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Gegen die Gier nach Gold

Andreas Boueke, Guatemala13. Februar 2009

Mayagemeinden wehren sich gegen die Ausbeutung von Goldvorkommen im Urwald Guatemalas. Die Regierung will ausländische Investoren anwerben.

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In Zeiten der Finanzkrise steigt der GoldwertBild: AP

Die Mine Marlin im Hochland von Guatemala. Noch kann man in der Umgebung die Tiere des Waldes beobachten, dem Gesang der Vögel lauschen, bunte Käfer und Raupen betrachten. Hähne krähen, Kinder spielen. Doch wo früher grüne Hügel waren sind jetzt sandige Löcher. Ganze Höhenzüge wurden abgeholzt. Riesige Grundstücke sind mit Stacheldraht umzäunt. Noch vor kurzem konnten sich die Menschen hier ungehindert bewegen. Heute treffen sie auf Grenzen mit bewaffnetem Sicherheitspersonal. Wo früher Gras und Pflanzen wuchsen, ist heute Schlamm oder Staub. Der Bergbau hat die Umwelt verändert.

Papagei im Regenwald Guatemala
Auch die Papageien verlieren ihrn LebensraumBild: AP

Viele Bewohner der Region sind wütend, auch der Bauer Javier de León: "Einige Kameraden sagen: Wenn keine Lösung gefunden wird, wenn die Regierung uns nicht zuhört, wenn die Geschäftsführer der Firmen nicht auf die Vorschläge der Gemeinden hören, auf die Einwände der betroffenen Familien hier vor Ort, dann wird es zu drastischen Aktionen kommen. Aber wir werden uns nicht verantwortlich fühlen, denn die Warnungen sind ausgesprochen. Wir haben den Dialog gesucht, mit der Firma, mit der Regierung. Aber wenn sie uns nicht zuhören wollen, dann ist es das Problem der Regierung. Wir werden nicht die Verantwortung übernehmen für die Dinge, die passieren können."

Goldbergbau ist ein giftiges Unterfangen

Das Vertrauen in die globalen Finanzmärkte ist zerrüttet. Umso begehrter ist Gold. Viele Entwicklungsländer setzen zunehmend auf die Ausbeutung ihrer Bodenschätze. Wer heute Gold freilegen will, muss große Mengen Fels sprengen und ihn zu Schlamm zermahlen. Die geringen Goldspuren werden mit Hilfe giftiger Chemikalien gelöst. Im Laufe dieses Prozesses kommt es nicht selten zur Verschmutzung von Wasser und Land, meist ohne dass die betroffene Bevölkerung adäquat informiert, geschützt oder gar entschädigt wird.

Im guatemaltekischen Hochland hat sich längst eine indigene Oppositionsbewegung gegen die Bergbauindustrie formiert. In dem Dorf San Miguel Acatán haben über zwölftausend Menschen an einer Volksbefragung teilgenommen. Nur sieben Personen stimmten für die Ansieldung einer Mine, alle anderen dagegen. Daraufhin machten sich fünfzig Abgesandte der Gemeinde auf den beschwerlichen Weg in die Hauptstadt, um die Öffentlichkeit über das Ergebnis zu informieren. Unter ihnen Pedro Mendez vom Maya-Kulturzentrum der Akateken. "Wir haben eine demokratische Beteiligung des Volkes erlebt," sagt er. "Kinder, Frauen, Alte, Erwachsene. Auch viele nationale und internationale Beobachter waren dabei. Das war ein Fest der Bürger, ein erinnerungswürdiger Tag für die Menschen, an dem sie ihr Recht zum Ausdruck gebracht haben. Sie haben sich gegen den Bergbau in unserem Bezirk ausgesprochen."

Guatemalas Presse ignoriert die Maya

Die Umweltschutzorganisation Madre Selva hat eine Pressekonferenz für die Abgesandten aus San Miguel Acatán vorbereitet. Doch nur zwei guatemaltekische Journalisten sind gekommen. Sie sprechen mit fünf Repräsentanten der Gemeinde, während die restlichen Abgesandten draußen im Hof stehen. Die Männer tragen Strohhüte und Sandalen, die Frauen die traditionelle Mayatracht ihres Dorfes. Schweigend schauen sie durch ein vergittertes Fenster in den Raum der Pressekonferenz, in dem ihr Repräsentant Miguel Juan Francisco sich darüber ärgert, dass so wenige Pressevertreter gekommen sind. "Die nationalen Medien respektieren vor allem diejenigen Leute, die einen Anzug tragen und eine akademische Ausbildung haben," schimpft er. "Wenn jetzt etwas im Kongress passieren würde, dann würden sie sofort dorthin eilen. Den Leuten mit Krawatte wird Aufmerksamkeit geschenkt. Die armen Bürger hingegen, die vom Land, werden ignoriert."

Die umstrittene Goldmine Marlin im Hochland von Guatemala
Die umstrittene Goldmine Marlin im Hochland von GuatemalaBild: DW / Andreas Boueke

Die Reporterin Ana Contreras ist nicht überrascht, dass die meisten Medien der Hauptstadt nicht über die Volksbefragungen auf dem Land berichten, obwohl sich Tausende Guatemalteken beteiligen. "Es stimmt schon, dass sich die meisten Journalisten nicht besonders für dieses Thema interessieren. Ich persönlich halte es für sehr wichtig. Ich finde es traurig, dass Kollegen der internationalen Presse mitbekommen, dass wir hier nicht angemessen über so wichtige Themen wie die Minenindustrie berichten."

Regierung ignoriert Bürgerbegehren

Die Betreiber der Mine Marlin behaupten, sie hätten die umliegenden Gemeinden im Vorfeld ihrer Aktivitäten über das geplante Projekt informiert. Sie bezeichnen die Opposition als ein Ergebnis von Manipulationen durch radikale Umweltschutzgruppen. Ähnlich argumentiert der Wirtschaftsanalyst Ramón Parellada. Er hält die modernen Minenprojekte für ein wichtiges Element zur Stärkung der guatemaltekischen Volkswirtschaft. "Gott sei Dank hat Guatemala diese natürlichen Ressourcen," sagt Ramón Parellada. "Bisher sind sie nicht angemessen ausgebeutet worden. Erst jetzt beginnen sich die Dinge zu entwickeln. Leider hat die Minenindustrie eine schlechte Presse. Einige fanatische Gruppen, die einem Irrweg folgen, verbreiten Falschinformationen und Lügen."

Zu Beginn der Bauarbeiten auf dem Gelände der Mine Marlin haben einige Nichtregierungsorganisationen die Bewohner der umliegenden Dörfer zu Informationsabenden eingeladen. Das waren die einzigen Veranstaltungen, auf denen die Bevölkerung über Argumente für und gegen die Ansiedelung der Bergbauindustrie informiert wurde. Daraufhin hat auch der Bürgerrat von Sipacapa eine Volksbefragung durchgeführt. 2522 Menschen gaben ihre Stimme ab, etwa die Hälfte der stimmberechtigten Bevölkerung. Nur 36 Personen stimmten für die Weiterführung der Minenarbeiten, alle anderen waren dagegen.

Der Bürgermeister von Sipacapa hat dieses Ergebnis nicht nur der Bergbaukommission des Parlaments übergeben, sondern auch dem Energieministerium. Dort hat sie der Ingenieur Oscar Rosal entgegengenommen. "Sie haben uns das Ergebnis dieser Volksbefragung gebracht," erinnert sich der Ingenieur. "Aber wir haben kein legales Instrument, das es uns erlaubt, auf Grund einer Volksbefragung die Lizenz zu verweigern. Das Gesetz schreibt uns vor, die Lizenzen zu gewähren. Wir haben beim Verfassungsgericht nachgefragt. Die Richter dort haben entschieden, dass die Volksbefragungen zwar legal seien, aber dass sie keine legale Konsequenz haben. Das Ministerium ist also nicht verpflichtet, das Ergebnis der Volksbefragung zu akzeptieren und deswegen Lizenzen zu verweigern."

Insgesamt haben nahezu eine halbe Millionen Personen in über zwanzig Dörfern an Volksbefragungen zu den geplanten Bergbauprojekten in ihrer Umgebung teilgenommen. Die Ablehnungsquote lag meist bei deutlich über 95 Prozent. Doch die guatemaltekische Regierung hat trotzdem Bergbau- und Ölförderlizenzen für über ein Fünftel des Staatsgebiets vergeben. Bei den derzeitigen Preissteigerungen für diese Bodenschätze ist es wahrscheinlich, dass viele der Lizenzen früher oder später zu einer Ausbeutung führen werden.