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Gaddafi will seine Macht verteidigen

22. Februar 2011

Libyens Staatschef Gaddafi will sich der Opposition gegen seine mehr als vier Jahrzehnte dauernde Herrschaft nicht beugen. Doch die Proteste nehmen zu, immer mehr Gefolgsleute kehren ihm den Rücken.

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Straßenszene Tripolis (Foto: ap)
Mehrere Gebäude in Libyens Hauptstadt Tripolis branntenBild: APTN/AP/dapd

Obwohl das Regime von Machthaber Muammar al-Gaddafi versucht, die Proteste mit äußerster Brutalität niederzuschlagen, weiten diese sich aus. Mehrere Städte vor allem im Osten des Landes sollen inzwischen unter Kontrolle der Regierungsgegner sein. In der zweitgrößten Stadt Bengasi seien ganze Militäreinheiten übergelaufen, berichtete die in Paris ansässige Internationale Menschenrechtsföderation. Nach deren Angaben wurden seit Beginn der Proteste mindestens 400 Menschen getötet. Die Vereinten Nationen sprachen von mindestens 250 Toten.

Auch in der Hauptstadt Tripolis soll es am Dienstag (22.02.2011) wieder zu Gewalt gekommen sein. Augenzeugen berichteten von zahlreichen Leichen in den Straßen. Anhänger von Staatschef Muammar al-Gaddafi sollen sogar auf Krankenwagen geschossen haben. Unabhängige Bestätigungen für die Angaben gab es nicht. Berichte, wonach die Luftwaffe Demonstranten in Tripolis und Bengasi angegriffen habe, wies Gaddafis Sohn Seif el Islam zurück.

UN drohen Gaddafi mit Klage

UN-Sicherheitsrat tagt (Foto: ap)
Befasst sich mit dem Protesten in Libyen: der UN-Sicherheitsrat

Die Gewalt in dem nordafrikanischen Land hat auch den UN-Sicherheitsrat auf den Plan gerufen. Das höchste UN-Gremium beriet am Nachmittag bei einer Sitzung hinter verschlossenen Türen. Die UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay forderte eine unabhängige Untersuchung der Gewalt gegen die Oppositionsbewegung und drohte mit einer Anklage gegen die libysche Führung wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton rief die libysche Armee auf, nicht gewaltsam gegen die eigene Bevölkerung vorzugehen. Bundesaußenminister Guido Westerwelle drohte sogar offen mit Sanktionen. "Sollte Libyen weiter mit Gewalt gegen das eigene Volk vorgehen, werden Sanktionen unvermeidlich sein", sagte Westerwelle in Berlin. Nach Angaben aus Regierungskreisen wird unter anderem an ein Einreiseverbot gegen die Familie von Staatschef Gaddafi sowie an das Einfrieren von Vermögenswerten der libyschen Regierung im Ausland gedacht. Einen Termin für die Sanktionen nannte Westerwelle nicht. Deutsche Alleingänge solle es nicht geben. Bei einem Treffen der EU-Außenminister am Montag in Brüssel war die Verhängung von Sanktionen vor allem am Widerstand Italiens gescheitert. Das Land unterhält enge Wirtschaftskontakte zu Libyen und fürchtet eine neue Flüchtlingswelle aus Nordafrika.

Westerwelle schließt Sanktionen nicht aus

Bundesaußenminister Westerwelle (Foto: ap)
Droht offen mit Sanktionen: Außenminister WesterwelleBild: picture-alliance/dpa

Allen Deutschen, die sich noch in Libyen aufhalten, empfahl der Minister die sofortige Ausreise. Dazu sind bereits eine Lufthansa-Maschine sowie zwei Transall-Transportflugzeuge der Bundeswehr im Einsatz. Auch eine Evakuierung über den Seeweg wird geprüft.

Frankreich schickte drei Militärflugzeuge, um die eigenen Landsleute nach Hause zu holen. Nach ägyptischen Angaben ist der Flughafen der ostlibyschen Stadt Bengasi nach Bombardements durch die Luftwaffe jedoch nicht mehr benutzbar. Auch andere EU-Länder, viele arabische und afrikanische Länder haben damit begonnen, ihre Staatsbürger auszufliegen.

Gaddafi selbst lehnte in einer vom Staatsfernsehen übertragenen Rede einen Rücktritt ab. Er bekleide keinen offiziellen Posten, von dem er zurücktreten könne. Notfalls werde er als Märtyrer sterben wie seine Vorfahren, sagte der 68-Jährige. Die Demonstranten seien von den USA gesteuert und stünden unter Drogen. Seine Anhänger rief er auf, die Hoheit über die Straßen zurückzuerobern und die Revolution zu verteidigen. Sonst drohten Libyen Zustände wie im Irak oder in Somalia.

Gaddafi klammert sich an die Macht

Gaddadi hält eine rede ( Foto: AP)
Verteidigt wütend seine Revolution: Muammar al-GaddafiBild: dapd

Unterdessen verliert Gaddafi immer mehr Verbündete. Zahlreiche Spitzendiplomaten brachen mit dem selbsternannten Revolutionsführer, der Justizminister reichte seinen Rücktritt ein, und eine Gruppe von Offizieren rief die Armee dazu auf, sich auf die Seite des Volkes zu schlagen. Auch immer mehr der in Libyen äußerst einflussreichen Stämme sagen sich von Gaddafi los.

Der soll sich nach Angaben des abtrünnigen Diplomaten Abdulmoneim al-Honi in einer Kaserne in Tripolis verschanzt haben. Außer diesem Stützpunkt gebe es nur noch zwei Kasernen, die von Gaddafi und seinen Anhängern gehalten würden. Al-Honi hatte zu Wochenbeginn aus Protest gegen die Gewalt seinen Dienst als Vertreter Libyens bei der Arabischen Liga quittiert.

Die libysche Regierung macht "jugendliche Verbrecher" für die Unruhen verantwortlich. Jugendbanden mit Verbindungen zum Ausland und El Kaida seinen schuld an der Gewalt der vergangenen Tage, hieß es in einer im Staatsfernsehen verlesenen Erklärung des Verteidigungsministeriums.

Autor: Gerhard M Friese (dpa, afp, dapd, rtr, )
Redaktion: Martin Schrader