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Politik

Wieder ganz kalt

Frankenberger Klaus-Dieter Kommentarbild App PROVISORISCH
Klaus-Dieter Frankenberger
6. Oktober 2016

In Syrien und der Ukraine wird sie ganz deutlich - aber die Krise in den amerikanisch-russischen Beziehungen strahlt weit darüber hinaus, meint Klaus-Dieter Frankenberger von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Nordirland G8 Gipfel Wladimir Putin und Barack Obama
Bild: Getty Images/AFP/J. Samad

Wenn Präsident Barack Obama in gut drei Monaten aus dem Amt scheidet, wird er vielleicht für sich geklärt haben, was er für sein größtes Versäumnis, seinen größten Fehler in der Außenpolitik hält. Das halbherzige, planlose Eingreifen in Libyen und das Chaos, welches darauf folgte? Der Verzicht, das Überschreiten der selbstgezogenen "rote Linie" in Syrien zu ahnden, und das Abgleiten des Landes in die Hölle von Massenord und Terror? Oder ist es das Unvermögen, das Verhältnis zu Russland wieder auf einen guten Weg zu bringen? Immerhin hatte Obama gleich nach Amtsantritt mit melodramatischer Geste den "Neustart" im amerikanisch-russischen Verhältnis ausrufen lassen. Darin war zwar auch eine Kopfnuss für seinen Vorgänger George W. Bush versteckt, aber immerhin: Obama wollte den russischen Präsidenten Putin nicht neoimperial herausfordern, sondern ihn zum Partnerschaftstanz einladen.

Klaus Dieter Frankenberger Frankfurter Allgemeine Zeitung
Klaus Dieter Frankenberger ist Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Bild: Frankfurter Allgemeine Zeitung

Heute ist das völlige Scheitern dieses Versuchs auf schreckliche Weise offenkundig. Die Beziehungen sind so "kalt" wie zu keinem anderen Zeitpunkt nach Ende des sogenannten "Kalten Krieges". Die russische Führung, verfolgt von den Gespenstern "bunter Revolutionen" in der Nachbarschaft und von Protesten im eigenen Land, fuhr im Inneren die Repression hoch, garniert mit anti-amerikanischer Rhetorik, und suchte - mit einer Ausnahme - die Konfrontation mit den Vereinigten Staaten und nicht die Kooperation. Auf Russlands aggressive Ukraine-Politik folgte die militärische Intervention in Syrien - Putin nutze das Vakuum aus, welches das zaudernde und wenig muskulöse amerikanische Verhalten hinterlassen hatte.

Mit der Behauptung, er suche nur globale Ebenbürtigkeit mit den Vereinigten Staaten, drückte er Obama seinen Finger ins Auge. An Dreistigkeit nicht zu überbieten ist die Bombardierung eines UN-Konvois, während sich Moskau und Washington kurz zuvor noch über eine Waffenruhe für Aleppo einig zu sein schienen. Eine Farce! Aleppo ähnelt heute immer mehr der tschetschenischen Hauptstadt Grosnij, welche die russische Kriegführung vor Jahren in Schutt und Asche gelegt hatte.

Putin hat offenkundig entschieden, dass er Obama, den er für einen Schwächling hält, in dessen verbleibenden Monaten keinen Erfolg mehr gönnen will. Vielleicht denkt er sogar, sollte Donald Trump Präsident werden, hätte er einen Bruder im Geiste im Weißen Haus - starke Männer unter sich. Sollte Hillary Clinton Obama nachfolgen, könnte Putin vermutlich auf mehr Widerstand stoßen, aber der wäre freilich auch nicht unüberwindbar.

Für den Augenblick und die nächste Zukunft ist nüchtern festzustellen: Putin träumt noch immer von den alten sowjetischen Zeiten. So lange er diesen Traum träumt und sich entsprechend verhält, gefällt ihm die Rolle des Störenfriedes, dem keiner kann.

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