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Für Mao gegen Volk und Staat

Daniel Wortmann11. September 2002

Seit sechs Jahren führen die maoistischen Rebellen in Nepal einen blutigen Kampf gegen die Regierung. Zwei Monate vor den Parlamentswahlen haben sie ihre Aktivitäten nun erneut verstärkt.

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Beerdigung in Nepal: die Gewalt der maoistischen Rebellen eskaliertBild: AP

Allein in den vergangenen Tagen starben bei zwei Anschlägen über 100 Menschen, darunter Soldaten und Polizisten, aber auch Zivilisten. "Angesichts dieser Zahlen kann man von einer neuen Eskalation der Gewalt sprechen", beurteilt Karl-Heinz Krämer vom Südasieninstitut der Universität Heidelberg im Gespräch mit DW-WORLD die gegenwärtige Situation.

Der Konflikt, der einem Bürgerkrieg gleichkommt, lässt sich in die Zeit der Demokratisierung Nepals zurückverfolgen. Bei den ersten Wahlen 1991 hatte sich das radikale Linksbündnis United People's Front neun Sitze im Parlament erkämpft. Noch während der ersten Legislaturperiode brach es jedoch auseinander und nur eine der beiden Teilgruppen wurde bei den nächsten Wahlen unter dem alten Namen anerkannt.

Maoisten führen "Volkskrieg"

Die andere Gruppe – die heutigen maoistischen Rebellen – arbeitete von nun an im Untergrund, um dann einige Zeit später als CPN (Maoist) im Westen des Landes auf Stimmenfang zu gehen. Die Regierung wiederum versuchte mit Hilfe der Polizei, diesen Wahlkampf zu unterbinden. Als sie dann 1996 ein 40-Punkte-Papier, das die grundlegenden politischen Forderungen der Maoisten enthielt, völlig unbeachtet ließ, begannen die Rebellen ihren "Volkskrieg".

Im Mittelpunkt der Forderungen der militanten Revolutionäre stehen die Abschaffung des Königtums, Umverteilung von Besitz, der Aufbau einer sozialistischen Republik und die Einführung einer neuen Verfassung. "Die Maoisten haben immer wieder erklärt, dass sie sich für die am meisten benachteiligten Bevölkerungsgruppen einsetzen", berichtet Nepal-Experte Krämer. Dazu gehören etwa Frauen oder Angehörige niedriger Kasten. Allerdings bröckelt der Rückhalt in diesen Bevölkerungsgruppen angesichts der Ausweitung der Gewalt.

Eskalierende Gewalt

Mit Überfällen und Anschlägen auf Polizeiposten und Regierungsgebäude versuchen die Rebellen, den Staat ins Wanken zu bringen. Mehrere tausend Menschen sollen dabei in den letzten Jahren ums Leben gekommen sein. Vor allem im Westen Nepals haben die Maoisten ganze Distrikte in ihre Gewalt gebracht und dort ihre Willkürherrschaft aufgebaut. Der Staat reagiert mit Härte: "Die Menschenrechtslage hat sich besonders seit der Verhängung des Ausnahmezustands im November 2001 deutlich verschlechtert", betont Politologe Krämer. Im Kampf gegen die Rebellen wurden Presse- und Meinungsfreiheit wie die gesamte Rechtsstaatlichkeit stark eingeschränkt. Die Schlagkraft der maoistischen Revolutionäre ist indes ungebrochen.

Regierung lehnt Dialog ab

In der parlamentarischen Opposition Nepals wird zunehmend der Ruf nach einer politischen Lösung laut. Frühere Gespräche waren gescheitert, weil die Maoisten keine Fortschritte erkennen konnten. Mittlerweile lehnt die Regierung neue Gespräche ab. Für Karl-Heinz Krämer ist ein Umdenken in den Köpfen der Politiker die wichtigste Voraussetzung für eine Annäherung der Konfliktparteien: "Einige wenige Familien hoher hinduistischer Kasten teilen die Macht im Staat unter sich auf. Diese ungleiche Beteiligung muss ein Ende haben. Zudem braucht die Verfassung einige Änderungen, weil darin die Benachteiligung bestimmter Bevölkerungsgruppen festgeschrieben ist."

Parlamentswahlen gefährdet

Möglicherweise bietet sich nach den Parlamentswahlen im November die Chance für einen neuerlichen Dialog. Da sich die Regierungspartei ebenfalls in zwei Gruppen gespalten hat, scheint ein demokratischer Machtwechsel möglich. Voraussichtlich würde die als sozialdemokratisch geltende CPN (UML) die Macht übernehmen. Fraglich bleibt jedoch, ob die Wahlen überhaupt durchgeführt werden können. Nach den jüngsten Anschlägen hält Nepal-Kenner Krämer dies für zweifelhaft: "Offensichtlich ist die Regierung nicht in der Lage, in ihrem Land für die nötige Sicherheit zu sorgen."