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Games mit dem gewissen Etwas

Ananda Bräunig6. August 2015

Games sind Kunst. Kreative Nerds entwickeln aus Videospielen neue Kunst, zu sehen auf dem Platine-Festival, parallel zur Gamescom. Auch auf der Messe selbst hat DW-Reporterin Ananda Bräunig eine Menge Kultur entdeckt.

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Deutschland Platine Festival 2015 in Köln
Bild: DW/A. Bräunig

Flackernde Bildschirme, unzählige Gänge, gigantische Leinwände und dröhnende Computersounds: In den Kölner Messehallen zeigen in diesem Jahr über 800 Aussteller aus mehr als 45 Ländern Neuheiten im Bereich Games. Über 190.000 Quadratmeter weit erstreckt sich eine laut schallende Landschaft voller digitaler Spiele. Zwischen den weiter entwickelten Massen-Rollenspielen, wieder entdeckten Retrospielen oder Virtual Reality ragen quietschbunte Hüpfburgen und ein gewaltiger Panzer der Bundeswehr hervor. Meine Mission: Games mit dem gewissen kulturellen Etwas finden.

Die Gamescom ist wie eine gigantische Bibliothek: Alle Genres sind vertreten; nicht jedes Werk verdient einen Preis. Aber alle gehören ohne Frage zur Kultur. "Film ist Kultur, Literatur ist Kultur und natürlich sind Games als weitere Mediengattung auch Kultur", sagt Thorsten Unger, Geschäftsführer der GAME e.V. Der Bundesverband der deutschen Games-Branche ist seit 2008 Mitglied des deutschen Kulturrats. Zwar blicke die Gameszene noch nicht auf eine jahrhundertelange Tradition zurück "Wir müssen aber in die Zukunft schauen" sagt er. Computerspiele verbinden die Elemente Literatur, Musik und Film – und dann kommt noch die Interaktion hinzu.

"In Between" von gentlymad erhielt in diesem Jahr den deutschen Computerspielpreis

Worin liegt der kulturelle Wert eines Computerspiels? Wie bei so vielem liegt es in der Wahrnehmung des Nutzers. "Mich beeindrucken Games mit einer emotionalen Geschichte. Die können ruhig Kanten haben, die einem ein bisschen wehtun", sagt Dieter Schoeller, Managing Director des deutschen Spieleverlags Headup Games. Seine Firma schreibt sich auf die Fahne, Subkulturen der Gameszene zu fördern. Sie verlegt zum Beispiel das Spiel "In Between" des Indie-Studios gentlymad, das in diesem Jahr den deutschen Computerspielpreis erhalten hat. Das Spiel handelt von den schwierigen Lebensphasen eines Krebspatienten im Endstadium, der sich seines baldigen Todes bewusst ist. Die Jury des deutschen Computerspielpreises zeichnete das Spiel als "ein abwechslungsreiches und tiefgründiges Spiel" aus, das "künstlerisch wertvoll und visuell hochwertig" ist.

Dieter Schoeller, Managing Director des Spielverlags Headup Games bei der gamescom 2015 Copyright Ananda Bräunig
Poesie mit Buchstaben und Wörtern: "Typoman"Bild: DW/A. Bräunig

Headup Games verlegt außerdem das Spiel "Typoman" von der Brainseed Factory, das unter anderem bei den Game Connection Awards 2015 ausgezeichnet wurde. Das Spiel ist ein sogenannter "Puzzle-Plattformer". Der Held sammelt Buchstaben mit denen er Wörter formt, die als Waffe gegen Feinde benutzt werden. Wörter wie "Hate" kann der Held zum Beispiel vertauschen, zu "Heat". Er setzt damit seine Gegner der Hitze aus – und Schlagfertigkeit hat mal wieder gesiegt. Diesen September wird "Typoman" für die Wii U herausgebracht.

Shaun das Schaf, Wallace & Grommit oder Bob der Baumeister - alle aus Knete

Games spiegeln auch kulturelle Eigenschaften einzelner Länder wider. In diesem Jahr ist Großbritannien das offizielle Partnerland der Gamescom. Das Vereinigte Königreich gilt als einer der umsatzstärksten Märkte für die Computer- und Videospielindustrie und einer der wichtigsten Standorte für die Entwicklung von Videospielen in Europa.

Michael Movel, Firmenchef von "Handmade Games" bei der gamescom 2015 Copyright Ananda Bräunig
Games aus Knete: "Fatpebble"Bild: DW/A. Bräunig

Ein Spiel sticht direkt ins Auge, wenn man an den Messeständen der Briten, begrüßt von Pappaufstellern der Queen, vorbeikommt: "Fatpebble" der Spieleentwickler-Firma "Handmade Games". Das junge, 12-köpfige Team hat das Game mit viel Fleiß und Geduld mit Knete gestaltet. "Es macht Spaß, es sieht klasse aus und es fällt auf", sagt Firmenchef Michael Movel. Die Stop-Motion-Technik, mit denen seine Firma Games entwickelt, hat eine lange Tradition in Großbritannien. Shaun das Schaf, Wallace & Grommit oder Bob der Baumeister – alle aus Knete, alle aus dem Vereinigten Königreich. "Egal, ob du ein Hardcore-Gamer oder ein Game-Laie bist, die Leute erinnern sich bei diesem Game an ihre Kindheit und freuen sich", sagt Movel.

Jump'n'Run-Game aus dem Iran für Ehepaare

Der Spieltrieb steckt in jedem von uns. Bei der Gamescom findet man einige Game-Entwickler, deren Games einen schocken, packen, beeindrucken – oder auch überraschen. Dieses Jahr ist die Gameszene des Iran mit dem "Iran Game Developement Institute" auf der Messe vertreten. "Die iranische Game-Entwickler-Szene hat sich in den letzten Jahren stark weiter entwickelt und etabliert sich allmählich auf dem internationalen Markt", sagt Chief Business Officer Ahmad Ahmadi.

Ein Monitor zeigt das iranische Game "Hate the sin Love the sinner" bei der gamescom 2015 Copyright Ananda Bräunig
Digitaler Rosenkrieg: "Hate the Sin Love the Sinner"Bild: DW/A. Bräunig

Unter anderem stellt er das Game "Hate the Sin Love the Sinner" auf der Gamescom vor, das bei der Game Connection Asia 2013 und beim Game Festival in Teheran 2013 für sein kunstvolles Design ausgezeichnet wurde. Ein Jump'n'Run-Game, bei dem sich Ehemann und Ehefrau zerstritten haben und in einer Parallelwelt leben. Der Look des Spiels ist im Stile eines Stummfilms. Nachdem das Ehepaar über mehrere Levels hinweg einen Rosenkrieg ausgefochten hat, vertragen sie sich am Ende wieder. "Der Geschmack der iranischen Gamer ist anders, denn die Kunst ist anders, die Gesellschaft und die Religion, die sie bestimmt, ist eine andere", sagt Ahmadi. All diese Faktoren hätten Einfluss auf die Machart der Games.

"Imagine Earth": eine Echtzeit-Aufbausimulation

Dem Spiel an sich spricht man im Allgemeinen kulturfördernde Eigenschaften zu: Der Mensch kann seine Fähigkeiten entwickeln, sich frei bewegen, weiter denken und handeln. Das liegt auch dem Konzept des Games "Imagine Earth" zugrunde. Der Designer Jens Isensee und der Programmierer Martin Wahnschaffe sind zur Gamescom gekommen, um zu überlegen, wie sie "Imagine Earth", das sie seit mehreren Jahren entwickeln, weiter verbessern können. Mit "Imagine Earth" besiedelt der Spieler einen fremden Planeten und baut Kolonien auf. Mit dieser Echtzeit-Aufbausimulation sollen die Spieler lernen, welche Auswirkungen unser Handeln auf die Umwelt hat. "Der Spieler erlebt, was Klimawandel bedeutet. Für viele ist das ein zu großes, komplexes Thema. Hier wird das interessant und auf einfache Weise spielbar gemacht", erklärt Isensee. Das Spiel wurde teils über Kulturförderungen und teils mithilfe von Crowdfunding finanziert. Auf der Plattform Steam können Nutzer das unfertige Game mittlerweile erwerben und mit ihren Anmerkungen dazu beitragen, das Spiel weiterzuentwickeln.

Martin Wahnschaffe (links) und Jens Isensee (rechts) Copyright Ananda Bräunig
Die Welt verbessern: "Imagine Earth"Bild: DW/A. Bräunig