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Gabriel muss sich verteidigen

19. Dezember 2015

Der SPD-Vorsitzende sieht sich schon zu Klarstellungen genötigt: Einen vorzeitigen Rückzug schließe er aus, so Gabriel. Nach dem Parteitag ist seine Autorität angeschlagen. Auch seine Syrien-Vorschläge sorgen für Unmut.

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SPD-Chef Sigmar Gabriel (foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/H. Schmidt

Der Bundesparteitag in Berlin war für ihn ernüchternd, Beobachter sehen den SPD-Chef an einem Tiefpunkt seiner sechsjährigen Amtszeit: Sigmar Gabriel bekräftigt jedoch seine Ambitionen, die Sozialdemokratie in bessere Zeiten zu führen. Trotz des miserablen Wahlergebnisses von nur 74,3 Prozent beim Parteikongress in der vergangenen Woche will er seine Partei in den Bundestagswahlkampf führen. "Ich bin für zwei Jahre wiedergewählt worden", sagte Gabriel dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Und: "Dabei bleibt es."

Der vor allem von der Parteilinken kritisierte Vorsitzende wiederholte, dass er an seinem Kurs der Mitte festhalten wolle. "Die SPD muss immer auch Politik für Minderheiten machen", sagte Gabriel. "Aber wer gewinnen will, muss die Mehrheit ansprechen." Wenn die SPD geschlossen auftrete, seien "bis zu 30 Prozent 2017 durchaus drin" und damit "alle möglichen Koalitionen denkbar".

Renommierte SPD-Politiker sahen sich veranlasst, Gabriel als möglichen Kanzlerkandidaten gegen Amtsinhaberin Angela Merkel im Spiel zu halten. So machten sich unter anderem Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Ex-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück für Gabriel stark.

Ob die bei etwa 25 Prozent vor sich hindümpelnden Sozialdemokraten jemals eine Mehrheit für einen Regierungswechsel zustande bekommen, wird auch im eigenen Lager bezweifelt. Angesichts der Serie von Krisen halten viele ohnehin die Fortsetzung einer großen Koalition mit der Union für angesagt.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig brachte als künftige Machtoption für die SPD eine rot-grüne Minderheitsregierung ins Gespräch. "2017 wird das in Deutschland sicher kein Thema sein, aber mittelfristig sollten wir offener werden für solche Überlegungen", sagte Albig der Tageszeitung "Die Welt". Als Beispiel nannte der SPD-Politiker das "dänische Modell", in dem "keine in Stein gemeißelten Koalitionsverträge" gemacht würden, sondern um das jeweilige Projekt gerungen werde.

Seine Wiederwahl war für Sigmar Gabriel ein Fiasko (foto: dpa)
Seine Wiederwahl wurde für Sigmar Gabriel zum FiaskoBild: picture-alliance/dpa/B. v. Jutrczenka

Neben dem desaströsen Abschneiden beim Parteitag macht Gabriel auch sein Vorschlag zu schaffen, im Falle einer Ausweitung des Syrien-Einsatzes alle Genossen entscheiden zum lassen. "Da bin ich der festen Überzeugung: Bei Fragen von Krieg und Frieden müssen das die Mitglieder der SPD entscheiden", verteidigte er sich in Berlin. Der Wirbel um seine Äußerung vor einer Woche sei ein Sturm im Wasserglas. Eine Positionierung für die Koalition und den Koalitionsausschuss zu einem solchen Thema könnten nicht Gremien fällen, sondern müsse die Basis herbeiführen.

Murren in der Fraktion

In der SPD-Bundestagsfraktion sah man das ganz anders: Allein die Abgeordneten hätten zu entscheiden, wenn es um ein geändertes Mandat für den Syrien-Einsatz oder etwa eine Beteiligung an Kampfhandlungen gehe. Und die Abgeordneten seien schließlich ihrem Gewissen verantwortlich und nicht einem Mitgliedervotum. Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht musste Gabriel zur Seite springen. Bei einer solchen Befragung handele es sich nur um ein Stimmungsbild, was aber "hilfreich für die Abgeordneten" sein könne.

Führende Vertreter der Parteilinken verlangen von Gabriel, der auch Bundeswirtschaftsminister ist, nicht nur eine konsequentere Haltung im Streit um das Freihandelsabkommen TTIP und gegen Waffenexporte. Sie drängen auch auf Korrekturen in der Finanzpolitik. "Eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 49 Prozent ist für mich nicht vom Tisch", sagte der Bremer Bürgermeister Carsten Sieling. Auch der Vizechef der SPD-Bundestagsfraktion, Axel Schäfer, sagte: "Wenn es um das Regierungsprogramm geht, kann der Spitzensteuersatz kein Tabu sein."

SC/ml (afp, dpa, ARD)