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Erkenntnisse über China

Sturm Peter Kommentarbild App PROVISORISCH
Peter Sturm
4. November 2016

China ist nicht mehr der Markt der unbegrenzten Möglichkeiten. Es ist Konkurrent westlicher Unternehmen. Diese Erkenntnis verunsichert auch die Politik, meint Peter Sturm von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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China Sigmar Gabriel in Peking
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel zu Besuch im chinesischen Nationalmuseum in PekingBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Sigmar Gabriel, der deutsche Wirtschaftsminister, hat im Zusammenhang mit seinem Besuch in China einige Dinge gesagt, die für Teile seiner sozialdemokratischen Partei wie Äußerungen aus dem Kalten Krieg geklungen haben müssen. Kritik an den Verhältnissen in der Volksrepublik öffentlich zu äußern - und sei es nur am Verhalten des Landes in ökonomischen Fragen - war über viele Jahre geradezu verpönt, nicht nur in der Politik. Wer zum Beispiel an das Massaker in Peking im Juni 1989 erinnerte, konnte von Unternehmern schon einmal zu hören bekommen, bei nicht genehmigten Demonstrationen komme doch auch in Deutschland die Polizei.

Sturm Peter Frankenberger Frankfurter Allgemeine Zeitung
Peter Sturm ist Redakteur der Frankfurter Allgemeinen ZeitungBild: Frankfurter Allgemeine Zeitung

Das war zu Zeiten, als China ausschließlich als Markt wahrgenommen wurde. Und es war auch ein deutscher Politiker, der vor Jahrzehnten von einem Riesengeschäft träumte. Er stellte sich vor, die deutsche Textilindustrie könne "jedem Chinesen ein Hemd" verkaufen. Solche Aussichten wollte sich die Wirtschaft nicht durch Kritik an politischer Unterdrückung kaputt machen lassen.

Inzwischen haben sich die Zeiten geändert. Das liegt zum Teil am natürlichen Lauf der Dinge. China hat sich enorm entwickelt, ist reicher und damit auch "größer" geworden. Zum Teil liegt es aber eben auch an einer Politik der chinesischen Regierung, die nicht beim Militär spart und in der Politik zunehmend aggressiv auf strategische Expansion setzt. Die einst so selbstsicheren Unternehmer sehen sich jetzt Konkurrenten gegenüber, die ihrerseits vom chinesischen Staat in ihrem Tun zumindest "inspiriert", wenn nicht gar direkt gelenkt werden, um in dessen strategischem Interesse zu handeln.

Nun ruft man auch aus Kreisen der Wirtschaft zart nach Intervention der Politik. Die hatte sich in der Vergangenheit sehr gerne zurückgehalten. Das "Argument" der Wirtschaft, Kritik störe das Investitionsklima, war ja auch allzu bequem. Aber jetzt geht es um heimische Arbeitsplätze, um die Zukunftsfähigkeit ganzer Industriezweige in Deutschland und Europa. Da werden dann auch Politiker wach. Und wenn sie, wie jetzt Sigmar Gabriel, faire Wettbewerbsbedingungen fordern, dann ist das nicht Kalter Krieg, sondern ganz einfach die Verteidigung legitimer Interessen. Dies muss man natürlich auch China zugestehen. Aber am Ende darf nicht nur einer den Vorteil haben. Diese Erkenntnis scheint außerhalb Chinas zu wachsen. Und das ist ganz sicher nichts Schlechtes.

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