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Gegen die falschen Versprechungen

Oliver Samson17. Juli 2003

Die EU-Kommission will die Lebensmittelwerbung ehrlicher machen: Ab 2005 sollen nur noch wissenschaftlich überprüfbare Werbeslogans zugelassen werden.

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Umgeben von Mogelpackungen?Bild: bilderbox

Glaubt man der Werbung, finden sich in den Regalen der Supermärkte wahre Wunderwaren, die schön, gesund und froh machen, jung und schlank halten und gegebenenfalls sogar Flügel verleihen. Das dies oft Mogelpackungen sind, sagt den EU-Bürgern bisher nur der gesunde Menschenverstand. Jetzt will die EU den Verbrauchern mehr Sicherheit geben.

Ziel: Keine Irreführung

EU-Verbraucherkommissar David Byrne hat am Mittwoch (16.7.2003) einen Entwurf gegen irreführende Werbung auf den Weg gebracht. Werbebotschaften, die "in allgemeiner und nicht-spezifischer Form" gesundheitliche Versprechen wie etwa Gewichtsminderung oder eine Stärkung der Abwehrkräfte für das Produkt reklamieren, soll es demnach ab 2005 nicht mehr geben. Vorher muss die Regelung aber noch das EU-Parlament und den Ministerrat passieren.

"Im Grunde geht es aber nicht um ein Werbeverbot, sondern nur um die Nährwert-, beziehungsweise gesundheitsbezogenen Angaben", sagt EU-Kommissionssprecherin Beate Gminder zu DW-WORLD. 24 Begriffe wie "fettreduziert", "salzarm", "leicht" oder "vitaminangereichert" haben die EU-Verbraucherschützer dafür auf den Index gesetzt. Mit der Bezeichnung "Diät" müssen die Werber beispielsweise deutlich vorsichtiger umgehen als bisher. "Fettarm" darf nur noch genannt werden, was weniger als drei Prozent Fett beinhaltet. Als "zuckerfrei" gilt nur noch, wenn auf 100 Gramm höchstens 0,5 Gramm Zucker kommen. Ballaststoffreiches Müsli darf sich nur noch so nennen, wenn auch mindestens sechs Prozent Ballaststoffe enthalten sind.

Positivliste in Arbeit

Für die Hersteller will die Kommission klare Richtlinien erarbeiten, was zukünftig auf den Etiketten stehen darf. In den nächsten drei Jahren soll hierfür eine wissenschaftlich untermauerte Positivliste erarbeitet werden. Als unumstritten dürfte etwa gelten, dass Kalzium gut für die Knochen ist. Die beworbene gedächtnisverbessernde Wirkung von Heilkräutersäften dürfte die neue Richtlinie allerdings nicht überleben - es sei denn der Hersteller kann die behauptete Wirkung beweisen. Anträge zur Aufnahme in die Positivliste können samt wissenschaftlicher Studien beim Brüsseler Lebensmittelamt eingereicht werden, wo dann innerhalb von sechs Monaten entschieden werden soll.

Die deutschen Verbraucherzentralen begrüßen den Vorstoß der EU-Kommission. Der Entwurf bereite dem jahrelangen Gerangel um mehr Klarheit ein Ende, erklärte der Bundesverband als Reaktion auf die Brüsseler Pläne.

"Gouvernantenhafte EU"

Ganz andere Töne sind hingegen von Volker Nickel zu hören: Für den Geschäftsführer des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft sind die geplanten Verordnungen ein rotes Tuch: Nicht nur, dass die seiner Meinung nach "gouvernantenhafte EU" seine Bürger bevormunde, nein, er sieht darin sogar den Trend zur "Rückkehr der sozialistischen Planwirtschaft". Den Wettbewerb, ja sogar die Medienfreiheit sieht Nickel im Gespräch mit DW-WORLD gefährdet - ganz abgesehen vom wirtschaftlichen Schaden. Der lasse sich zwar schwer beziffern, aber Nickel geht davon aus, dass sich die 4,5 Milliarden Euro Werbeausgaben kräftig reduzieren werden, "wenn man mit seiner Werbung erst durch die Brüsseler Zensur muss". Er hält die Regelung schlicht für "hanebüchen" - zumal das deutsche Werbegesetz wissentliche Falschaussagen ohnehin mit bis zu zwei Jahren Haft bestrafe - "das würde ich auch gern bei Politikern und Bürokraten angewendet sehen", so Nickel weiter.

"Längst fälliges Vorhaben"

EU-Kommissionssprecherin Beate Gminder möchte diese Äußerungen lieber nicht kommentieren. Sie sieht in der Verordnung ein Anliegen der Verbraucher erfüllt und glaubt sich durch die positiven Reaktionen auf ein "längst fälliges Vorhaben" bestätigt. "Nur in Deutschland und Österreich wurde schon im Vorfeld negativ über die Verordnung berichtet", sagt Gminder. Warum dies so sei hält Gminder für keine politische, sondern eine philosophische Frage, "auf die ich als EU-Sprecherin keine Antwort haben kann".

Obwohl die EU-Richtlinie auch Slogans verbieten will, die psychologische Wirkung versprechen, kann Gminder aber für den nachweislich bekanntesten deutschen Werbeslogan "Haribo macht Kinder froh" Entwarnung geben. In der Bonner Zentrale des Gummibärchen-Marktführers fürchtete man im Vorfeld schon "ungeahnte Folgen" bei einem Verbot des seit 1930 verwendeten Slogans. Bei Haribo wurde schon über eine Studie nachgedacht, die beweisen sollte, dass Zucker froh macht. Anscheinend zu früh, so Gminder: "Froh sein", so die Sprecherin, "ist für die EU-Kommission keine Funktion des Körpers."