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Gedenken an Drietrich Bonhoeffer

Stefan Dege und Michael Hollenbach9. April 2015

Vor 70 Jahren ermordeten die Nazis Dietrich Bonhoeffer. Er wurde nur 39 Jahre alt. Heute gilt er als einer der bedeutendsten Theologen des 20. Jahrhunderts. War er ein "evangelischer Heiliger"?

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Pazifist Dietrich Bonhoeffer
Bild: picture-alliance/dpa

Sein Leben gab sogar Stoff für das Musiktheater. Die Oper "Vom Ende der Unschuld" ist eine Parabel auf Leben und Wirken des evangelischen Theologen. Während des Evangelischen Kirchentags 2013 in Hamburg wurde das Stück uraufgeführt. Doch Dietrich Bonhoeffer als Opernheld? Oper als Banalisierung des Guten? "Dietrich Bonhoeffer hat aus dem Glauben heraus in einer schweren und falschen Zeit Richtiges getan – ein Mensch, an dem man sich ein Beispiel nehmen kann", lobte Kirchentagspräsident Gerhard Robbers damals.

Das Konzentrationslager Flossenbürg in der Oberpfalz am 9. April 1945: Dietrich Bonhoeffer stirbt am Galgen – nur einen Monat vor Ende des Zweiten Weltkriegs. Als er die Stufen zum Galgen hinaufsteigt, wirkt er "gefasst" und "innig mit seinem Herrgott verbunden", wie ein KZ-Arzt notierte. Fakt ist: Der wegen Hochverrats Verurteilte wird eines der letzten Opfer des nationalsozialistischen Terror-Regimes.

Evangelischer Kirchentag 2013 / Szene Oper Vom Ende der Unschuld (Foto: Stefan Dege)
Szene der Bonhoeffer-Oper "Vom Ende der Unschuld" auf de Evangelischen Kirchentag 2013Bild: DW/S. Dege

Er predigte die Gegenwart Christi

Bonhoeffer hat die christliche Nachkriegstheologie beeinflusst wie kaum ein Zweiter seiner Generation. Sein Diktum, dass Kirche vor allem Kirche für andere zu sein habe, bricht mit der alten Kirchenposition, die sich meist um sich selbst drehte. Bonhoeffer predigte die Gegenwart Christi in der Welt. Er schuf ein anderes, ein überkonfessionelles Kirchenbild, zu dem sich heute konservative wie fortschrittliche Theologen bekennen: Der Glaube als Nachfolge Christi, mit allen Konsequenzen. Das ist das Vermächtnis des am 4. Februar 1906 geborenen Dietrich Bonhoeffer.

Heute spaltet Dietrich Bonhoeffer die evangelischen Kirchen nicht mehr. Aber noch 1953 lehnte der bayerische Landesbischof Hans Meiser ab, als man ihn zu einer Gedenkveranstaltung für Bonhoeffer einlud. Bonhoeffer sei nicht als Märtyrer gestorben, rechtfertigte sich der evangelische Bischof, sondern weil er den Umsturz des Regimes vorbereitet habe. Mittlerweile bewertet die Kirche Bonhoeffers konspirativen Widerstand völlig anders: So nannte der einstige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, Bonhoeffer einen "evangelischen Heiligen".

Theologischer Senkrechtstarter

Dietrich Bonhoeffer
Dietrich Bonhoeffer (1906 - 1945)Bild: imago/epd

Bonhoeffer wuchs als sechstes von acht Kindern in Breslau und Berlin auf. Der Vater, ein renommierter Psychiater, war nicht besonders religiös. Auch Dietrichs Mutter, eine Pastorentochter, hatte wenig Kontakt zur Kirche. So war es eher überraschend, dass sich der 17-Jährige 1923 zum Theologiestudium entschied - aus intellektuellem Interesse. Bereits mit 21 Jahren promoviert er, mit 25 war er Privatdozent - eine akademische Blitzkarriere. Doch erst als er 1930 ans Theologische Seminar nach New York ging, veränderte sich Bonhoeffers Glaube. Er setzte sich intensiv mit der Bergpredigt auseinander, nicht ohne Folgen. Später schrieb Bonhoeffer, er sei "bis zu seiner New Yorker Zeit zwar Theologe, aber noch kein Christ" gewesen. Der Theoretiker, den so mancher Kommilitone als überheblich erlebte, wurde zum Praktiker, der für Frieden und Gerechtigkeit kämpfen wollte. Sein Credo lautete jetzt: Die Kirche sei allen, auch den nicht-christlichen Opfern jeder Gesellschaftsordnung, verpflichtet. Eine Verstoßung der Juden ziehe die Verstoßung Christi nach sich, denn Jesus Christus war ein Jude.

Lehr- und Redeverbot

Weil er in der an den Nationalsozialismus angepassten Reichskirche nicht Pastor sein wollte, ging Bonhoeffer 1933 als Pfarrer nach London. Zurück in Deutschland, leitete er von 1935 an das Predigerseminar der oppositionellen Bekennenden Kirche im pommerschen Finkenwalde, bis es 1937 von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) geschlossen wurde. Bonhoeffer bekam Lehrverbot, 1940 Redeverbot. Im gleichen Jahr schloss er sich der Widerstandsgruppe um Generalmajor Hans Oster und seinen Schwager Hans von Dohnanyi an. Er lässt sich auf ein riskantes Doppelleben ein: Offiziell ist er Reiseagent der "Abwehr", tatsächlich aber weiht er im Ausland Kirchenmänner in die Putschpläne gegen Hitler ein.

Hinrichtung durch die SS

KZ Flossenbürg 1945 (Foto: akg-images)
KZ Flossenbürg: Hier starb Dietrich BonhoefferBild: picture alliance/akg-images

Am 5. April 1943 wird Bonhoeffer wegen "Zersetzung der Wehrkraft" verhaftet. Im Zuchthaus Berlin-Tegel hat er Zeit, Bücher zu lesen, Briefe und Gedichte zu schreiben und wissenschaftlich zu arbeiten. Als das Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 fehlschlägt, findet die Gestapo Dokumente, die auch Dietrich Bonhoeffer belasten. Ein halbes Jahr später wird er in das Konzentrationslager Buchenwald verlegt. Die Hinrichtung geschieht dann im KZ Flossenbürg. Von einem Mitgefangenen soll Bonhoeffer sich mit den Worten verabschiedet haben: "Das ist das Ende - für mich der Beginn. Seine Leiche wurde verbrannt, ein Grab dieses "evangelischen Heiligen" gibt es nicht.