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Wege ins Nirgendwo - in Freiburg

Sarah Mersch25. Mai 2009

Auf der Suche nach Arbeit und einer besseren Zukunft: Filme, die sich mit der Situation von Arbeitsmigranten beschäftigen, bilden den Schwerpunkt beim diesjährigen freiburger film forum.

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Drei junge Männer warten auf Arbeit in dem Film "El Ejido"
Warten auf Arbeit: drei junge Männer im Film "El Ejido"Bild: Latchodrom

Junge Männer werfen ihre Taschen auf die Ladefläche eines Lasters, klettern hinterher, drängen sich aneinander, damit alle Platz finden. Das Fahrzeug setzt sich in Bewegung, der Kameramann, der neben dem Fahrer sitzt, filmt die endlosen Weiten, die der Laster zusammen mit anderen Wagen in einer Kolonne durchquert. Das flirrende Licht der Wüste, das monotone Rattern des Autos, Gesprächsfetzen, die aus der Ferne ans Ohr des Zuschauers dringen – Bilder, die beinahe hypnotisierend wirken.

"Mirages" des französischen Regisseurs Olivier Dury begleitet afrikanische Migranten, die versuchen, nach Europa zu gelangen. Der Film findet ruhige und betörend schöne Bilder für eine bittere Realität, nimmt sich Zeit, den Menschen nahezukommen, die auf der Suche nach einer besseren Zukunft in der Sahara umherirren, ohne zu wissen, ob sie jemals in Europa ankommen werden.

Ein Arbeiter mit einer Gemüsekiste in einem Gewächshaus in El Ejido
Viel Arbeit, wenig Lohn: ein Arbeiter in einem Gewächshaus in El EjidoBild: Latchodrom

Moderne Nomaden

"Menschen in Bewegung" ist der poetische Titel eines wenig poetischen Pänomens, dem das freiburger film forum im Mai dieses Jahres einen seiner Schwerpunkte widmet: der Arbeitsmigration. Filme aus Asien, Afrika und Europa zeigen das Leben der modernen Nomaden. "Das Thema Migration ist gerade sehr virulent, es gibt unglaublich viele Filme, die sich damit auseinandersetzen", erklärt Werner Kobe, einer der Organisatoren, der das Festival 1985 mitbegründet hat. Auch wenn das film forum, das alle zwei Jahre stattfindet, sich seit seinen Anfängen verändert hat – weg vom didaktischen, anthropologischen Film hin zu progressiveren Dokumentarfilmen – ist die grundlegende Idee noch immer die Gleiche: "Es geht immer darum, wie wir das Fremde wahrnehmen und wie wir wahrgenommen werden." Auf das Schlagwort Globalisierung verzichten die Organisatoren dabei zwar durchaus bewusst, trotzdem ist genau die in den Filmen ständig präsent.

Von denen, die in Europa angekommen sind, handelt "El Ejido" von Jawad Rhalib. Die südspanische Kleinstadt El Ejido ist eine der reichsten Städte der Region, denn dort wird das meiste Obst und Gemüse produziert, das auf den Tellern der Europäer landet – von marokkanischen Illegalen, die dort unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten. Was in El Ejido passiert, ist eine moderne Form der Sklaverei.

Enttäuschte Hoffnungen, Hunger und Wut

Migration ist für den belgisch-marokkanischen Regisseur in seiner Arbeit ein ständiges Thema. "Ich hatte das Glück, ganz regulär nach Europa zu kommen, mit einer Zulassung für die Uni, mit einem Pass und einem Visum." Doch die Frage, was sonst aus ihm geworden wäre, treibt Rhalib um. Immer wieder kommt er in seinen Filmen auf die Situation der Migranten zurück – manche suchen im Ausland ihr Glück, andere reisen auf der Suche nach Arbeit in andere Teile ihres Landes.

Freiburger Dokumentarfilm-Festival: The Damned of the Sea
Keine Aussicht auf einen guten Fang: Fischer im Film "The Damned of the Sea"Bild: Latchodrom

"The Damned of the Sea", die Verdammten des Meeres, heißt sein neuster Film, eine eindrückliche Beobachtung einer Zeltstadt am Strand von Dakhla in der Westsahara, kurz vor der Grenze zu Mauretanien. Tausende marokkanische Fischer leben dort, in der Hoffnung, noch ein paar Fische fangen zu können, nachdem die Küste vor Marokko praktisch leergefischt ist. Doch während europäische Trawler mit modernster Technik täglich Hunderte Tonnen Fisch an Bord holen, sitzen die Marokkaner seit Monaten in ihrem Lager fest, weil die Behörden ihnen verbieten, auszulaufen.

Die Fischer haben sich inzwischen in ihrem Provisorium häuslich eingerichtet, die Zeltstadt ist zum Mikrokosmos aus enttäuschten Hoffnungen, Hunger und Wut geworden. Ruhig und zurückhaltend beobachtet Jawad Rhalib, was im Lager passiert, enthält sich selbst jeden Kommentars. "Das ist eine ganz klare künstlerische Entscheidung. Ich will Niemandem meinen Blick aufzwängen, ich mache keine politischen Filme", sagt er. Es sind die Protagonisten, die politisch sind, die aus "El Ejido" und "The Damned of the Sea" zwei hochpolitische Kunstwerke machen.