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Merkel in Gefahr?

Wolfgang Dick18. Februar 2012

Bundeskanzlerin Merkel nahm zum Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff nur kurz Stellung. Nachfragen der Presse ließ sie nicht zu. Der Fall Wulff erwischt Merkel zu einem ungünstigen Zeitpunkt.

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Kanzlerin Merkel und der inzwischen zurückgetretene Bundespräsident Wulff (Foto: dapd)
Bild: dapd

Der Rücktritt des Bundespräsidenten, des obersten Repräsentanten Deutschlands, bringt der Bundeskanzlerin große Probleme. Ausgerechnet mittten in wichtigen Verhandlungen um eine Lösung der schweren Euro-Krise muss sich Merkel nun darum kümmern, eine Staatskrise zu bewältigen. Am Freitagmorgen bereits sagte Bundeskanzlerin Merkel ihre geplante Reise zu Italiens Regierungschef Mario Monti kurzfristig ab. Die Suche nach einem Nachfolger für Christian Wulff und das Gerangel um einen geeigneten Kandidaten wird nochmals viel Aufmerksamkeit der Kanzlerin von der Bewältigung der Eurokrise abziehen.

Eine Machtfrage

Für Angela Merkel geht es aber auch um ihre Machtposition. Ein Bundespräsident muss nämlich alle vom Parlament beschlossenen Gesetze unterzeichnen. Tut er dies nicht, können geplante Gesetze nicht in Kraft treten. Daher hat die Bundeskanzlerin ein natürliches Interesse daran, einen Nachfolger zu benennen, der eine gewisse Nähe zu ihrer Politik aufweist. Dazu müsste der Kandidat von ihrer Regierungskoalition aus FDP und CDU/CSU genügend Unterstützung erhalten. Und zwar in dem Gremium, das den Bundespräsidenten wählt. Das ist die Bundesversammlung. Darin sitzen die Mitglieder des Bundestages und noch einmal soviele Menschen, die von den Bundesländern, also vom Bundesrat benannt werden.

Mehrheit auf Zeit in der Bundesversammlung

In der Bundesversammlung fiel schon im Jahr 2010 die Entscheidung für Merkels Kandidat Christian Wulff erst im dritten Wahlgang. Jetzt droht es noch knapper zu werden. Bis spätestens 18. März muss nämlich die Bundesversammlung zusammentreten, um den Nachfolger für Christian Wulff zu wählen. Das bedeutet, dass die Kanzlerin noch vor dem 6. Mai, dem Tag der Landtagswahl in Schleswig Holstein, auf ihre schwarz-gelbe Mehrheit in der Bundesversammlung zählen kann.

Die Bundesversammlung wählt den Bundespräsidenten (Foto:dpa)
Die Bundesversammlung wählt den BundespräsidentenBild: picture alliance/dpa

Verliert bei der Landtagswahl nämlich die derzeit noch regierende Koalition aus CDU und FDP, dann geht Angela Merkel ihre Mehrheit im Bundesrat verloren. Im Bundesrat sitzen die Vertreter der 16 Bundesländer und sie stellen die Hälfte der Wahlfrauen und Männer in der Bundesversammlung.

Ansehen der Kanzlerin bisher nicht geschädigt

Ein Problem scheint Angela Merkel als Bundeskanzlerin nicht zu haben. Einen größeren Imageschaden, der ihr das Regieren schwer machen könnte. In den letzten Wochen stieg sogar ihr Ansehen in den Umfragen. In der deutschen Bevölkerung kommt gut an, wie Angela Merkel die Euro-Krise bisher meisterte. Dass ihr Bundespräsident seit Jahresbeginn beschuldigt wird, sich im Amt  von Freunden aus der Wirtschaft private Vorteile verschafft zu haben, scheint Kanzlerin Merkel nicht geschadet zu haben.  

Christian Wulff war immerhin der Wunschkandidat von Angela Merkel für das Amt des Bundespräsidenten. Im Jahr 2010 war Christian Wulff noch als Ministerpräsident von Niedersachsen sehr erfolgreich. Er galt damals sogar als heimlicher Anwärter für das Amt des Bundeskanzlers. Nach Einschätzung von vielen Politik-Beobachtern in Berlin habe Angela Merkel deshalb strategisch gedacht.

Das positive Bild des damals 51-Jährigen sollte dem Amt des Bundespräsidenten und nicht zuletzt ihr zuträglich sein. 2010 war nämlich mit Horst Köhler schon einmal ein Bundespräsident überraschend zurückgetreten. Dem sollte eine Person folgen, die diese für Merkel peinliche Situation vergessen macht. 

Sollten sich die Vorwürfe der jetzt gegen Christian Wullf ermittelnden Staatsanwaltschaft bestätigen, dann hätte sich Kanzlerin Merkel arg verschätzt. Und man könnte ihr vorwerfen, sie hätte zu lange an einem Menschen festgehalten, der diese Treue nicht verdient hätte. Kritische Stimmen der Opposition gingen schon in den letzten Tagen in diese Richtung. Eine bisher rein innerdeutsche Diskussion. International wird ihr die Affäre Wulff kaum schaden.

An diesem Samstag (18.2.2012), werden die Spitzen der Koalition zusammenkommen und über mögliche Nachfolger für Christian Wulff beraten.

Autor: Wolfgang Dick
Redaktion: Volker Wagener