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Politik

Gabriel: Türkei entfernt sich von Europa

27. August 2017

Trotz regelmäßiger anmaßender Äußerungen aus Ankara will Außenminister Sigmar Gabriel die Türkei nicht fallen lassen. So warnt er davor, die EU-Beitrittsverhandlungen mit dem autokratisch geführten Land, abzubrechen.

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Deutschland Außenminister Sigmar Gabriel
Bild: Reuters/H. Hanschke

Darauf warte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan nur, sagte der SPD-Politiker. "Darauf wartet er, weil er dann sagen kann: Guckt mal, so sind die, die wollen uns nicht. Dann hätte er den schlagenden Beweis für seine Idee, dass sich Europa von der Türkei abwendet", so Gabriel.

Erdogan warte jeden Tag auf eine Provokation, sagte der Außenminister. "Er hat so viele Widersprüche im eigenen Land, dass er einen äußeren Feind braucht." Er selbst wolle aber nicht zulassen, "dass Erdogan seinen innenpolitischen Kampf in Deutschland austrägt und die Leute gegeneinander aufhetzt".

Aufwiegler Erdogan

Erdogan hatte die türkischstämmigen Wähler in Deutschland aufgefordert, bei der Bundestagswahl im September ihre Stimme weder CDU, CSU, SPD noch Grünen zu geben.

Erdogan setze auf ein Gefühl, das es bei Türken leider, aber zu Recht gebe: "Es gibt ja unter vielen Türkinnen und Türken auch so etwas wie enttäuschte Liebe zu Deutschland und zu Europa." Das sei zum Beispiel nach 50 Jahren erfolglosen Beitrittsverhandlungen zu verstehen. "Auf diesen Enttäuschungen baut Erdogan seine Propaganda auf."

Bereit für die Zeit nach Erdogan

Gabriel wies auf die reichhaltige gemeinsame Vergangenheit der Türkei und Deutschlands hin. Der deutsch-türkische Schatz sei "verdammt groß". "Und was wir machen, ist auch keine Politik gegen die Türkei. Sondern wir haben ein Problem mit dieser Regierung und ihren Auswirkungen." Gabriel machte deutlich, dass er auf die Zeit nach Erdogan setzt. Dieser mache derzeit viele seiner Landsleute wie Intellektuelle, Journalisten und Wissenschaftler heimatlos. Diesen müsse Deutschland Angebote machen und mit ihnen zusammenarbeiten. "Ich will, dass wir denen zeigen: Wir sind nicht gegen Türken und gegen die Türkei, im Gegenteil. Wir setzen auf eine Zeit, wo dieser große Schatz der Gemeinsamkeiten wieder wirken kann."

Wäre gerne Sultan: Präsident Erdogan
Wäre gerne Sultan: Präsident ErdoganBild: Reuters/U. Bektas

Der türkischen Führung warf Gabriel vor, sich von Europa und den europäischen Grundwerten zu entfernen. "Sie versucht aber, den Eindruck zu ermitteln, wir entfernten uns von der Türkei - was aber nicht stimmt", so der Außenamtschef.

Bericht über weiteren Häftling in der Türkei

Wie nun bekannt wurde, sitzt in der Türkei ein weiterer Deutscher in Haft. Bereits im April sei der aus Schwerin stammende deutsche Pilger David B. in der Türkei festgenommen worden, berichtete die "Bild am Sonntag" unter Berufung auf Diplomatenkreise. Der 55-Jährige sitze in einem berüchtigten Abschiebelager im osttürkischen Erzurum ein. 

Aus dem Auswärtigen Amt in Berlin hieß es dazu, der Fall sei dem Ministerium bekannt. Der Mann werde konsularisch betreut und sein Fall sei auf hochrangiger Ebene gegenüber der Türkei thematisiert worden. Nähere Angaben zu dem Festgenommenen und den Vorwürfen gegen ihn wollte das Auswärtige Amt nicht machen.

Auf dem Weg nach Jerusalem

B. war dem Bericht zufolge Ende vergangenen Jahres aus Mecklenburg-Vorpommern zu einer Pilgerreise nach Jerusalem aufgebrochen. Er habe auf Minderheiten und Verfolgte aufmerksam machen wollen, schrieb die "BamS" unter Berufung auf Freunde des Mannes. Nach einer Station über Weihnachten im polnischen Auschwitz sei B. in die Türkei weitergereist. In Istanbul habe er bei einer kurdischen Familie übernachtet, später sei B. durch den Süden der Türkei gepilgert.

In der Türkei sind mehrere Deutsche inhaftiert, für deren Festnahme politische Gründe vermutet werden. In Istanbul sitzt seit Februar der "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel im Gefängnis. Ende April und Anfang Juli wurden zudem die deutsche Übersetzerin Mesale Tolu und der deutsche Menschenrechtler Peter Steudtner festgenommen. Bundesaußenminister Gabriel hatte kürzlich dem türkischen Präsidenten Erdogan vorgeworfen, die Deutschen als "Geiseln" festzuhalten, um Druck auf Berlin zu machen.

cgn/as (dpa, rtr)