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Geert Wilders ist kein Einzelgänger

2. Oktober 2010

In den Niederlanden soll die Regierung von der Partei des Islamkritikers Geert Wilders toleriert werden. Das Beispiel Wilders könnte in Europa Schule machen, kommentiert Daniel Scheschkewitz.

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Europa verändert sich und der überschaubare Kosmos der kleinen Niederlande ist ein zuverlässiger Indikator für die Zäsur, die vieler Orten gerade stattfindet. Da droht aus dem einstmals liberalen Vorzeigemodell für Toleranz und Freizügigkeit plötzlich ein in sich gekehrtes, abgeschottetes Land zu werden, in dem die Zugehörigkeit zu einer anderen als der christlichen Religion zum Stigma wird. Das geplante Burka-Verbot und die Einwanderungsbeschränkungen für Bürger nicht-westlicher Staaten, die Eindämmung des Stroms von Asylbewerbern, ein angestrebter Sozialabbau und die angestrebte Reduzierung der EU-Beiträge lassen aufhorchen. In den Niederlanden weht ein anderer Wind, der Muslime und karitative Gruppen frösteln lässt.

Aber auch die europäischen Nachbarn der Holländer müssen sich fragen: Liegen die Niederlande im europäischen Trend? Wie konnte es passieren, dass ein Populist und Demagoge vom Schlage Geert Wilders innerhalb kürzester Zeit mit einer Partei auf zweistellige Wahlergebnisse kam und nun die etablierten Parteien im Lande vor sich hertreiben kann? Geert Wilders ist schon jetzt der heimliche Regierungschef, der die politische Agenda setzt und unsichtbar am Kabinettstisch in Den Haag mitregiert.

Konsensgesellschaft in Auflösung

Daniel Scheschkewitz (Foto: DW)
Daniel ScheschkewitzBild: DW

All das kam nicht über Nacht. Der Mord am Rechtspopulisten Pim Fortuyn im Jahr 2002, der Mord an dem islamkritischen Filmemacher Theo van Gogh zwei Jahre später und das negative EU-Verfassungsreferendum 2005 haben den Paradigmenwechsel in den Niederlanden angekündigt. Das Poldermodel einer toleranten Konsensgesellschaft war in Auflösung begriffen, weil die Spannungen im Land zu lange unter dem Deckmantel eines allumfassenden Wohlfahrtstaates versteckt wurden. Jetzt rächt es sich, dass man in den Vorstädten die Zuwanderer abgeschottete Subkulturen bilden ließ, die es sich in den Nischen des holländischen Wohlfahrtstaates bequem einrichten konnten, ohne sich jedoch den Mühen einer aktiven Integration zu unterziehen.

Friedliches Nebeneinander wurde von wachsenden Polarisierungstendenzen abgelöst. Der Politik war es egal, solange das Steueraufkommen reichte und die Menschen die etablierten Parteien wählten. Jetzt rütteln Gert Wilders und seine Gefolgsleute am Selbstverständnis einer traditionell weltoffenen und auf Austausch bedachten Nation.

Fremdenfeindlichkeit in Europa

Das Beispiel Wilders könnte Schule machen, auch in anderen Ländern Europas. Die Politik Frankreichs gegenüber den Roma steht in einem bedenklichen Einklang mit der fremdenfeindlichen Tonlage im Land der Grachten und Windmühlen. In Ungarn erzielte die rechtsextreme Jobbik-Partei zuletzt 15 Prozent der Wählerstimmen und auch in Polen oder Dänemark sind fremdenfeindliche Parteien im Parlament vertreten. Geert Wilders ist kein Einzelgänger und die Brandstifter gegen die religiöse Toleranz könnten bald über die Niederlande hinaus Nachahmer finden.

Autor: Daniel Scheschkewitz

Redaktion: Dirk Eckert