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Gamescom: Spielen macht Freu(n)de

Jan Bruck23. August 2013

Abgeschottet und aggressionsgeladen vor dem Bildschirm hocken - das war mal. Die Neuheiten auf der Gamescom zeigen: Spiele sind mittlerweile viel sozialer und kommunikativer. Und das erhöht den Spielspaß.

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Computerspieler probieren auf der Gamescom am Stand von Sony die neue PlayStation 4 aus. Foto: Oliver Berg/dpa
Bild: picture-alliance/dpa

"Alles ist vernetzt", sagt der Gamedesigner mit leuchtenden Augen. Die Fachbesucher und Gaming-Journalisten auf der Testvorführung des mit Spannung erwarteten Spiels "Watch Dogs" schauen skeptisch. Spieler Eins hat auf dem Tablet-PC eine Stadtkarte vor sich und sucht mit einem Polizeihubschrauber von oben die Stadt ab. Spieler Zwei an der Konsole ist damit beschäftigt, am Boden einen Chevrolet zu klauen. Spätestens als die Suchscheinwerfer von Spieler Eins den Dieb erwischen und der Hubschrauber durch dessen Monitor rattert, können sich auch die alten Hasen ein leises "Cool..." nicht verkneifen. "Second Screen", also "Zweiter Schirm", heißt einer der großen Trends auf der diesjährigen Gamescom (22.8. bis 25.8.2013 in Köln), Europas größter Messe für Computerspiele. Gemeint ist die Anbindung von Smartphones und Tablets an Konsolen wie PlayStation oder Xbox. So können Mistspieler auch von unterwegs weiter beim Spielgeschehen dabei sein - und auch Einfluss nehmen, sei es im Café oder in der Mittagspause.

Mit dem Smartphone Gott spielen

"Watch Dogs" vom französischen Hersteller Ubisoft kommt diesen Herbst auf den Markt. Darin schlüpft der Spieler in die Rolle eines Superhackers, der einen persönlichen Rachefeldzug gegen die Unterwelt Chicagos führt. Dabei stehen ihm viele Möglichkeiten offen: Er kann Ampeln manipulieren, das Elektrizitätsnetz lahm legen, oder Daten von virtuellen Smartphones stehlen. "Watch Dogs" spielt sich am besten mit Anderen: über das Internet verbunden kann man sich gegenseitig Aufgaben stellen - oder sich in die Spieloberfläche eines Mitspielers hacken.

Screenshot aus "Watch Dogs" Copyright: Ubisoft zugeliefert von: Jan Bruck
Die wichtigste Waffe in "Watch Dogs": Das SmartphoneBild: Ubisoft

Der eigentliche Clou ist aber die Smartphone- oder Tablet-App. Der Anwender kann sie kostenlos herunterladen - und dann gottgleich in das Geschehen im künstlichen Chicago eingreifen: Straßensperren errichten, Streifenwagen losschicken oder Dampfrohre bersten lassen. Der Freund oder die Freundin, Mama oder Papa, sie alle können das Spiel je nach Laune mit ihrem mobilen Gerät erschweren oder erleichtern. Mit dem "Appetithappen" fürs Handy zielen die Spielentwickler natürlich auf neue Kunden für die keineswegs kostenfreie Vollversion, die nur auf PCs oder Konsolen läuft. Neue Kunden sind bitter nötig: Im ersten Halbjahr schrumpfte allein in Deutschland der Markt für Videospiele um 3,5 Prozent. Der Markt für mobile Spiele hingegen boomt.

Schießen oder Denken?

"Ich denke die Art und Weise, wie Menschen virtuell spielen und die Gründe, warum sie spielen, haben sich verändert", sagt Dominic Guay, der die Produktion von "Watch Dogs" leitet. "Sie wollen sich individueller durch das Spiel bewegen, komplexere Geschichten und mehr Interaktion mit anderen Spielern erleben."

Screenshot aus "Watch Dogs" mit Tablet-Ansicht Copyright: Ubisoft zugeliefert von: Jan Bruck
Auf dem Konsolenbildschirm ist der Spieler nah an der Action, das Tablet bietet die ÜbersichtBild: Ubisoft

Die Welt der Videospiele ist in den letzen Jahren vielschichtiger geworden, parallel zum rasanten technologischen Fortschritt. Es geht nicht mehr vorranging um Aggression wie in klassischen Ego-Shootern. Die neue Generation der Spiele bedient auch andere Verhaltensweisen wie Kooperation, Teamarbeit und Gemeinschaftsgefühl. "Das gesamte soziale Miteinander, das wir zurzeit im Internet erleben, setzt sich beim Spielen fort", sagt Martin Lorber, Jugendschutzbeauftragter von Electronic Arts. "Uns gegenseitig im Spiel messen, das konnten wir schon lange. Jetzt kommt immer mehr der Wunsch hinzu, zu teilen und zu kommunizieren."

Die "Sozialisierung" der Spiele führt aber nicht dazu, dass sich die Branche vom brutalen Ballern abwendet. Im Gegenteil: viele der Neuvorstellungen auf der Gamescom sind Kriegs- oder Kampfspiele. Doch bei einer wachsenden Anzahl von Titeln kann der Spieler selbst entscheiden, wie er vorgehen möchte. Löst er eine schwierige Situation mit der Waffe? Oder durch kluges Kombinieren und den Austausch von Informationen? "In Zukunft wird sich das Spiel immer mehr nach dem Spieler richten und nicht umgekehrt. Es wird sich an seine Vorlieben und an seine jeweilige Stimmung anpassen", erklärt Dominic Guay den Trend.

Freundschaft wird belohnt

Ein innovatives Beispiel für die neue Generation der "kommunikativen" Spiele ist auch "Journey" vom chinesischen Kult-Gamedesigner Jenova Chen. Ziel des Online-Spiels für die PlayStation 3 ist schlicht und einfach, eine Wüste zu durchqueren. Schon bald merkt der Spieler, dass er alleine nicht weit kommen kann. Er muss in der Wüstenwelt einen Partner finden. Da "Journey" keine Chat-Funktion hat, müssen die beiden Spieler über Gestik, einfache Laute und Spielhandlungen kommunizieren. Das Ziel erreichen sie schneller, wenn sie sich gegenseitig vor Gefahren warnen und in kniffligen Situationen zusammenarbeiten. So kann zwischen den Avataren - und womöglich auch zwischen den Spielern - eine Art Freundschaft entstehen.

Auch der US-amerikanische Spielentwickler Electronic Arts (EA) setzt auf ein intensiveres Gemeinschaftserlebnis beim Zocken. Auf der Gamescom präsentiert die Firma ihr Kriegsspiel "Battlefield 4". Im "Commander-Modus" kann der Spieler sein Team vom Tablet-PC aus taktisch unterstützen, beispielsweise den Weg zu wichtigen Angriffszielen weisen oder Unterstützung aus der Luft schicken. "Battlefield 4" ist ein brutales Kriegsspiel - die Altersfreigabe liegt in Deutschland bei 16 Jahren - doch viele der Testspieler auf der Messe sind vor allem von den neuen Kooperationsmöglichkeiten begeistert.

Spieler spielt das Computerspiel "Ryse of Rome" Copyright: Jan Bruck/DW zugeliefert von: Jan Bruck
Bei "Battlefield 4" bietet der Commander taktische UnterstützungBild: DW/J. Bruck

Wertvolle Spielerinnerungen

"Die soziale Dimension ist für uns eines der wichtigsten Elemente", sagt der schwedische Game-Designer Lars Gustavsson, der das Konzept für die legendäre "Battlefield"-Reihe erfunden hat. "'Battlefield' fördert Kameradschaft und Zusammenhalt zwischen den Spielern. Der herkömmliche Mehrspielermodus, in dem Spieler einfach gegeneinander antreten, ist nicht mehr zeitgemäß."

Dass Videospiele mittlerweile nicht nur Ur-Gefühle wie Aggression oder Wut bedienen, beweist eine kleine Geschichte, die Jenova Chen erzählt. Er habe einige Monate nach dem Erscheinen seines Spiels "Journey" einen Brief von einem 15-jährigen Mädchen erhalten. Sie schrieb, dass sie das Spiel zusammen mit ihrem schwerkranken Vater gespielt habe, in den Monaten vor seinem Tod. Die Erlebnisse während ihrer Reise durch die Wüste hätten die beiden noch einmal näher zusammengebracht - und dem Mädchen wertvolle Erinnerungen an ihren Vater geschenkt.