vor allem ausgerechnet Betriebe in der Elektronik- und Automobilbranche. Für Januar rechnet das Ministerium mit einer weiteren Steigerung um 2,5 Prozent und für Februar mit einem Wachstum von 1,2 Prozent.

Der temporäre Verzicht auf Atomstrom hat aber natürlich seinen Preis: Nach wie vor sind alle Privathaushalte und vor allem natürlich die energieintensiven Unternehmen gehalten, vor allem zu den Stoßzeiten den Energieverbrauch zu senken.

Außerdem sind die Kosten für die Betreiber – und damit mittelfristig auch für die Kunden – enorm, denn jetzt muss das rohstoffarme Japan wieder massiv Ersatzbrennstoffen wie Rohöl importieren. Und dies zu einer Zeit, da die Weltgemeinschaft ein Ölembargo gegen den Iran durchsetzen will, aus dem Japan etwa zehn Prozent seines Öls importiert.

ARCHIV: Eine Faehre liegt nach dem Erdbeben und dem Tsunami in Otsuchi in der Praefektur Iwate in Japan auf einem Haus (Foto vom 22.03.11). Bildpaket zum Fukushima-Jahresrueckblick "Im Jahr des Super-GAU". (zu dapd-Text) JAPAN OUT, MANDATORY CREDIT Foto: Hiroto Nomoto/AP
Nicht immer ist die Naturgewalt beherrschbarBild: Hiroto Nomoto/AP/dapd

Höhere Kosten, mehr Treibhausgase

Zwar haben die Betreiber einige stillgelegte Thermalkraftwerke wieder angefahren, aber noch reichen die erneuerbaren Energiequellen bei weitem nicht aus, um den Energiehunger Japans zu stillen. Der eigentliche Belastungstest steht erst im Sommer bevor, wenn Unternehmen und Privathaushalte wie gewohnt ihre Klimaanlagen anschalten. Aus Angst vor Versorgungsengpässen haben sich Unternehmen vielerorts längst eigene Stromgeneratoren zugelegt.

Der Verzicht auf Atomstrom kommt aber auch der Umwelt teuer zu stehen, da Japan wieder deutlich mehr Treibhausgase produziert. Im Kyoto-Protokoll hatte sich Japan verpflichtet, seinen Ausstoß an klimaschädlichen Gasen bis 2012 um sechs Prozent zu reduzieren. Momentan jedoch steigen die Emissionen jährlich um 0,2 Prozent.

Vorerst kein Atomausstieg in Sicht

Trotz der routinemäßigen Abschaltung der AKWs ist Japan weit von einem konsequenten Energiewechsel entfernt. In seiner Grundsatzrede vor dem Parlament sprach sich Regierungschef Yoshihiko Noda für eine langfristige Reduzierung der Abhängigkeit von der Kernenergie sowie den Ausbau erneuerbarer Energien aus. Anders als sein Vorgänger Naoto Kan wollte sich Noda nicht auf einen kompletten Ausstieg aus der Atomkraft festlegen. Laut Noda sei Japan zumindest noch bis 2030 darauf angewiesen.

Autor: Alexander Freund (mit dpa, AFP)
Redaktion: Hans Spross