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Politik

Putin sitzt in der Assad-Falle

24. November 2017

Mit russischer Hilfe hat der syrische Diktator Assad in nur einem Jahr das Terrain unter seiner Kontrolle von 19 auf über 50 Prozent vergrößert. Doch Putin sitzt nun in Syrien fest, meint Konstantin von Eggert.

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Russland Sotschi Treffen Assad und Putin
Bild: picture-alliance/abaca/Kremlin Press Office

Der Erfolg des Kremls - vielleicht ein temporärer, was im Nahen Osten meistens der Fall ist - überraschte viele, auch den Autor dieser Zeilen. Dieser Erfolg ist in erster Linie eine Folge der Schwäche der USA, die sich unter Barack Obama aus der Region faktisch zurückgezogen hatten. Putin ist ein Opportunist, ein Meister wenn es darum geht, politisches Vakuum zu füllen. Er hat das Konzept von Jewgeni Primakow (russischer Leiter der Auslandsaufklärung, Außenminister und Ministerpräsident unter Boris Jelzin - Anm. d. Red.) über eine strategische Zusammenarbeit mit dem Iran weiterentwickelt und umgesetzt.

Es heißt, der inzwischen verstorbene Primakow glaubte, das iranische Atomprogramm sei keine Gefahr für Russland. Seine These: Sollte die Regierung der Fundamentalisten einen Konflikt mit Moskau wagen, würde an der Stelle Teherans ein großer Krater von einer Explosion bleiben. Anders betrachtet ist das stark antiamerikanische Regime, das auf einen Kampf mit Washington eingestellt ist, auf einer Linie mit den Interessen des Kremls - möglichst viele Probleme für die verhassten Amerikaner zu schaffen.

Putin und Chomeinis Traum  

In drei Jahren half der Kreml den Mullahs aus Teheran, den Traum des Ajatollah Chomeini umzusetzen - eine von Teheran kontrollierte Region von Bagdad bis Beirut zu schaffen. Das Alawitenregime Assads ist ein Schlüsselelement in der iranischen Einflusssphäre. Nach einer faktischen Machtübernahme in Libanon in diesem Monat durch Teherans Agenten - die islamistische Organisation "Hisbollah" - kann Iran von einem großen geopolitischen Sieg sprechen. 

von Eggert Konstantin Kommentarbild App
Konstantin von Eggert

Warum also sprach Putin, als er Assad am 21. November in Sotschi empfing, von einem baldigen Ende der militärischen Phase des syrischen Einsatzes und versicherte, dass nur solche russischen Militärs in Syrien bleiben, die für die Arbeit und Sicherung der Stützpunkte in Tartus und Latakia nötig sind? Der russische Präsident verkündet nicht zum ersten Mal eine Reduzierung des Kontingents. Ob es zu dem versprochenen Abzug tatsächlich kommt, ist unklar. Ohne eine massive russische Unterstützung aus der Luft ist die syrische Armee nicht besonders effektiv.

Doch Putin möchte in Wirklichkeit die russische Rolle in der Region zurückfahren, so scheint es mir, um nicht im Mittelpunkt eines kommenden Zusammenstoßes zwischen Saudi-Arabien und dem Iran zu sein. Dabei könnte sich noch Israel Riad anschließen. Die Verbindungen beider Länder werden stärker. Unter dem neuen faktischen Herrscher des Königreichs, dem Kronprinzen Mohammed bin Salman, der stark antiiranisch eingestellt ist, spricht man über eine mögliche Aufnahme von offiziellen Beziehungen zu Israel. Die Saudis und die Israelis machen kein Geheimnis daraus, dass sie das Regime in Iran als eine existenzielle Gefahr sehen.

Moskau will in dieser Auseinandersetzung keine Seite annehmen, doch auch Assad kann man nicht fallen lassen. Sein Machterhalt ist das Hauptsymbol für den Sieg des Kremls und die Verwandlung Putins in einen informellen Anführer einer internationalen antiamerikanischen Koalition der autoritären Regime. Genau deshalb war Putin der erste russische Anführer in der Geschichte, der in Moskau einen saudischen König empfing. Der Kreml strebt eine Verbesserung der Beziehung zu den Saudis an, bevor die USA in den Nahen Osten "zurückkehren" und zusammen mit Israelis und Saudis Iran herausfordern.

Russlands Präsidentenwahlen 2018 und Syrien

Es gibt auch innenpolitische Gründe, das Ende des Syrien-Einsatzes zu verkünden, auch wenn es in Wirklichkeit noch weit entfernt ist. Erstens ist die Notwendigkeit gewachsen, vor den so genannten "Präsidentenwahlen" in Russland 2018, einen "Sieg" zu verkünden. Zweitens sind die staatlichen Finanzen nicht im besten Zustand und es ist besser, Geld zu sparen. Drittens will sich Putin auf andere Felder konzentrieren - die Ukraine, Widerstand gegen neue Sanktionen und den Erhalt politischer Kontrolle über Russland selbst.

Putin möchte als Sieger die Bühne in Syrien verlassen. Doch es wird keine politische Lösung geben und ein Bürgerkrieg ist jederzeit möglich. Die Kurden könnten mit der US-Hilfe einen eigenen Staat ausrufen. Oder Irans aggressives Vorgehen könnte Israel zu entschlossenen Handlungen bewegen. Nachdem sich der Kreml mit dem Regime in Teheran verbunden hat, wird er mit ihm nicht nur Siege, sondern nun auch Schwierigkeiten teilen müssen. Das Treffen in Sotschi ist kein Punkt, sondern ein Komma in der Nahostpolitik Moskaus.                 

Konstantin von Eggert ist Kommentator und Moderator beim unabhängigen russischen TV-Sender Dozhd.

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