1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Günter Wallraff: Hessens Einbürgerungsleitfaden ist eine "Demütigung von Menschen"

16. März 2006

Schriftsteller im Interview von DW-RADIO

https://p.dw.com/p/87ZB
"Abschreckung von Menschen, die schon lange hier leben und sich dazugehörig fühlen": Günter WallraffBild: dpa

Der Schriftsteller Günter Wallraff hat im türkischen Programm von DW-RADIO den neuen Einbürgerungsleitfaden Hessens kritisiert und vor einer Abgrenzung Deutschlands gewarnt. Wallraff sprach von einer "Demütigung von Menschen, die sich in Deutschland längst eingebracht, zum Teil die besten Jahre ihres Lebens für dieses Land auf dem Buckel ausgetragen und oft gesundheitsschädigende Arbeit gemacht haben". Der von gehe "an der Realität vorbei und reflektiere einen gewissen herrenmenschlichen Standpunkt".

Der Autor des vor 20 Jahren erschienenen Buches "Ganz Unten", mit dem Wallraff seine als verkleideter Türke "Ali" gesammelten Erfahrungen veröffentlichte, bezeichnete den Leitfaden als eine "Abschreckung von Menschen, die schon lange hier leben und sich dazugehörig fühlen: Diese Menschen werden sich überlegen, "ob sie am Ende nicht doch lieber in die Heimatländer zurückkehren." Wallraff weiter: "Würde dieser Fragenkatalog zum Maßstab genommen und in Deutschland in die Dörfer getragen, die deutsche Bevölkerung würde dem absolut nicht gerecht werden und ganze Landstriche müssten ausgebürgert werden." Es sei keine Bildungslücke, wenn jemand "das Wunder von Bern" nicht kenne oder nicht wisse, welche Olympischen Sommerspiele wann und wo stattgefunden hätten: "Was fehlt, ist soziales Gewissen und Menschlichkeit, aber so etwas haben die Herren, die sich so etwas ausdenken, in ihrem Bürokratengedöns längst hinter sich gelassen. Die, die das zu verantworten haben, haben den globalen Maßstab längst aus den Augen verloren und leben selbst in einer Scheinwelt und in einer Parallelgesellschaft."

16. März 2006
105/06