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Politik

Für die Rebellen in Ost-Ghuta wird es eng

6. März 2018

Im syrischen Ost-Ghuta steuern die Gegner von Präsident Assad auf die zweite Niederlage seit dem Fall der Metropole Aleppo zu. Moskau bietet den Kämpfern nun freies Geleit an. UN und EU finden klare Worte.

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Syrische Soldaten am Montag in der zuvor eroberten Stadt Nashabiyeh in Ost-Ghuta
Syrische Soldaten am Montag in der zuvor eroberten Stadt Nashabiyeh in Ost-GhutaBild: picture-alliance/Photoshot/A. Safarjalani
  • Deutliche Bodengewinne von Assad-Truppen in Ost-Ghuta
  • Türkei will in Syrien offenbar Flüchtlingslager errichten 
  • Brüssel: Belagerung von Ost-Ghuta könnte Kriegsverbrechen gleichkommen

Russland hat den überwiegend islamistischen Rebellen im syrischen Ost-Ghuta einen sicheren Abzug für sie selbst und ihre Familien angeboten. Das Verteidigungsministerium erklärte, es werde für ihren Transport durch einen sicheren Korridor sorgen, sollten sie das Angebot annehmen. Allen Rebellen, die aufgäben, garantiere Russland Immunität vor Strafverfolgung. Kämpfer, die mit ihren Familien abzögen, dürften ihre Waffen mitnehmen.

Ein Ziel wurde nicht genannt. Bei früheren Abkommen wurde den Rebellen die Flucht in andere, von Regierungsgegnern beherrschte Gebiete gestattet. Beobachter gehen davon aus, dass die Rebellen aus Ost-Ghuta in Gebiete nahe der türkischen Grenze im Norden Syriens ziehen dürfen. 

Flüchtlingslager für 170.000 Menschen

In Kreisen türkischer Diplomaten hieß es, es sollten Flüchtlingslager für 170.000 Menschen an neun Standorten in der Umgebung von Idlib im Nordwesten Syriens errichtet werden. Weitere Auffanglager seien weiter östlich im Norden Syriens geplant. Ob ein Zusammenhang mit dem Angebot Russlands besteht, blieb offen. Die Türkei hatte vor sechs Wochen eine Offensive gegen die kurdische Miliz YPG in der Region Afrin im Norden Syrien gestartet.

Zerstörungen in der Stadt Duma in Ost-Ghuta. Die syrische Armee steht inzwischen vor den Toren der Stadt
Zerstörungen in der Stadt Duma in Ost-Ghuta. Die syrische Armee steht inzwischen vor den Toren der StadtBild: picture-alliance/dpa/S.Bouidan

Russland setzt mit dem Angebot auf eine Taktik, die seit dem Kriegseintritt des russischen Militärs an der Seite Assads 2015 bereits mehrmals erfolgreich eingesetzt wurde. Zunächst werden Gebiete der Aufständischen eingekreist und aus der Luft bombardiert. Darauf folgen Bodenoffensiven, die die Rebellen zwingen, Angebote zur Aufgabe und freies Geleit anzunehmen. Nach diesem Schema war auch der Großraum Aleppo eingenommen worden, eines der wichtigsten Rebellengebiete.

Mehr als ein Drittel erobert

Den Truppen Assads und ihren Verbündeten ist es bislang gelungen, mehr als ein Drittel von Ost-Ghuta zu erobern. Zudem läuft die Rebellen-Enklave Gefahr, in zwei Teile gespalten zu werden. Die Rebellen warfen der Regierung in Moskau vor, die Bevölkerung aus dem Umland der Hauptstadt vertreiben zu wollen. "Moskau besteht auf einer militärischen Eskalation und will eine Vertreibung durchsetzen", sagte der Sprecher der Rebellengruppe Failak al-Rahman, Wael Alwan, der Nachrichtenagentur Reuters. Sollte das landwirtschaftlich geprägte Ost-Ghuta, in dem mehrere Ortschaften liegen, für die Rebellen verloren gehen, hätten sie auch keine Möglichkeiten mehr, Damaskus direkt anzugreifen.

UN verurteilen Abbruch der Hilfslieferungen 

Assad (l.) hat es unter anderem Russlands Präsident Wladimir Putin (M.) zu verdanken, dass sein Regime noch nicht gestürzt ist
Assad (l.) hat es unter anderem Russlands Präsident Wladimir Putin (M.) zu verdanken, dass sein Regime noch nicht gestürzt istBild: picture alliance/ dpa/TASS/M. Klimentyev

Die Vereinten Nationen (UN) verurteilten Angriffe der syrischen Regierung scharf , die zum Ende einer dringend benötigten Hilfslieferung im syrischen Ost-Ghuta führten. Die Gewalt offenbare einen "Mangel an Respekt für die Waffenruhe" und die Missachtung von Sicherheitsgarantien für den Konvoi, hieß es in einer Mitteilung des UN-Nothilfebüros Ocha. Am Montag war in der belagerten Region östlich der syrischen Hauptstadt Damaskus die erste Hilfslieferung seit der jüngsten Eskalation der Gewalt angekommen. Die Entladung der Lastwagen musste allerdings "wegen eskalierender Gewalt und Unsicherheit" abgebrochen werden, teilte Ocha weiter mit.

Bei neuen Luftangriffen auf die Rebellen-Enklave starben nach Angaben von Aktivisten mindestens neun Zivilisten. Die syrische Luftwaffe habe in der Nacht zum Dienstag Angriffe auf die Ortschaften Sakba und Hamurije geflogen, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Am Morgen habe sie dann Dschisrin bombardiert, wobei neun Zivilisten getötet und rund 40 weitere verletzt worden seien. 

Belagerung komme Kriegsverbrechen gleich

Eine einjährige Belagerung, um die Bevölkerung auszuhungern, sowie der willkürliche Beschuss der Zivilbevölkerung könnten Kriegsverbrechen gleichkommen, hieß es in einer Mitteilung der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini sowie des EU-Kommissars für humanitäre Hilfe und Krisenschutz, Christos Stylianides. Die bloße Anwesenheit radikaler Rebellen könne den andauernden Beschuss und die Bombardierung der Zivilbevölkerung sowie medizinischer Einrichtungen nicht rechtfertigen, sagten Mogherini und Stylianides. "Die Verantwortlichen werden für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden", schrieben sie.

Nach Angaben der oppositionsnahen Organisation waren am Montag in Ost-Ghuta mindestens 86 Zivilisten getötet worden. Am Montagabend klagten nach Luftangriffen demnach zudem fast 18 Menschen über Atembeschwerden. Aktivisten beschuldigen die syrische Regierung immer wieder, im Kampf gegen Rebellen Giftgas einzusetzen, darunter Chlorgas. Nach Angaben der Beobachtungsstelle sind seit dem 18. Februar durch Luftangriffe 780 Menschen getötet worden. Die Organisation bezieht ihre Informationen von Aktivisten vor Ort; für Medien sind die Angaben kaum zu überprüfen.

Ein syrischer Soldat steht Wache in der Stadt Nashabiyeh in Ost-Ghuta
Ein syrischer Soldat steht Wache in der Stadt Nashabiyeh in Ost-GhutaBild: picture-alliance/dpa/A.Safarjalani

In Ost-Ghuta leben knapp 400.000 Menschen seit 2013 unter Belagerung. Die humanitäre Lage ist katastrophal, es fehlt an Lebensmitteln und Medikamenten, viele Kinder sind stark unterernährt. 

stu/sti (afp, dpa, rtr)