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Was leistet die G8?

Richard A. Fuchs24. Mai 2007

Auf G8-Gipfeln werden große Pläne geschmiedet - für stabile Finanzmärkte, eine Eindämmung von AIDS und im Kampf gegen den Klimawandel. Und das zum Teil sogar sehr erfolgreich.

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G8-Konferenztisch
An Tischen wie diesem in Gleneagles wird große Politik gemacht. Aber kann man hier auch helfen?Bild: AP

Für Michael Gorbatschow war es klar, an wen er schreiben würde. Im Juli 1989 verfasste der letzte Präsident der Sowjetunion einen Brief, in dem er die Heranführung seines Landes an die Weltwirtschaft ankündigte – nicht den Vereinten Nationen, nicht der Weltbank, sondern den Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industrienationen G7, die gerade auf ihrem Gipfel in Paris zusammentrafen. Dort schnürte man sofort Milliarden Dollar schwere Finanzpakete und versprach, dass auch Russland Mitglied im Klub werden könne. Der erstaunlich friedliche Weg Russlands zu freier Marktwirtschaft und mehr Demokratie lässt sich durch den G7-Beitrag sicherlich nicht ganz erklären - ohne ihn allerdings auch nicht.

Globaler Ideengeber

Schulkinder in Tansania Afrika
Seit Jahren oben auf der G8 Agenda: Hoffnung für Afrika durch EntschuldungBild: AP

Rund 18 Jahre später sitzt Russland unter Präsident Wladimir Putin als selbstbewusster Partner am Tisch der G8 - auch vom 6. bis 8. Juni in Heiligendamm. Auf der Agenda steht aber nicht mehr Russlands Transformation, sondern es sind die akuten Probleme des Welthandels, Fragen globaler Energiesicherheit und des Klimawandels, der Kampf gegen AIDS und die Entschuldung der ärmsten Länder der Welt. Die G8 soll nach dem Wunsch von Bush, Merkel, Blair und Co. ein Ideengeber der Weltgemeinschaft sein; ein kleiner Kreis Vertrauter, der die internationalen Organisationen anschiebt und Projekte zum Laufen bringt. Umsetzen könnten das Ganze dann auch die Weltbank, der Internationale Währungsfonds oder die Vereinten Nationen, so formulieren es Diplomaten der G8-Staaten immer wieder.

Kritikern ist das zu wenig. Schließlich säßen, so die Argumentation, Vertreter von rund zwei Drittel des Weltsozialprodukts im Kreis - da müssten mehr als nur vage Absichtserklärungen zu Stande kommen. Dabei ist die Bilanz der G7/G8 in ihrer 32-jährigen Geschichte gar nicht so schlecht wie ihr ramponierter Ruf.

Kyoto könnte Houston sein

Klima
Die globale Erderwärmung -seit 1988 ein Thema für G7-InitiativenBild: AP

So könnte etwa das Kyoto-Protokoll heute auch Houston-Protokoll heißen. Zwar wurde die Konvention der Vereinten Nationen zur weltweiten Begrenzung des Treibhausgasausstoßes 1997 tatsächlich im japanischen Kyoto unterzeichnet. Doch die entscheidenden politischen Weichen wurden bereits Jahre zuvor an einem anderen Ort gestellt – beim G7-Gipfel 1990 in Houston, Texas. Dort wurde vereinbart: die G7-Mitglieder prangern den Klimasünder Nummer Eins – USA – nicht weiter öffentlich an, und im Gegenzug verspricht US-Präsident George Bush Senior, am Erdgipfel 1992 im brasilianischen Rio de Janeiro teilzunehmen. In Rio wurde dann der Grundstein für den späteren Kyoto-Prozess gelegt. Für John Kirton von der G8-Forschungsgruppe der Universität Toronto ein großer Erfolg, der ohne die amerikanische Anwesenheit nicht möglich gewesen wäre. Und das gilt auch, obwohl bereits seit 1979 im informellen Klub der Staats- und Regierungschefs über Treibhausgas-Reduzierung gestritten wird. "Manchmal dauert es ziemlich lange", sagt Kirton, "aber der eingeschlagene Weg war bisher immer der Richtige."

Geldtopf gegen Weltkrankheiten

Mücke
Der Kampf gegen den Malaria-Erreger - die G8 hat dafür den Globalen GesundheitsfondsBild: dpa

Auch bei der Bekämpfung ansteckender Krankheiten wurde durch die unzähligen Papierberge des Klubs letztlich doch noch etwas bewegt. 2002 wurde ein globaler Gesundheitsfonds eingerichtet, in dem rund 1,4 Milliarden US-Dollar zur Bekämpfung von Malaria, AIDS und Tuberkulose bereitgestellt wurden. Rund 900 Millionen seien davon schon in afrikanische Projekte investiert worden, sagt Richard Feachem, Direktor des Fonds. Zusätzliches Geld soll jetzt noch aus der Privatwirtschaft in den G8-Fonds fließen – ein ganz neues Finanzierungs-Modell. Kritiker wie die Organisation Ärzte ohne Grenzen bezeichnen den Fonds zwar als "nutzloses Alibi" und fordern stattdessen eine Lockerung der westlichen Medikamenten-Patente. Der G8-Forscher Kirton gibt aber zu Bedenken: trotz vieler Unzulänglichkeiten sei die G8-Gruppe mit Abstand immer noch "der größte Spendensammler unserer Zeit". Und das funktioniert nur, weil im kleinen Rahmen der acht Staats- und Regierungschefs ein echtes Vertrauensverhältnis hergestellt werden kann. "Den großen internationalen Organisationen trauen einige G8-Miglieder dagegen nicht mehr", sagt Kirton. "Und das heißt auch, dass sie dort das Geld des Steuerzahlers nicht mehr ausgeben wollen."

Lückenbüßer im Institutionen-Loch

DAX - Deutscher Aktienindex, Börse in Frankfurt am Main
Stabile und transparente Weltfinanzmärkte - ein Kernanliegen der G8Bild: AP

Manchmal geht es aber gar nicht um Geld. Es gibt Felder, für die ist die G8 das einzige Forum, das sich weltweiter Probleme annimmt. "Eines der Schlüsselthemen für Schwellenländer wie China und Indien sind private Investitionen, transparente Märkte und stabile Wechselkurse", sagt Kirton. "Eine Weltorganisation, die sich dafür zuständig fühlt, gibt es aber nicht." Dieser Zustand ist indes nicht neu. Auch 1975, als Frankreich und Deutschland zum ersten Mal zum "Kaffeekränzchen der Weltwirtschaft" luden, waren die Weltfinanzmärkte weder transparent noch stabil - sie hatten gerade den ersten Ölpreisschock von 1973 und dann den Zusammenbruch des an den Dollar gekoppelten Weltwährungssystems von Bretton Woods hinter sich. Es hätte genügend gute Gründe gegeben, an den Weltfinanzmärkten radikale Reformen durchzuführen. Darauf konnte man sich aber in der Weltgemeinschaft nicht einigen und so blieb nur die zweitbeste Lösung – informelle Absprachen durch den Klub der führenden Industrienationen.

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Plagiat oder Orginal - der Kampf gegen Produktpiraten ist neu auf der G8-AgendaBild: AP

Diese funktionieren bis heute – aber so richtig zufrieden ist kaum jemand. Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel macht klar, dass sie von der G8 noch einige Anstrengungen für stabile Finanzmärkte erwartet: "Lassen sie es mich ganz deutlich sagen: da ist noch eine Menge Spielraum für Verbesserungen." Beim kommenden G8-Gipfel hat die deutsche Präsidentschaft deshalb schon einmal die Losung ausgegeben, sich wieder ganz aufs Wesentliche konzentrieren zu wollen.