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Gar nicht so rosig

15. März 2002

- Die vermeintlich hohen Gehälter der Tschechen sind ein Trugschluss - Einkommensgefälle zwischen Prag und der Provinz groß

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Prag, 12.3.2002, RADIO PRAG, deutsch

Das Tschechische Statistische Amt veröffentlichte dieser Tage erste Zahlen zur Lohn- und Preissituation, wie man sie nach Ablauf des Jahres 2001 in der Tschechischen Republik antreffen konnte. Danach lag das durchschnittliche Monatsgehalt zum Ende des vergangenen Jahres bei 16.218 Kronen, was nach dem heutigen Wechselkurs einem Gegenwert von 513 Euro entspricht. Was dieses Geld letzten Endes für den normalen tschechischen Verbraucher wert ist, dazu erfahren Sie einiges mehr von Lothar Martin:

Beim genaueren Hinschauen auf die eben genannte Zahl muss man wissen, dass dieser relativ hohe Durchschnittswert dadurch zustande kam, weil gut florierende Firmen in Tschechien im letzten Quartal des Jahres stets ein 13. und nicht selten ein 14. Monatsgehalt oder aber Weihnachtsgeld an ihre Mitarbeiter auszahlen. Auf das ganze Jahr 2001 bezogen, betrug der durchschnittliche Monatslohn in Tschechien denn auch "nur" noch 14.642 Kronen, was umgerechnet ganzen 464 Euro entspricht. Auf den Nominallohn bezogen kam es dadurch im Jahr 2001 immerhin zu einem Lohnanstieg von mehr als acht Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die rund fünfprozentige Inflation gegengerechnet - und schon sieht es wieder weniger rosig aus: ganze drei und halb Prozent betrug der durchschnittliche Lohnzuwachs im Land zwischen Erzgebirge und Beskiden.

Wenn wir schon die territorialen Gegebenheiten anschneiden, dann darf nicht unerwähnt bleiben, dass die finanziellen Unterschiede zwischen Prag und Olomouc/Olmütz nicht weniger als rund 6.000 Kronen im Monat ausmachten. Konnte man in der tschechischen Hauptstadt immerhin durchschnittlich 18.416 Kronen monatlich verdienen, so musste man sich im Umkreis der mährischen Kreisstadt mit ganzen 12.483 Kronen im Monat bescheiden. Noch größer ist die Kluft in den einzelnen Berufszweigen. Im Bank- und Versicherungswesen können die dort Angestellten immer noch das Meiste verdienen, nämlich im Schnitt über 29.000 Kronen monatlich. Das Schlusslicht bildet hier die Landwirtschaft, die mit einem durchschnittlichen Monatslohn von 11.252 Kronen daherkommt.

Doch was kann man sich von diesem Geld eigentlich leisten? In Prag muss man zum Beispiel für eine Kinokarte bis zu 5 Euro berappen. Mit zwei Kindern, Popcorn und etc. gibt man locker für eine Kinovorstellung schon einmal rund 20 Euro aus, was für den Prager in etwa drei und halb Prozent seines Monatsgehalts ausmacht.

Ganz drastisch wird es mitunter bei den Wohnnebenkosten, wie zum Beispiel bei der Heizenergie. Alarmierend ist da insbesondere das Beispiel, wie es dieser Tage aus den südmährischen Ort Oslavany bei Brno/Brünn bekannt geworden ist. Rundfunk-Reporterin Regina Kvetonova informierte darüber wie folgt: "Über 4.000 Kronen monatlich bezahlt ein Einwohner von Oslavany für Heizwärme in einer Zwei-Zimmer-Wohnung. In einem Familienhaus bewegt sich der monatliche Betrag um die 15.000 Kronen. Auch wenn die Wintersaison noch nicht beendet ist, so haben die Einwohner von Oslavany bei Brünn damit begonnen, ihre Wohnungen von der Heizwärmezufuhr abzuschalten, behauptet der Bürgermeister von Oslavany, Vit Aldorf."

Bei dem von uns zuvor erwähnten monatlichen Verdienst kann man sich leicht ausrechnen, wie diese Preise die Familienkasse belasten. (ykk)