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Eine neue Agenda für die Menschlichkeit

Bruce Aylward
Bruce Aylward
21. Mai 2016

Auf was es beim ersten Weltgipfel für Humanitäre Hilfe in der kommenden Woche in Istanbul ankommt, erläutert Bruce Aylward, der geschäftsführende Direktor der Weltgesundheitsorganisation in seinem Gastkommentar.

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Irak Helferin der Weltgesundheitsorganisation im Irak
Eine Helferin der WHO im von einem Bürgerkrieg zerrissenen IrakBild: WHO/I. Hamam

Wir leben in einer Zeit der beispiellosen Fortschritte im Bereich der globalen Gesundheit. Milliarden von Kindern sind durch wirksame Impfstoffe geschützt gegen einst weitverbreitete Krankheiten wie Polio und Masern. Millionen von Menschen mit HIV sind nicht mehr dem Tode geweiht, sondern sind dank Arzneimittel in der Lage ein gesundes, produktives Leben zu leben. In weniger als zwölf Monaten können neue Impfstoffe für Krankheiten wie Ebola entwickelt und zugelassen werden. Dank Wissenschaft und öffentlicher Gesundheitsversorgung leben immer mehr Menschen auf der Welt gesünder und länger.

Allerdings gilt das nicht für die 125 Millionen Menschen, die derzeit von Kriegen, Seuchen und Naturkatastrophen betroffen sind. Diese Menschen laufen Gefahr, an jahrhundertealten Krankheiten wie Cholera zu sterben, weil ihnen der Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitären Einrichtungen fehlt. Viele leiden und sterben an behandelbaren Krankheiten wie Bluthochdruck, weil sie weder Medikamente noch medizinische Versorgung erhalten. Grundlegende Gesundheitseinrichtungen stehen nicht zur Verfügung, weil sie in Kriegen beschädigt oder zerstört wurden.

Gewaltsam sterben, oder an einer Krankheit?

Zwei solcher Menschen begegnete ich vergangenen Sommer auf einer griechischen Insel. Während das Paar im Wartezimmer einer Klinik saß, erzählten sie mir von ihrer Flucht aus Syrien. Fünf Jahre lang haben sie entschlossen in ihrem Heimatland inmitten des Krieges ausgeharrt. Was sie schließlich zu der Flucht bewegte, war der fehlende Zugang zu lebensnotwendigen Diabetes-Medikamenten für einen der beiden. Andernfalls hätten sie die Wahl gehabt zwischen einem gewaltsamen Tod im Krieg oder einem langsamen und schmerzhaften Tod durch den unbehandelten Diabetes. Stattdessen wählten sie eine riskante Reise durch die Ägäis.

Diese Geschichte zeigt, warum Gesundheit konsequent an oberster Stelle steht, wenn wir Bevölkerungsgruppen in Krisengebieten nach ihren Prioritäten fragen. Versetzen Sie sich in ihre Lage: Ohne Zugang zur Gesundheitsversorgung kann auch das in der Regel freudige Ereignis der Geburt eines Kindes plötzlich lebensbedrohlich statt lebensbejahend sein. Ohne Zugang zu grundlegenden medizinischen Hilfsmitteln, können auch einfache Schürf- und Schnittwunden bei Kindern zu tödlichen Infektionen führen. Tatsächlich ereignen sich mehr als 50 Prozent der vermeidbaren Todesfälle von Kindern unter fünf Jahren und 60 Prozent der Todesfälle von schwangeren und gebärenden Frauen in Konfliktregionen, auf der Flucht und nach Naturkatastrophen.

Wir teilen unsere Menschlichkeit mit diesen Müttern und Kindern und mit allen, die solchen Notlagen ausgeliefert sind. Es sind Menschen wie Du und ich, die unter den schlimmst-vorstellbaren Bedingungen leben. Und sie tun alles, was sie können, um zu überleben.

Es ist wichtig und richtig, diese Menschen zu unterstützen. Und es ist auch in unserem eigenen Interesse. Wenn wir dem derzeitigen Migrationszustrom nach Europa gerecht werden wollen, müssen wir uns mit den Gründen auseinandersetzen, weshalb diese Menschen alles, was sie haben und kennen, hinter sich lassen und fliehen.

Bruce Aylward
Bruce Aylward ist geschäftsführender Direktor der WHOBild: Reuters/D. Balibouse

Helfer gibt es genug - es fehlt das Geld

Es gibt viele Dinge, die wir gemeinsam tun können, um zu helfen. 2016 möchte die Weltgesundheitsorganisation und ihre Partner 80 Millionen Menschen weltweit, die von Krisen betroffen sind, den Zugang zu Gesundheitsversorgung ermöglichen. Wir haben mobile Kliniken in Ländern wie Irak, Syrien und der Ukraine, besetzt mit unendlich mutigem medizinischem Personal, das bereit ist, in diese Konfliktgebiete zu reisen. Wir impfen Millionen von Kindern im Jemen, die sonst keinen Zugang zu Routine-Immunisierungen hätten. Und wir statten Gesundheitspersonal in Äthiopien und Südsudan mit mobiler Technologie aus, um Epidemien in Echtzeit zu erkennen und frühzeitig reagieren zu können.

Unsere größten Hindernisse sind Zugang und Finanzierung. Mit unseren lokalen Partnern entwickeln wir innovative Strategien, um Menschen in schwer zugänglichen Gebieten zu erreichen. Allerdings geht das nicht ohne Geld. Im Jahr 2016 wurden uns bisher weniger als 7 Prozent der gesamten benötigten finanziellen Mittel zugesagt, die für die Gesundheitsversorgung der von Krisen betroffenen Menschen erforderlich sind.

Wir müssen mehr tun für die Menschlichkeit - dies ist das oberste Ziel für den ersten Weltgipfel für Humanitäre Hilfe, der am Montag und Dienstag (23./24. Mai) in Istanbul stattfindet. Einberufen vom Generalsekretär der Vereinten Nationen, soll der Gipfel die besten Ideen aus der ganzen Welt zusammentragen, um die humanitäre Hilfe in Zukunft zu verbessern. Ein zentrales Thema der Diskussion muss sein, den Bedürfnissen der Menschen in Krisengebieten gerecht zu werden.

Wie jeder helfen kann

Es gibt drei Möglichkeiten, wie Sie schon jetzt helfen können: Erstens, informieren sie sich, angefangen bei www.impossiblechoices.com und www.who.int/crises. Zweitens, unterstützen sie offen mutige Organisationen und Einzelpersonen, die Menschen in Notlagen helfen - inbesondere im Bereich der Gesundheitsfürsorge. Drittens, mischen sie sich in Diskussionen ein und beteiligen Sie sich aktiv an der Arbeit dieser Organisationen.

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon sagte kürzlich: "Der Weltgipfel für Humanitäre Hilfe soll denjenigen gewidmet sein, die an der Front der Menschlichkeit leben. Sie zählen auf uns. Wir können sie nicht im Stich lassen." Jeder, überall auf der Welt, hat das Recht gesund zu sein - einschließlich der Menschen in Krisengebieten. Es muss Kennzeichen unserer gemeinsamen Menschlichkeit sein, dass auch diese Menschen Zugang zu Ärzten und Medikamenten haben.

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