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Commerzbank-Abenteuer

Henrik Böhme9. Januar 2009

Der Bund greift der angeschlagenen Commerzbank mit zehn Milliarden Euro unter die Arme und sichert sich 25 Prozent plus eine Aktie. Ein nicht ungefährliches Abenteuer, meint Henrik Böhme.

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Die Dementis waren allzu laut: Nein - so bemühte sich die Politik nach Kräften - nein, der Einstieg des Staates bei der Commerzbank sei keine Teilverstaatlichung. Was aber ist es sonst, wenn der Bund ein Viertel aller Anteile an Deutschlands zweitgrößter Bank hält plus eine Aktie, die ihm ein Vetorecht bei allen wichtigen Entscheidungen des Aufsichtsrates sichert?

Im Grunde genommen ist nichts anderes geschehen, als die Umsetzung dessen, was vereinbart wurde, als die Bundesregierung den 500-Milliarden-Rettungsschirm für die Banken aufspannte. Wer Mittel aus dem Rettungsfonds in Anspruch nimmt, muss im Gegenzug Aktienpakete an den Bund abgeben. Damit verbindet sich die Hoffnung, die Anteile irgendwann, wenn die Zeiten besser sind, wieder zu verkaufen - am liebsten mit Gewinn. Doch diese Rechnung wird nicht aufgehen. Es ist ein abenteuerlicher Deal - aber es gab wohl keine Alternative.

Schwer verdaulich

Vor allem zeigt die hektische Rettungsaktion vom Donnerstag eines: Die Banker haben ihre Lektion aus der Weltfinanzkrise noch nicht gelernt. Die Commerzbank ist gerade dabei, sich die Reste der einst stolzen Dresdner Bank einzuverleiben. Doch diese Reste sind offenbar schwer verdaulich. In den Büchern der Dresdner finden sich immer größere Milliardenlöcher, die nun mit Staatsgeldern gestopft werden.

Dies hatte Commerzbank-Chef Martin Blessing im Kalkül, als er den Deal vor vier Monaten durchzog. Er konnte sich sicher sein, dass der Staat es nicht zulassen würde, dass gleich zwei seiner traditionsreichsten privaten Geldhäuser zu Grunde gehen. Denn die sogenannte Eigenkapitalquote beider Häuser - also das Geld, wofür noch Sicherheiten da sind - diese Quote war gefährlich klein geworden.

Eine neue "Bundesbank"

Schade, dass der Name "Bundesbank" schon vergeben ist. Sonst hätte die Commerzbank beste Chancen darauf gehabt. Dabei hat der Staat schon genug damit zu tun, die öffentlich-rechtlichen Landesbanken von Hamburg bis München am Leben zu erhalten. Denn die vor allem hatten sich in der Subprime-Krise massiv verspekuliert und Milliarden verzockt. Jetzt müssen sie mit Milliardenspritzen aus Steuergeldern stabilisert werden.

Und nun hat der Staat einen weiteren Klotz am Bein: Immerhin schleppt die Commerzbank eine gigantische Altlast mit sich herum: Nämlich Kredite in Höhe von 460 Milliarden Euro. Angesichts der geradezu dramatischen Nachrichten aus der Wirtschaft, wo die Aufträge wegbrechen wie noch nie in der jüngeren Geschichte, ist davon auszugehen, dass viele Unternehmen die Raten nicht zurückzahlen werden können.

Stakkato schlechter Nachrichten

Es ist die Zeit der Hiobsbotschaften. Das neue Jahr hat mit einem Stakkato schlechter Nachrichten begonnen. Die Krise hat den Arbeitsmarkt erfasst. Die Industrie verzeichnet einen noch nie erlebten Einbruch bei den Aufträgen, der Export bricht weg. Wer es bislang nicht glauben wollte, der muss spätestens jetzt einsehen: Die Weltwirtschaftskrise hat Deutschland fest im Griff. Und weil die deutsche Wirtschaft so stark von den Exporten abhängt wie kaum eine andere europäische Volkswirtschaft, ist sie nun umso schlimmer betroffen.

Eilig werden in Berlin Konjunkturprogramme geschnürt, um die Folgen etwas abzufedern. Das ist gut und richtig so. Aber nun denkt die Regierung sogar über einen Rettungsschirm für in Bedrängnis geratene Firmen nach. 100 Milliarden Euro sind im Gespräch. Das Ganze soll ähnlich funktionieren wie der Schirm für die Banken. Aber genau hier wird es gefährlich. Die Banken musste man retten, ob einem das gefällt oder nicht. Aber ein Auffangbecken für insolvente Firmen: Nein und nochmals nein.

Der Staat übernimmt sich

Der Staat wird sich in seiner Rolle als Nothelfer für die leidende Wirtschaft übernehmen. Man stelle sich nur vor, Berlin übernimmt Opel: Ein "Volkseigenes Autowerk Rüsselsheim" möchte ich mir lieber nicht vorstellen. Der Einstieg in einen wie auch immer gearteten Staatskapitalismus muss unbedingt vermieden werden.

Dennoch muss man in diesen Tagen auch aufpassen, dass man vor lauter schlechten Nachrichten nicht völlig schwarz malt. Denn Wirtschaft - das wissen wir - hat viel mit Stimmung zu tun. Natürlich wollen alle wissen, wann es wieder besser wird. Das weiß aber keiner. Es ist eine Zeit großer Orientierungslosigkeit. Weil keiner der heutigen Entscheidungsträger eine solche Krise je erlebt hat. Und daher verbietet sich in diesen Tagen eigentlich jedwede Art von Prognose. Die Kakophonie der Rettungsvorschläge ist womöglich gut gemeint, zeugt aber von großer Unsicherheit. Vielleicht hilft es, auch die ein oder andere gute Nachricht dieser Tage zu beachten: Die krisenanfällige deutsche Bauindustrie, sie hofft, durch das Konjunkturpaket gut über das Jahr zu kommen. Das ist doch was.