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Politik

Vom Schurkenstaat zum Partner

SWP Dr. Annette Weber
Annette Weber
12. August 2017

Die USA und die EU sollten die Normalisierung ihrer Beziehungen zum Sudan an klare Bedingungen knüpfen. Nur so können sie auch ihre eigenen Interessen langfristig sinnvoll verfolgen, meint Annette Weber.

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Sudans Präsident Omar al-Bashir
Sudans Präsident Omar al-BashirBild: Ashraf Shazly/AFP/Getty Images

Nach mehr als 20 Jahren hat sich der Westen entschieden, den Sudan aus der Ecke der Schurkenstaaten herauszuholen und zum Partner zu machen. Spätestens mit der Unterzeichnung eines Kooperationsvertrags zwischen dem US-amerikanischen Geheimdienst CIA und dem sudanesischen Geheimdienst NISS im September vergangenen Jahres hat sich der Wind für die Regierung in Khartum gedreht.

Zuvor schon wurde die Teilnahme am Jemen-Krieg unter Führung Saudi-Arabiens zum dringend benötigten Devisensegen. Nachdem US-Präsident Barack Obama in seinen letzten Tagen im Amt auch noch ankündigte, die seit 20 Jahren geltenden Sanktionen binnen einer Frist von sechs Monaten mit Wirkung zum 12. Juli 2017 aufzuheben, atmete die Regierung unter Präsident Bashir vollständig auf.

Die in Aussicht gestellte Aufhebung der Sanktionen und die Möglichkeit einer Normalisierung, die mit der Wiederaufnahme von Entwicklungszusammenarbeit, mit Investitionen und mit Finanzhilfen einhergehen könnten, sind Hebel, die der Westen derzeit in der Hand hat.

Stabilitätsfaktor in einer krisenreichen Region

Der Sudan wird von den USA und Europa derzeit als strategischer Partner in einer konfliktreichen Region zwischen Libyen, dem Roten Meer und dem Horn von Afrika wahrgenommen. So informieren die sudanesischen Geheimdienste die USA über die Tätigkeit dschihadistischer Gruppierungen von Somalia bis Nigeria.

SWP Dr. Annette Weber
Annette Weber von der Stiftung Wissenschaft und PolitikBild: SWP

Für die Europäer ist die strategische Position des Landes als Transitzone für Flüchtlinge und Migranten vom Horn von Afrika von Bedeutung, insbesondere mit Blick auf die zahlreichen Eritreer, die über die sogenannte mittlere Mittelmeerroute über Libyen nach Italien gelangen. Das gemeinsame Ziel bei der Grenzkontrolle ist es, den Darfur-Rebellen, die sich in Libyen als Söldner verdingen, den Rückzug zu erschweren, mögliche Dschihadistenrouten zwischen dem Sahel und dem Horn von Afrika abzuschneiden und letztendlich die Migrationsströme zwischen dem Horn von Afrika und dem Mittelmeer zu kontrollieren. Für seine Kooperation erwartet der Sudan hier finanzielle Unterstützung von der EU.

Paradoxerweise gilt das Land trotz der Kämpfe im Inneren als Stabilitätsfaktor in einer Region großer Krisen, Machtkämpfe und Konflikte. So fungiert der Sudan als wichtiger Puffer zwischen den verfeindeten Nilwassernutzern Ägypten und Äthiopien und ist der einzig mögliche regionale Vermittler zwischen den Erzfeinden Eritrea und Äthiopien. Gerade die Möglichkeit einer militärischen Eskalation beider Konflikte steigert die europäische Nervosität, vor allem weil weitere Gewaltausbrüche einen Anstieg der Flüchtlingszahlen zur Folge haben könnten. Und schließlich ist auch der Einfluss Khartums auf den Konflikt im Südsudan für den Westen von Bedeutung.

Omar al-Baschir im Sudan
Triumph für Bashir: Er kehrt zurück nach Khartum, nachdem Südafrika ihn 2015 ausreisen lässt - statt ihn festzunehmen und an den Internationalen Strafgerichtshof auszuliefernBild: Getty Images/AFP/E. Hamid

Alles andere als ein idealer Partner

Die regionale und internationale Relevanz des Sudan ist unbestritten. Die Einschätzungen, ob und gegebenenfalls zu welchen Themen mit der Regierung in Khartum kooperiert werden kann und soll, bleibt jedoch unter westlichen Partnern und Beobachtern umstritten. Denn der Sudan ist alles andere als ein idealer Partner: Der Präsident wird wegen Kriegsverbrechen per Haftbefehl vom Internationalen Strafgerichtshof gesucht, die Regierung führt weiterhin in Darfur und den Nuba-Bergen Krieg, und in Rankings zu Menschenrechten und politischen Freiheiten rangiert der Sudan weit hinten.

Allerdings zeigt sich die Regierung in den letzten Jahren - und vor allem seit der Ankündigung, dass die Sanktionen aufgehoben werden - durchaus bereit, kleine Schritte in Richtung politischer Öffnung und Frieden zu gehen. So hat der Aufruf des Präsidenten 2014 zu einem "Nationalen Dialog" bewirkt, dass sich politische und bewaffnete oppositionelle Kräfte organisieren und zumindest erste Gespräche mit der Regierung zur Beendigung der Konflikte geführt werden konnten.

Weitere Fortschritte sind darauf zurückzuführen, dass die Aufhebung der Sanktionen an eine sechsmonatige Frist gekoppelt ist. So wurden etwa der bislang schwierige Zugang für humanitäre Hilfe verbessert, bürokratische Hürden und Reisebeschränkungen aufgehoben und Militäroffensiven weitgehend eingestellt. Profunde Veränderungen sind bislang jedoch ausgeblieben.

Der "Nationale Dialog", der ursprünglich zu einer weitreichenden politischen Reform führen sollte, war nicht mehr als eine Regierungskonsultation mit einem kleinen Teil des politischen Spektrums. Auch stocken die Friedensverhandlungen mit den Rebellen aus den umkämpften Gebieten in Darfur und an der Grenze zum Südsudan. Weiterhin sitzen Menschen ohne Anklage oder Verfahren in Gefängnissen, Zeitungen werden zensiert und politische Versammlungen zerschlagen.

Grenzgebiet zwischen Sudan und Südsudan
Flüchtlinge aus den umkämpften Nuba-Bergen Bild: Getty Images

Fragwürdige Kooperation mit autoritären Führungen

Entscheidend ist nun, dass Sichtbarkeit und schnelle Erfolge nicht zum Leitmotiv des westlichen Engagements werden. Im Augenblick sieht es so aus, als würden USA und EU die Standards einer werteorientierten Außenpolitik über Bord werfen und sich mit kleinen Schritten der politischen Öffnung zufriedengeben, so lange Erfolge beim Rückgang der Migrationszahlen nach Europa und im Kampf gegen den Terror kurzfristig sichtbar werden.

Man redet sich das Gegenüber schön und hofft darauf, dass Autoritarismus auch Stabilität bedeutet, und der Ertrag das politische Risiko der Zusammenarbeit mit einem repressiven Regime rechtfertigt. Das könnte fatale Folgen haben, denn dem sozialen Unfrieden bzw. den Konfliktursachen und damit den Ursachen von Flucht und Radikalisierung ist so nicht beizukommen.

Eine engagierte Politik des Westens indes, die eigene Interessen umfassend und nachhaltig umsetzten möchte, könnte die vom Sudan so lange ersehnte Normalisierung der Beziehungen durchaus an konkrete Forderungen knüpfen. Sie müsste sich gerade jetzt verstärkt dafür einsetzen, dass Friedensbemühungen ernsthaft und engagiert betrieben und an die Gestaltung einer demokratischen Transformation gekoppelt werden. Und sie müsste dafür sorgen, dass wirtschaftliche Erleichterungen nicht nur kurzfristig Elitennetzwerke zufriedenstellen, sondern die gesamte sudanesische Gesellschaft stabilisieren.

Dr. Annette Weber ist Senior Fellow der Stiftung Wissenschaft und Politik mit den Forschungsschwerpunkten Regionale und innerstaatliche Konflikten am Horn von Afrika, Fragen von politischer Ordnung, gesellschaftlichem Wandel und dem Staatsaufbau in fragilen Staaten.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Qantara.de

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