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Kommt ein Untersuchungsausschuss zum G36?

Nina Werkhäuser8. Mai 2015

In der Affäre um das Sturmgewehr G36 spricht sich auch die SPD für einen Untersuchungsausschuss aus. Das Verteidigungsministerium kündigte unterdessen personelle Konsequenzen an.

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Das Sturmgewehr G36 von Heckler & Koch, Foto: dpa
Bild: picture-alliance/dpa/Arno Burgi

Nachdem die Affäre um das Sturmgewehr G36 immer weitere Kreise zieht, rückt ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss in greifbare Nähe. Der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold machte deutlich, dass seine Fraktion einen entsprechenden Antrag der Grünen unterstützen würde. Die Grünen halten einen Untersuchungsausschuss für das richtige Gremium, um den "Filz zwischen Verteidigungsministerium und Rüstungsindustrie" im Fall G36 auszuleuchten. Die Linke wäre ebenfalls mit im Boot.

"Versuchter Angriff auf die Pressefreiheit"

Der Untersuchungsausschuss soll klären, warum ein Abteilungsleiter im Verteidigungsministerium im Jahr 2013 den Versuch unternahm, kritische Medien-Berichterstattung über das G36 mithilfe des militärischen Abschirmdienstes MAD zu verhindern - und zwar angeblich auf Initiative des Herstellers Heckler & Koch. Zwar scheiterte der Plan am Widerstand des MAD-Chefs. Aber schon das Bekanntwerden des Versuchs löste bei den Verteidigungspolitikern im Bundestag Entsetzen aus. "Das ist ein versuchter Angriff auf die Pressefreiheit", empört sich die Grünen-Politikerin Agnieszka Brugger. "Ich finde, das ist ein Unding und nicht zu tolerieren in unserer Demokratie." Heckler & Koch weist die Vorwürfe zurück. Die Firma habe "keine gemeinsame Operation mit dem Bundesministerium der Verteidigung initiiert, mit der eine Berichterstattung über das Sturmgewehr G36 unterbunden werden sollte", heißt es auf ihrer Homepage.

"Ein sehr befremdlicher Vorgang"

Akten belegen aber, dass ein ehemaliger Abteilungsleiter im Verteidigungsministerium dieses Vorgehen befürwortet hat. Wenn führende Beamte den MAD rechtswidrig zu einer solchen Handlung aufforderten, sagte der Sozialdemokrat Rainer Arnold im ARD-Hörfunk, dann "herrsche dort ein Geist, der nicht zu akzeptieren ist".

Ministerin Ursula von der Leyen, die den Vorgang selbst als "sehr befremdlich" bezeichnet, hatte den betreffenden Abteilungsleiter bereits Anfang 2014 seines Postens enthoben, als sie die Rüstungssparte in ihrem Haus neu ordnete. Der 59-Jährige ist derzeit Geschäftsführer des Fuhrparks der Bundeswehr. Diese Tätigkeit soll er nun auch aufgeben müssen. Die notwendigen Schritte gegen den Mann sind laut Verteidigungsministerium eingeleitet. Dass weitere Entlassungen oder Versetzungen anstehen, machte von der Leyens Sprecher Jens Flosdorff auf der Regierungspressekonferenz klar. Es werde "sicher personelle Konsequenzen geben", betonte er.

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen studiert Akten während eines Flugs, Foto: dpa
Hat von diesem Vorgang nach eigenem Bekunden nichts gewusst: Verteidigungsministerin Ursula von der LeyenBild: picture alliance/dpa

Untersuchungen allerorten

Auch das Ministerium will den Vorgang nun ganz genau unter die Lupe nehmen. "Dazu gehört auch die Frage, wie die Informationen über diese Vorkommnisse in meinem Büro gehandhabt wurden", sagte von der Leyen. Eine "Prüfgruppe" soll die beteiligten Personen befragen und alle Unterlagen sichten. "Wir wollen wissen, was in unserem Bereich schiefgelaufen ist", erklärte der Ministeriumssprecher. Gerade in der Rüstungssparte kämpft die Ministerin seit ihrem Amtsantritt um mehr Transparenz im eigenen Haus. Sie will über Fehlentwicklungen und die damit verbundenen "Fußangeln" rechtzeitig in Kenntnis gesetzt werden. Über den Aktenvermerk, um den es jetzt geht, sei die Ministerin seinerzeit nicht informiert worden, räumte ihr Sprecher Flosdorff ein. Das sei "keine Entschuldigung, sondern eine faule Ausrede", kommentierte die Grüne Agnieszka Brugger.

G36 nicht treffgenau?

In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Berichte über Probleme mit der Treffgenauigkeit des Sturmgewehrs G36, von dem die Bundeswehr etwa 167.000 Stück besitzt. Die Mängel traten vor allem im heißgeschossenen Zustand auf. Ministerin von der Leyen ließ das Gewehr, das seit Ende der 1990er Jahre das Standard-Sturmgewehr der Streitkräfte ist, daraufhin einer genauen Prüfung unterziehen.

Im April erklärte sie, das G36 habe in seiner derzeitigen Form "keine Zukunft" in der Bundeswehr. Außerdem setzte sie zwei Kommissionen ein, die die Probleme untersuchen sollen: Die eine Kommission befasst sich mit den Mängeln, die im Gefecht auftraten und durch die möglicherweise Soldaten zu Schaden kamen. Die andere kümmert sich um die organisatorischen Defizite im Ministerium. Beide Kommissionen werden von externen Sachverständigen geleitetet.

Ob der Nachfolger des jetzigen Sturmgewehrs eine modifizierte Variante aus dem Hause Heckler & Koch sein oder von einem anderen Hersteller kommen wird, ist noch offen. Das Verteidigungsministerium deutete an, dass der aktuelle Skandal die Chancen von Heckler & Koch bei der Vergabe eines neuen Auftrags nicht verbessere. Andererseits könne das G36 nur Schritt für Schritt ersetzt werden, da es ein neues Standardgewehr für die Bundeswehr nun mal nicht "an der nächsten Ecke" zu kaufen gebe.