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Weltwirtschaftsgipfel

24. Juni 2010

Auf dem G20-Gipfel in Toronto geht es weniger um die Reform der Finanzmärkte, sondern um die Frage, wie stabiles und ausbalanciertes Wachstum gesichert werden kann.

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Logo des G20-Gipfels in Toronto
Logo des G20-Gipfels in Toronto

"Recovery and New Beginnings" - Aufschwung und Neuanfang: Das steht über dem G20-Gipfel am 26./27. Juni 2010 in der kanadischen Metropole Toronto. Auf dem mittlerweile vierten Treffen dieser Gruppe der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer seit Ausbruch der Weltfinanzkrise soll es zudem eine Bestandsaufnahme der bislang eingeleiteten Reformen geben. Unmittelbar zuvor treffen sich die acht führenden Industrienationen (G8) separat in einem Luxus-Ressort in Huntsville in der Provinz Ontario. Die Positionen liegen zum Teil weit auseinander; Streit droht vor allem zwischen Deutschland und den USA: Während die deutsche Kanzlerin ihren eisernen Sparkurs verteidigen will, setzt der US-Präsident auf neue staatliche Konjunkturprogramme. Die Bankenbranche indes kann dem Treiben eher gelassen zusehen.

Von Demut keine Spur

Symbolbild Rettungsring und Bankviertel in frankfurt (Montage: DW)
So manche Bank würde es ohne den staatlichen Rettungsring nicht mehr gebenBild: picture-alliance/ dpa/ DW-Fotomontage

Geht es zum Beispiel nach Josef Ackermann, dem Chef der Deutschen Bank, dann könnte man die Treffen in Kanada auch ausfallen lassen. Denn eigentlich ist doch die Bankenwelt wieder in Ordnung. Von einem "business as usual", das seiner Branche vorgeworfen wird, könne keine Rede sein. Man habe vieles gemacht in den vergangenen Monaten: Bilanzsummen reduziert, Eigenkapital gestärkt, Risikovorsorge getroffen, die Vergütungsstrukturen geändert: "Also: Diese Kritik stimmt einfach nicht", so Deutschlands mächtigster Bankmanager unlängst in einer Talk-Show. Und deswegen sperrt sich Ackermann, der zugleich auch Chef des Internationalen Bankenverbandes ist, gegen zuviel Regulierung. Denn schließlich müsse man den Banken genügend Luft zum Atmen lassen, damit sie ihrer wichtigsten Aufgabe nachkommen könnten: Die Wirtschaft mit Geld zu versorgen.

Mehr Regulierung muss sein

Familienfoto nach dem G20-Gipfel in Pittsburgh, September 2009 (Foto: AP)
Schon beim G20-Gipfel in Pittsburgh gab es StreitBild: AP

Etwas anders sieht das freilich die deutsche Regierungschefin Angela Merkel. Die Kanzlerin ist unzufrieden mit der bisherigen Umsetzung der G20-Beschlüsse. Was seit den ersten G20-Treffen geschafft wurde, reiche noch lange nicht aus: "Die Regulierung muss forciert vorangetrieben werden." Denn - so hatten es die G20 bei ihrem ersten Treffen im November 2008 beschlossen: Kein Finanzmarktprodukt, kein Finanzplatz und kein Finanzakteur solle mehr ohne Regulierung im Markt tätig sein. Doch - und das könnte die Erfolgsaussichten des Gipfels nachhaltig schmälern - womöglich wird man gar nicht so sehr über Finanzmarktreformen sprechen.

Schulden abbauen oder Schulden machen?

US-Präsident Barak Obama an einem Rednerpult mit der Aufschrift "making america work (Foto: AP)
Sieht sich zuerst als Retter der US-Wirtschaft: Präsident Barak ObamaBild: AP

Denn US-Präsident Barak Obama will vor allem für neue staatliche Konjunkturprogramme werben - und nicht über den Abbau des riesigen Schuldenberges reden, der infolge der Krisenbekämpfung angehäuft wurde. Sein Finanzminister Timothy Geithner sagte kürzlich in Berlin, man werde sehr sorgfältig sein, um die richtige Balance zu finden: "Einerseits zwischen einem stabileren, widerstandsfähigeren Finanzsystem - das aber andererseits genügend Raum lässt für Innovationen." Doch nicht nur die deutsche Politik des Sparens ist den Amerikanern ein Dorn im Auge, auch die Exportüberschüsse der deutschen Volkswirtschaft. Dies schwäche die allgemeine Erholung der Weltwirtschaft - so der Vorwurf. Besser sei es, mehr Geld für die Stimulierung des Binnenkonsums aufzubringen. Sprich: Gebt den Leuten mehr Geld, damit sie mehr einkaufen. Dieser Streit über die richtige Strategie droht den Gipfel zu überschatten.

Noch viel zu tun

Blick auf die Skyline von Toronto
Toronto - Gastgeber des G20-GipfelsBild: picture-alliance / dpa

Dabei gibt es in Sachen Finanzmarktreform noch reichlich zu tun. Thomas Mirow, Chef der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) verweist auf die komplexe Materie, die es zu bewältigen gelte. Es müssten ganz konkrete Regeln und Mechanismen gefunden werden. "Das ist leider nicht ganz einfach zu kommunizieren mit der Öffentlichkeit und das ist das Stadium, in dem wir sind. Ich hoffe dennoch, dass man zu schlüssigen Ergebnissen kommen wird."

Beispielsweise bei der Regulierung hochspekulativer Hedgefonds, wo die Europäer jetzt einen ersten Vorschlag auf den Tisch gelegt haben. Experten sehen das Vorpreschen der Europäer in Sachen Regulierung oder auch das einseitige deutsche Verbot bestimmter Spekulationsgeschäfte kritisch. Das ginge leider alles nicht in die richtige Richtung, sagt zum Beispiel Michael Heise, Chefvolkswirt des größten deutschen Versicherungskonzerns Allianz: "Wenn wir in dieser Krise nicht bald handeln, dann wird sich das Fenster schließen, wo man durchgreifende Reformen machen kann."

Viele Themen also, die in Kanada auf der Agenda stehen. Allzu viel Zeit haben die Staatenlenker nicht: Insgesamt 18 Stunden sind für die Treffen in Huntsville und in Toronto vorgesehen. Dafür sind die Kosten des Doppelgipfels immens: Gerechnet wird mit umgerechnet fast 900 Millionen Euro.

Autor: Henrik Böhme

Redaktion: Rolf Wenkel