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Gauck wird in der Türkei für Grundfreiheiten werben

Senada Sokollu, Istanbul25. April 2014

Der Bundespräsident wird bei seinem Türkei-Besuch die Themen Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit ansprechen. Doch ein großes Medienecho werde es in der Türkei wohl nicht geben, meinen Experten.

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Bundespräsident Joachim Gauck (Foto: Getty Images)
Bild: Getty Images

Der Besuch Joachim Gaucks in der Türkei (26.-29.04.2014) findet zu einem Zeitpunkt statt, zu dem die Wogen um die umstrittene Sperre des Kurznachrichtendienstes Twitter und die Korruptionsvorwürfe gegen Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan noch nicht verebbt sind. Nach Informationen des Präsidialamts stehen die Themen Rechtsstaatlichkeit und Grundfreiheiten im Mittelpunkt der viertägigen Reise. Gauck wird den türkischen Staatspräsidenten Abdullah Gül und Premierminister Recep Tayyip Erdogan treffen. Geplant ist unter anderem auch ein Besuch in einem Flüchtlingslager für Syrer im südosttürkischen Kahramanmaras und bei den Bundeswehr-Soldaten in der Region.

Deutsch-türkische Freundschaft steht im Vordergrund

"Die Besuche der Bundespräsidenten in der Türkei werden regelmäßig als Gelegenheit genutzt, um die deutsch-türkische Freundschaft zu feiern", so Emre Gönen, Politikwissenschaftler am Europäischen Institut der Bilgi-Universität in Istanbul, im DW-Gespräch. "Ich denke nicht, dass es große Erwartungen an den Besuch gibt." Viel größeres Interesse würden Staatsbesuche der Bundeskanzlerin Angela Merkel wecken: "Da geht es um knallharte Politik." Vor allem die regierungsnahen Medien berichten wenig über den Gauck-Besuch. So erwähnt die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu in ihrem Artikel "Der deutsche Bundespräsident Gauck kommt in die Türkei" mit keinem Wort, dass er die Themen Presse- und Meinungsfreiheit ansprechen will. Die türkische Zeitung Hürriyet fasst sich zwar knapp, spricht aber Gaucks Themenschwerpunkte an: Demokratie, Presse- und Meinungsfreiheit. Die private Nachrichtenagentur Cihan beschränkt sich auf einen kurzen Lebenslauf des Bundespräsidenten.

Der türkische Politikwissenschaftler Emre Gönen (Foto: DW/Sokollu)
Gönen: "Bessere Situation der Deutschtürken"Bild: Senada Sokollu

Diese unterschiedliche Berichterstattung sei in der Türkei üblich, so der türkische Politologe und Kolumnist Cengiz Aktar, der unter anderem am Istanbul Policy Center (IPC) tätig ist. "Die Erdogan-freundlichen Medien werden kaum über den Besuch berichten. Andere schon, aber auch nicht ausführlich. Das liegt aber weniger an Pressezensur als an Gaucks türkischem Hauptgesprächspartner: Dieser ist nämlich Präsident Gül und nicht Premier Erdogan", so Aktar im DW-Gespräch. Eine solche Konstellation sei Absicht und mittlerweile ein Klassiker bei Staatsbesuchen von politischen Persönlichkeiten aus dem Westen in der Türkei. "Als Politiker aus einem westlichen Land ist es nicht einfach, sich mit einem Premier zu treffen, der sich inmitten eines Korruptionsskandals befindet. Das könnte ein schlechtes Licht auf den Besucher werfen. Daher ist es durchaus verständlich, dass Gauck sich hier zurückhält und es ist durchaus ein politisches Signal", meint Aktar.

EU-Beitritt - das Grundproblem mit Deutschland

Das zentrale Problem, das Ankara momentan mit der deutschen Politik habe, betreffe die EU-Mitgliedschaft der Türkei, betont der Politikwissenschaftler Emre Gönen. "Die CDU/CSU spricht sich klar gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU aus." Gönen kritisiert das und fordert: "Vor allem Deutschland muss sich entscheiden, ob die Türkei nun Teil der EU wird, mit allen Rechten und Pflichten - oder ob nicht."

Gleichzeitig hebt der Politikwisenschaftler die deutsche Wirtschaft als besonders wichtigen Partner der Türkei hervor. "Die meisten türkischen Industriezweige wurden durch deutsches Know-How, Technologie und Normen aufgewertet", so Gönen. Außerdem haben deutsche Unternehmen wie Bosch Produktionszentren in die Türkei verlegt.

EU-Fahne und Türkei-Fahne (Foto: dpa)
Die EU-Integration der Türkei bleibt ein StreitpunktBild: picture-alliance/dpa

Die deutsch-türkischen Beziehungen seien aber auch wegen der türkischen Diaspora in Deutschland traditionell sehr eng. "Durch die Große Koalition in Deutschland bessert sich auch die Situation der Deutschtürken - was man an dem Gesetz zur doppelten Staatsbürgerschaft erkennen kann", so Gönen. Danach müssen in Deutschland geborene Kinder von Migranten sich in Zukunft nicht mehr - wie bisher - für die deutsche Staatsangehörigkeit oder die ihrer Eltern entscheiden, sondern können beide Pässe besitzen, wenn sie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres mindestens acht Jahre lang in Deutschland gelebt haben.

Gönen sieht noch einen weiteren Aspekt als Indiz für die deutsch-türkische Verbundenheit. Der Begriff "Gastarbeiter" sei schon lange Vergangenheit: "Die Türken in Deutschland gehören zu Deutschland. Sie gehen nicht weg. Das bringt die beiden Länder unweigerlich zusammen." Auch für den Bundespräsidenten sind die kulturellen Beziehungen zwischen den beiden Staaten wichtig: Joachim Gauck wird zusammen mit Abdullah Gül die Deutsch-Türkische Universität in Istanbul eröffnen.