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"Gefahr für Leben in Frieden"

Jens Thurau11. Februar 2005

Wie lassen sich NPD-Aufmärsche und Demonstrationen verhindern, wenn sie an besonders sensiblen Orten an besonderen Terminen geplant sind? Die Bundesregierung hat dazu jetzt Vorschläge gemacht.

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NPD-Demonstration in LeipzigBild: AP

Ein Aufmarsch der rechtsextremen NPD im Zentrum Berlins am 8. Mai, dem 60. Jahrestag des Kriegsendes? Dort, wo auch die Nationalsozialisten mit Fackeln und strammen Märschen ihre Macht inszenierten? Für das demokratische Deutschland ist das unerträglich. Deshalb wollen Innenminister Otto Schily und Justizministerin Brigitte Zypries (beide SPD) das Versammlungsrecht rasch verschärfen.

Gefahr für Leben in Frieden

Holocaust Mahnmal
Holocaust-Mahnmal in Berlin, dahinter der Deutsche BundestagBild: AP

Rechtsextreme Demonstrationen an Orten der Erinnerung an die NS-Zeit sollen leichter verboten werden können. Schily sagte am Freitag (11.2.) in Berlin: "In den vergangenen Jahren ist eine kontinuierliche Zunahme rechtsextremistischer Versammlungen zu verzeichnen, die sich in Themenwahl, Veranstaltungsort und Ausgestaltung immer stärker an das Profil historischer Aufmärsche des NS-Regimes angleichen. Und die das Gedenken an die Opfer in unerträglicher Weise missachten und das Gefühl der Bevölkerung - insbesondere der Nachkommen der Opfer - hier in Frieden leben zu können, in Gefahr bringen."

Sensible Orte in Berlin Mitte

Kahlgeschorene Demonstranten stehen am Samstag (01.05.2004) in Berlin in einer Gruppe von rechtsextremen NPD-Anhängern
Rechtsextreme Demonstranten in BerlinBild: dpa

Ein solcher Ort der Erinnerung an die NS-Zeit, an dem dann nicht mehr demonstriert werden dürfte, ist das Holocaust-Mahnmal in Berlin. Nicht unter die Verschärfung des Versammlungsrecht fällt aber wahrscheinlich das Brandenburger Tor. Hier favorisiert die Opposition eine Ausweitung des so genannten befriedeten Bezirks rund um das Reichstagsgebäude, um NPD-Aufmärsche zu unterbinden. Schily nannte das diskussionswürdig, allerdings sei das Sache des Parlaments - vor allem die Grünen haben Vorbehalte angemeldet.

Dringender Handlungsbedarf

Bis zum Sommer will Schily das über 50 Jahre alte Versammlungsrecht vollständig novellieren. Aber was den 8. Mai angeht, will er sich kein Zögern nachsagen lassen: "In der Hauptsache besteht jetzt dringender Handlungsbedarf, damit vor allem mit Hinblick auf den 60. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus und des Endes des Zweiten Weltkrieges hier nicht Veranstaltungen geduldet werden, die mit unserem demokratischen Selbstverständnis nicht in Einklang zu bringen sind. Nicht zuletzt auch deshalb, weil an diesem Tag die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf Deutschland gerichtet sein wird. Auch dass beschreibt das Ausmaß unseren Verantwortung."

Tatbestand der Volksverhetzung ausweiten

G 8 Ministertreffen Schily in Paris
Wollen Versammlungs- und Strafrecht verschärfen: Bundesinnenminister Otto Schily und Bundesjustizminsterin Brigitte ZypriesBild: AP

Justizministerin Zypries kündigte eine Verschärfung des Tatbestandes der Volksverhetzung an. Er soll künftig auch bei der Verherrlichung und Verharmlosung der NS-Herrschaft gelten. Zur Zeit ist er nur bei schweren Vergehen wie der Leugnung des Völkermoders an den Juden gegeben. Aber bei dieser Verschärfung allein könne es nicht bleiben.

Politische Auseinandersetzung notwendig

"Wenn wir jetzt diese Entwicklung zum Anlass nehmen, das Strafrecht zu verschärfen," sagte Zypries, "dann bedeutet das nicht, dass wir meinen, dass das Strafrecht das alleinige Mittel zu Bekämpfung eines politischen Gegners sein sollte. Rechtliche Maßnahmen machen natürlich eine politische Auseinandersetzung nicht entbehrlich. Rechtliche Schritte können immer nur ein Beitrag sein im Kampf gegen Antisemitismus und Rassenhass."

Bayerns CSU-Innenminister Günther Beckstein unterstützte die Vorschläge von Schily und von Zypries. Zustimmung kam auch von SPD-Chef Franz Müntefering.