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Gagausien-Wahlen

Robert Schwartz/Vitalie Calugareanu20. März 2015

Bei der Gouverneurswahl in Gagausien, einer autonomen Region in der Republik Moldau, hat die von Moskau unterstützte Kandidatin große Chancen auf Erfolg. Die moldauische Regierung und die EU warnen vor der Abspaltung.

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Moldawien autonomes Gebiet Gagausien (Foto: DW/Julia Semenova)
Bild: DW/J.Semenova

Für die Autonome Territoriale Einheit Gagausien, ein Gebiet im Süden der Republik Moldau, ist Europa weit weg. Das zeigte sich nicht zuletzt Anfang des vergangenen Jahres, als sich in einem Referendum 98 Prozent der Bevölkerung für eine stärkere Anbindung an die Russische Föderation aussprachen. In einer aktuellen Umfrage begrüßen nur knapp über zwei Prozent das EU-Assoziierungsabkommen mit der Republik Moldau, eine überwältigende Mehrheit bevorzugt die Zollunion mit Russland, Weißrussland und Kasachstan. In dem Gebiet leben 160.000 Menschen, die Mehrheit davon Gagausen, ein christlich-orthodoxes Turkvolk.

Anders als Transnistrien, das sich nach einem blutigen Bürgerkrieg 1992 von der Republik Moldau losgesagt hat, ist Gagausien eine autonome Region innerhalb der Republik Moldau geblieben. Doch vor dem Hintergrund der Krise in der Ukraine sind in Gagausien immer stärkere separatistische Tendenzen sichtbar. Und dass sich Moskau in Gagausien einsetzt, um den Einfluss der moldauischen Zentralregierung zu schwächen, ist kein Geheimnis. So gilt das wegen des Assoziierungsabkommens mit der EU verhängte russische Embargo gegen moldauische Weine und landwirtschaftliche Produkte nicht für Güter aus Gagausien. Die starke pro-rusische Haltung der Bevölkerung ist auch darauf zurückzuführen, dass ihr fast nur russische Medien als Informationsquelle zur Vefügung stehen, die gezielte Fehlinformationen über die europäische Integration verbreiten. Sie präsentieren ein extrem negatives Bild der Europäischen Union und schüren massive Ängste in der Bevölkerung vor einer angeblichen Kolonialisierung durch die EU.

Karte Moldawien Regionen Transnistrien und Gagausien
Bild: DW

Prorussische Kandidadtin liegt vorn

Bei der Gouverneurswahl an diesem Sonntag (22.3.2015) hat eine Kandidatin laut Umfragen die besten Chancen: Irina Vlah. 60 Prozent der Gagausen würden sich bereits im ersten Wahlgang für sie entscheiden. Unterstützung bekommt die sozialistische Politikerin nicht nur von ihren pro-russischen moldauischen Parteifreunden, sondern auch aus Moskau selbst. Russische Abgeordnete sind mehrfach in die gagausische Provinz-Hauptstadt Comrat gereist und haben sich offen in den Wahlkampf eingeschaltet. Die moldauische pro-europäische Regierung sieht darin eine klare Einmischung Russlands in die inneren Angelegenheiten des Landes und befürchtet eine Verstärkung der separatistischen Tendenzen in Gagausien.

Für den moldauischen Publizisten Nicolae Negru ist die russische Wahlhilfe in Gagausien eine Provokation. In einem DW-Gespräch sagte er, Moskau versuche, das autonome Gebiet gegen die Zentralregierung in Chisinau zu instrumentalisieren. Ziel sei es, die "europäische Perspektive der Republik Moldau zu schwächen", so Negru.

Moskau signalisiert Interesse an Gagausien

Die aktuellen Entwicklungen in der Region scheinen ihm Recht zu geben. Die Annexion der Krim vor einem Jahr und der Krieg in der Ukraine, die strategische Partnerschaft Russlands mit den separatistischen Regionen in Georgien – Abchasien und Südossetien, und nicht zuletzt die Präsenz russischer Truppen in der abtrünnigen Republik Transnistrien, im Osten der Republik Moldau – das alles sind erhebliche Dämpfer für die sogenannte Östliche Partnerschaft der EU mit Georgien, der Ukraine und der Republik Moldau.

Auch der moldauische Politologe Corneliu Ciurea sieht in der russischen Wahlhilfe in Gagausien den Versuch Moskaus, den Separatismus in der Region zu befördern. Doch Ciurea sieht auch die moldauische Regierung in der Verantwortung. Die ewige Rivalität der sogenannten pro-europäischen Parteien in Chisinau untereinander und ihr offenbares Desinteresse für die autonome Region hätten das Vertrauen der Menschen in Gagausien zerstört. Es bestehe die Gefahr, dass sich Gagausien "aus einer loyalen Autonomie in eine feste Plattform anti-europäischer Positionen" verwandle.

Die jüngsten Äußerungen des russischen Außenministers Sergej Lawrow haben auch nicht gerade zur Entspannung beigetragen. Im russischen Fernsehen sagte Lawrow, wegen des Assoziierungsabkommens der EU mit der Republik Moldau müsse sich Moskau den Interessen einiger Gebiete in der Region, vor allem in Gagausien, stärker zuwenden.

Deutschland befürchtet Destabilisierung

In Deutschland wird die bevorstehende Wahl des neuen Regierungschefs in Comrat mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. In einer Stellungnahme für die DW erklärte der Vorsitzende des Europa-Ausschusses im Bundestag, Gunther Krichbaum, die "russischen Störfeuer seien unübersehbar und man könne Moskau nur davor warnen, nach den Entwicklungen in der Ukraine weiter destabilisierend in Europa zu wirken". Wie die Ukraine sei auch die Republik Moldau ein souveräner Staat. "Alles, was diese Souveränität in Frage stellt, ist ein offener Bruch des Völkerrechts", unterstrich Krichbaum.

Gagausien - Regierungsgebäude in Komrat (Foto: DW/Julia Semenova)
In Gagausien wollen 98 Prozent der Bevölkerung eine stärkere Anbindung an RusslandBild: DW/J.Semenova

Nach Ansicht des Berichterstatters des Bundestags für die Republik Moldau und die Ukraine, Bernd Fabritius, könnte ein Wahlsieg von Irina Vlah zu einer Radikalisierung der Forderungen der Autonomen Region Gagausien gegenüber der Zentralregierung in Chisinau führen, beispielsweise in Form von Forderungen nach mehr Eigenständigkeit. "Dadurch, dass die Sozialisten direkt von Moskau finanziert werden, ist ein Annexionsszenario in einem solchen Fall nicht mehr weit entfernt", sagte Fabritius im DW-Gespräch.

Der Vorsitzende des Deutsch-Moldauischen Forums, Manfred Grund, kann allerdings beim Bestreben Moskaus, pro-russischen Kräften in Gagausien zur Macht zu verhelfen, "keine konkreten Anzeichen dafür erkennen, dass dies bis zu einer Abspaltung wie in Transnistrien führen sollte." Es ginge wohl eher darum, so Grund in einem DW-Interview, Druck auf Chisinau auszuüben und das Land zu destabilisieren.