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Gabriel sieht Wende in der Klimapolitik

30. April 2009

Am Klimagipfel in Washington nahmen Vertreter von 17 Ländern teil, die für drei Viertel der CO2-Emmission verantwortlich sind. DW-WORLD.DE sprach mit Bundesumweltminister Sigmar Gabriel.

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Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (Foto: AP)
Erfreut über den Wandel in den USA: Umweltminister Sigmar GabrielBild: AP

DW-WORLD.DE: Herr Minister, wie bewerten Sie die Position der neuen US-Regierung zur Klimapolitik. Ist das die lang erhoffte Wende?

Sigmar Gabriel: Es ist mit Sicherheit eine Wende, weil wir zum ersten Mal seit langer Zeit eine amerikanische Regierung haben, die sagt: Ja, wir akzeptieren die Ergebnisse der Wissenschaft und der Forschung, dass wir einen Klimawandel haben. Und dass der vom Menschen verursacht ist und dass er sehr gefährlich wird für unseren Planeten. Wir wollen Ende des Jahres 2009 in Kopenhagen einen internationalen Klimaschutzvertrag unterzeichnen. Dabei werden auch die Vereinigten Staaten eigene Beiträge zum Klimaschutz leisten. Das ist eine 180 Grad-Wende zu dem, was wir vorher hatten.

Umweltschutz in Zeiten der Wirtschaftskrise

Das Thema Umweltschutz steht ja jetzt auch angesichts der globalen Finanzkrise nicht mehr ganz so hoch auf der Tagesordnung. Inwieweit ist es da hilfreich, dass die USA jetzt auch mit im Boot sind?

Gabriel: Ich muss ganz offen sagen, dass ich eher einen gegenteiligen Eindruck habe. Ich höre das oft von Journalisten, dass sie sagen, nun ist Klimaschutz hinten angestellt. Was wir erleben, ist das Gegenteil. Viele Regierungen, auch die deutsche, auch die amerikanische, sagen: Wenn wir jetzt Milliarden in die Wirtschaft pumpen, dann doch bitte eher dafür, dass wir sie modernisieren. Das heißt, dass wir sie effizienter machen, den Energieverbrauch senken, dass wir mehr in erneuerbare Energien investieren. Das tun wir in Deutschland, das tun auch die Amerikaner, das wollen die Inder und die Chinesen. Nehmen wir die Investitionen in Energieeffizienz: Die haben einerseits den Effekt, dass wir Energierechnungen einsparen, zweitens schaffen wir Jobs - alleine Deutschland hat im Bereich erneuerbarer Energien 280.000 neue Arbeitsplätze geschaffen in den letzten Jahren. Drittens helfen wir dem Klima. Ich glaube, die Kombination ist wichtig. Arbeit und Umwelt müssen zusammen passen und zusammen gehören.

Klärungsbedarf zwischen Reich und Arm

Wie sehen Sie derzeit das Verhältnis zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern?

Gabriel: Die Entwicklungsländer kritisieren, dass die Industrienationen - damit meinen sie nicht Europa und nicht Deutschland, sondern damit meinen sie Japan, Russland, Australien und auch die USA und Kanada - dass diese Nationen aus ihrer Sicht zu wenig tun, um den Klimawandel zu stoppen. Es muss schon eine faire Lastenteilung sein. Und wie das genau aussehen wird, das ist ein schwieriger Prozess, aber den müssen wir bis Dezember abgeschlossen haben.

Haben Sie, was diese Einschätzung angeht, Verbündete an ihrer Seite?

Gabriel: Europa ist sich sehr einig in der Frage. Wir haben große Unterstützung zum Beispiel in Südafrika, in Brasilien, in Mexiko. Das sind Staaten, die sich auf den Sprung machen, ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Mit den Schwellenländern teilen wir nicht alle Dinge, wir glauben, dass diese Länder auch selber mehr tun müssen. Aber gerade in der Frage der finanziellen Hilfen, des Technologietransfers, dessen, was die Entwicklungsländer selbst machen müssen, da sind wir uns weitgehend einig.

US-Außenministerin Hillary Clinton auf dem Klimagipfel (Foto: AP)
Hillary Clinton hofft auf Führungsrolle der USA im UmweltschutzBild: AP

Herr Gabriel, noch ein mal zurück zum Engagement der Amerikaner: Die US-Regierung will ja jetzt in der Klimapolitik, auch in der Klimatechnologie, die Führung übernehmen. Ist das eine gute oder eine schlechte Nachricht für die deutsche Wirtschaft?

Gabriel: Ja, da müssen sich die USA aber richtig anstrengen. Vergleichen wir die Zahlen: Deutschland will bis 2020 minus 40 Prozent unter das Niveau des Jahres 1990 kommen bei den Treibhausgasemissionen, Europa im Durchschnitt übrigens 30 Prozent. Die Amerikaner haben ein fortschrittliches Gesetz vorgeschlagen, da kommen sie bei minus sechs Prozent an. Also würde ich mir doch ein bisschen mehr Willen zur Übernahme der Führerschaft erhoffen. Ehrlich gesagt, wir Europäer fühlen uns derzeit ein bisschen einsam in unserer Rolle. Wir wollen gerne Wettbewerb um die Führerschaft haben. Aber dazu muss Amerika noch sehr viel mehr tun, als es heute bereit ist. Im Klimaschutz gilt wie überall: Wettbewerb belebt das Geschäft. Aber zur Zeit müsste man sich um die Führerschaft im Klimaschutz wenig Sorgen machen, was Europa und Deutschland angeht, und wir hoffen, dass die Amerikaner hier schneller aufholen.

Autorin: Christina Bergmann
Redaktion: Zhang Danhong / Andreas Becker