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Gastkommentar: Deutschland macht sich angreifbar

18. August 2006

Der Deutschland-Korrespondent der israelischen Zeitung "Yedioth Ahronot", Eldad Beck, begrüßt die deutsche Absicht, sich im Nahost-Konflikt zu engagieren. Der Preis dafür könnte hoch sein. Ein Gastkommentar.

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Als die Gefechte zwischen der israelischen Armee und der Hisbollah im Libanon noch andauerten, schlug der begabte deutsche Außenminister, Frank-Walter Steinmeier, eine diplomatische Initiative vor, die viele im NahenOsten überrascht hat. In einem mit der "Süddeutschen Zeitung" geführten Interview sprach Steinmeier von der Notwendigkeit, Syrien an einer eventuellen Lösung der letzten Libanon-Krise anzubinden.

"Syrien ist ein zu wichtiger regionaler Akteur, um ihn auf Dauer außen vor zu lassen", erklärte Steinmeier. "Ich kann zwar verstehen, dass die Suche nach Schwarz-Weiß auch in der Außenpolitik attraktiv ist, aber ich habe gelernt, dass die Farbenpalette reichhaltiger ist. Unsere Kritik an den innersyrischen Verhältnissen werden wir weiter klar äußern, aber wir sollten auch testen, ob sich Syrien wirklich auf Dauer an Iran binden will. Ich werde einiges Engagement darauf verwenden, um Syrien einen Weg zu zeigen, auf dem es nicht Störer eines Annäherungs- und am Ende hoffentlich eines Friedensprozesses ist, sondern konstruktiver Partner", so Steinmeier.

Westliche Logik versus politisches Denken im Nahen Osten

Zurecht dachte Minister Steinmeier, dass die israelische Offensive im Libanon wie auch die Schwächung der von Damaskus und Teheran unterstützen islamistischen Miliz, der Hisbollah, eine politische Möglichkeit eröffneten, Syrien zur Raison zu bringen. Westliche Logik hat aber leider wenig mit dem politischen Denken im Nahen Osten zu tun.

Der letzte Libanon-Krieg wird von vielen in dieser Region nicht als eine überflüssige Etappe eines langjährigen, zerstörerischen Konflikts betrachtet, der am Ende des Tages niemanden dient, sondern als Etappensieg auf dem Weg zur Vernichtung Israels. Der syrische Präsident, Baschar al-Assad, äußerte eine ähnliche Meinung in einer Rede, die er am 15. August in Damaskus vor dem 4. Kongress des syrischen Journalistenverband gehalten hat. "Der Friedenprozess ist misslungen und tot", betonte Assad. "Die nächsten Generationen werden einen Weg finden, um Israel zur Kapitulation zu bringen." Assad lobte die Hisbollah und deklarierte: "Denjenigen, die Syrien vorwerfen, es unterstütze die Hisbollah, sagen wir, dass dies für uns eine große Ehre ist und ein Orden an der Brust jedes Arabers."

Geschäfte manchmal wichtiger als historisches Verantwortungsgefühl

Viele Politiker in aller Länder der Welt sind oft Geisel ihrer Positionen und Konzepte. Der deutsche Außenminister hat sich als eine Ausnahme gezeigt. Auf die "Widerstandsrede" vom syrischen Präsidenten reagierte er mit einer sofortigen Absage einer geplanten Reise nach Damaskus. Steinmeier hat die Idee nicht aufgegeben, Syrien in die internationalen Friedensbemühungen einzubeziehen. Aber nicht um jeden Preis.

Wenn Deutschland intensiver im Nahen Osten agiert mit der Hoffnung, zur Lösung des arabisch-israelischen Konflikts beitragen zu können, hat die Reaktion des deutschen Ministers eine große Bedeutung. Jahrelang passte das offizielle Deutschland sehr darauf auf, die Sensibilitäten der im Konflikt beteiligten Parteien nicht zu verletzen. Die Meinung, wonach Deutschland immer an der Seite Israels stand, ist falsch. Während des Jom-Kippur-Kriegs, als Israel kurz in seiner Existenz bedroht wurde, hat die damalige BRD-Regierung unter Willi Brandt es verweigert, dass Waffenlieferungen aus den USA über deutschen Boden oder über seinen Luftraum nach Israel transportiert werden konnten. Die DDR unterstützte Jahrzehnte lang mit Großzügigkeit den arabischen Terrorismus gegen Israel.

Die deutsche Haltung gegenüber dem Nahen Osten fiel oft aus dem Rahmen der Objektivität, und war nicht immer zugunsten Israels. Deutschland macht viele Geschäfte in dieser Region. Manche arabische und moslemische Länder sind lukrativere Geschäftspartner als Israel. Diese Tatsache beeinflusste gelegentlich die deutsche Politik im Nahen Osten mehr als irgendein historisch motiviertes Verantwortungsgefühl im Bezug auf Israel.

Terrorordnung im Zedernland

Solange Deutschland keine große Rolle in der Region anstrebte, konnten die nahöstlichen Streitparteien mit der deutschen so genannten "Neutralität" leben. Eine wichtigere Rolle in der Region spielen zu wollen, heißt aber sich angreifbar zu machen. Da wird es irgendwann notwendig sein, Farbe zu bekennen. Minister Steinmeier hat absolut Recht, wenn er meint, dass man die ganze regionale Farbenpalette anschauen muss. Die Situation, besonders im Libanon, ist sehr komplex. Eigentlich so komplex, dass nur diejenigen, die bereit waren, dort ohne Gewissensprobleme zu sterben oder Zehntausende Unschuldige ermorden zu lassen – wie es der Fall Syriens und seiner Stellvertreter war - es geschafft haben, eine Terrorordnung im Zedernstaat zu etablieren.

Die Hisbollah verweigert zurzeit eine Selbstentwaffnung. Iran sieht in der neuen UN-Truppe, die im Südlibanon stationiert werden soll, "eine zionistische Schutzkraft". Iran befindet sich in einem Konflikt über sein Atomprogramm mit der internationalen Gemeinde. Was sollte dann passieren, wenn Teheran sich entscheidet, die Hisbollah gegen die neue UNO-Truppe zu aktivieren, wie es schon in der Vergangenheit passierte? Nach verschieden Quellen arbeitet Iran mit El Kaida zusammen. El Kaida führt seit Jahren einen globalen Kampf gegen den Westen. Mit Irans Hilfe, kann Libanon zu einer neuen Front in diesem Krieg werden. Jederzeit könnte sich die Lage so entwickeln, dass die internationale Truppe zur Partei im Konflikt werden kann. Ist Deutschland für solch eine Eventualität bereit? Israel kämpft in diesem hochexplosiven Zusammenhang um sein Überleben. Ist Deutschland tatsächlich bereit, die Konsequenzen seiner verbalen Verpflichtung für das Existenzrecht Israels mitzutragen?

Etwas Gutes für den Frieden in der Welt tun zu wollen, ist eine hochzuschätzende und vernünftige Haltung. Vernunft ist oft mit politischen Realitäten, besonders im Orient, nicht verbunden. Die Römer sagten: Um Frieden zu schaffen, sollte man immer für den Krieg bereit sein. Es ist nicht auszuschließen, dass die Verteidigung bestimmter Werte im Nahen-Osten, auch mit einem hohen Preis verbunden sein kann. Man darf aber immer hoffen, dass der Nahe Osten irgendwann vernünftig wird. Je früher, desto besser. Wenn die Deutschen trotz aller Risiken dorthin gehen wollen, sollte man ihnen von ganzem Herzen viel Glück wünschen.

20.07.2006 Quadriga Eldad Beck
Bild: DW-TV

Eldad Beck ist Deutschland-Korrespondent der israelischen Zeitung "Yedioth Ahronot"